Am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor weist ein Hinweisschild auf die Maskenpflicht hin. (Archivbild)

Corona-Variante Delta Rückkehr zu Beschränkungen nicht ausgeschlossen

Stand: 21.06.2021 07:26 Uhr

Die Zahl der Neuinfektionen sinkt weiter, doch die Sorge vor der Delta-Variante wächