Bodo Ramelow (links) und Mario Voigt
analyse

CDU und Linke in Thüringen Kommen sie sich doch näher?

Stand: 23.07.2023 09:46 Uhr

Nicht mit der Linkspartei und nicht mit der AfD - so hat es die CDU einst beschlossen. In Thüringen halten Teile der CDU das für überholt. Sie wollen mit der Ramelow-Linken sprechen. Nur Einzelmeinungen?

Eine Analyse von Thomas Vorreyer

Die Idee ist nicht neu und sorgt dennoch für Aufregung: Mike Mohring, ehemaliger Landes- und Fraktionsvorsitzender der Thüringer CDU, spricht sich für eine "projektbezogene" Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Freistaat aus. Also genau für jenen Vorschlag, der sich bereits in den Monaten vor und nach der Landtagswahl 2019 nicht durchsetzen konnte. 

Zwar gibt es weiterhin die schwierigen Mehrheitsverhältnisse, die damals zu der rot-rot-grünen Minderheitsregierung führten. Der Bundesbeschluss der CDU von 2018, jegliche Koalitionen und "ähnliche Formen der Zusammenarbeit" sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD abzulehnen, gilt aber auch noch.

Dieser Beschluss sei mal richtig gewesen, sagte Mohring etwa im MDR, aber: "Mit der Lebenswirklichkeit in Thüringen hat das nichts zu tun." Auch CDU-Landrat Werner Hennig befand in mehreren Medien: "Die Bevölkerung denkt anders." Ähnlich äußert sich das Landesvorstandsmitglied André Neumann, Oberbürgermeister von Altenburg.

Ramelow offen für Gespräche

Da ist zum einen der Ministerpräsident Bodo Ramelow. Ein Linker, ja, aber einer, der jeder Versuchung widerstanden hat, den Sozialismus im Freistaat einzuführen, und der weiterhin einigermaßen beliebt bei den Thüringern ist. Ein Mann, mit dem man offenbar also arbeiten kann und der sich auch für Gespräche mit der CDU offen zeigt.

Da sind zum anderen die aktuellen Umfragen. Im ThüringenTREND für Juli von Infratest dimap kommt die AfD als stärkste Kraft auf 34 Prozent, Rot-Rot-Grün zusammen lediglich auf 35 Prozent. Für ein von der Thüringer CDU-Spitze favorisiertes Bündnis aus CDU, SPD und FDP sieht es nicht besser aus. Wobei die FDP mit vier Prozent nicht mal in den Landtag käme.

Wenn die CDU also nicht mit der AfD will, führt wie schon jetzt rein rechnerisch vorerst kein Weg an der Linken vorbei. Andersrum auch nicht. Wegen der starken AfD wären beide Parteien wohl mindestens noch auf eine dritte angewiesen, um sich auf ein Tolerierungsmodell oder gar eine Koalition einigen zu können.

"Unsägliche Gleichsetzung von Linker und AfD"

Bei der Linkspartei verfolgt man die Diskussion dennoch mit betonter Gelassenheit. Co-Landeschef Christian Schaft sagt, zumindest Teile der CDU hätten begriffen, dass der Bundesbeschluss "mit seiner unsäglichen Gleichsetzung von Linker und AfD", nicht mehr zu halten sei. Das sei Ausdruck eines generellen Richtungsstreits in der CDU.

Die Thüringer CDU hat zuletzt mehrere Gesprächsangebote ausgeschlagen. Für die Linke gelte es nun "abzuwarten, wohin die Reise geht", so Schaft.

Bleibt CDU-Landeschef Voigt hart?

Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU, Mario Voigt, scheint allerdings nicht auf gepackten Koffern zu sitzen. Er lehnt jede Diskussion über eine Neuausrichtung seiner Partei gegenüber der Linken konsequent ab. Im Gegenteil: Nach der für die Partei verlorenen Landratswahl in Sonneberg soll sich die CDU noch stärker als bislang von anderen Parteien abgrenzen. Da kommt der Mohring-Vorstoß nach links zur Unzeit.

Bleibt Voigt hart, weil Mohring sein alter Widersacher ist? Voigt hatte Mohring 2020 als Fraktionschef abgelöst. Oder weil Voigt dann auch eine Diskussion über die AfD nur schwer einfangen könnte? Längst gibt es Rufe aus dem Landesverband, auch das generelle Zusammenarbeitsverbot zur AfD zu überdenken.

Voigt sagt, innerhalb der CDU habe man "eine große Klarheit, was eine Ablehnung der Linken oder der AfD angeht". Landesvorstand und Kreisvorsitzende hätten das nach Sonneberg einstimmig bekräftigt. "Alles andere sind Einzelmeinungen", so Voigt.

Auch in Berlin blockt man ab. Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der "Bild"-Zeitung, die Frage nach einer Zusammenarbeit mit der Linken stelle sich nicht, die Beschlusslage sei klar. Darüber hinaus wolle er sich nicht äußern, so das Konrad-Adenauer-Haus auf Nachfrage.

AfD profitiert vom Streit

Bis zur Landtagswahl 2024 ist es noch etwas mehr als ein Jahr. Und damit bleibt ein wesentliches Problem für CDU wie Linke bestehen: die instabile Konstellation rund um die Minderheitsregierung. Längst beeinflusst die Art und Weise, wie in Thüringen seit drei Jahren Politik gemacht wird, die Stimmung im Land. Das Agieren ist mitverantwortlich dafür, dass ausgerechnet der vom Landesverfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte AfD-Landesverband von Björn Höcke in Thüringen besser dasteht als in jedem anderen Bundesland.

Nach dem Fiasko um den Kurzzeit-FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich und der erneuten Wahl von Bodo Ramelow hatten Rot-Rot-Grün und CDU eigentlich Neuwahlen für 2021 vereinbart, bis dahin gab es eine inhaltliche Minimalvereinbarung. Dann verhinderte aber eine Handvoll CDU-Abgeordneter die Neuwahl. Zu weiteren Vereinbarungen kam es nicht.

Seitdem haben die Koalition und die CDU immer wieder von vorne Kompromisse ausgehandelt, etwa bei den Landesfinanzen oder beim Ausbau der Windkraft. Mal ermöglicht die CDU durch ihre Stimmen eine Mehrheit, mal durch Enthaltung. Fast immer aber ziehen sich die Gespräche hin und werden von gegenseitigen Vorwürfen begleitet.

CDU und FDP bringen zudem Anträge in den Landtag ein, die mitunter erst durch Stimmen der AfD wiederum eine Mehrheit erhalten. So wurde das Spielhallengesetz geändert und der Thüringer Verwaltung das Gendern untersagt. Dafür gab es viel Kritik. Gleichzeitig setzt die AfD derzeit den Spin: "Wer CDU wählt, bekommt Ramelow."

Diskussion um Landeshaushalt hat begonnen

Aktuell wirft die Linkspartei der CDU bei der Reform des Schulgesetzes und der Besetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums eine "absolute Blockadehaltung" vor. Von der CDU-Seite heißt es von Mario Voigt, die Minderheitsregierung ignoriere, dass sie weder "im Landtag noch in der Bevölkerung eine Mehrheit" habe. Stattdessen mache sie ideologische Politik, schlampe bei der Sicherheitsfrage in der Migrationsdebatte und beziehe im Bundesrat Sonderpositionen.

Man werde weiter eigene Vorschläge in den Landtag einbringen, etwa für eine niedrigere Grunderwerbsteuer für Familien. Wenn der Ramelow-Regierung diese nicht schmeckten, "dann ist es erst einmal das Problem der Koalition" - und damit nicht der CDU -, sagt Voigt.

Beim Landeshaushalt für 2024 kam die CDU der Regierung gerade mit einem Entwurf zuvor. Beide Seiten bemühen sich schon jetzt, die Pläne der jeweils anderen in Zweifel zu ziehen: "Wahlkampfhaushalt", "mit solider Finanzpolitik nichts zu tun". Zumindest Linken-Co-Chef Christian Schaft sagt aber, er sei vorsichtig optimistisch, dass man sich einigen könne.

"DNA der CDU" mit Linker unvereinbar

Überhaupt ähnelt sich vieles, was Voigt und Schaft im Gespräch sagen. Die Umfragen seien Momentaufnahme. Man trete für eine starke Linke bzw. CDU an - und für die eigene Wunschkoalition. Und grundsätzlich, klar, sei man eh gesprächsbereit.

Doch Voigt betont die Abgrenzung. Die "DNA der CDU" sei mit dem Gesellschaftsbild und den Staatsvorstellungen der Linken nicht vereinbar. Entsprechend stelle sich die Frage nach weitergehenden Gesprächen nicht.

Auch den Umfragen kann Voigt etwas Positives abgewinnen. Mittlerweile befinden sich CDU und Linke in den Umfragen wieder auf Augenhöhe. Dass dies aber weniger an der Stärke der CDU sondern vielmehr an der Schwäche der Linkspartei liegt, scheint den CDU-Chef nicht zu rühren.

Die AfD hat seit der Landtagswahl 2019 gut zehn Prozentpunkte hinzugewonnen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 22. Juli 2023 um 08:43 Uhr.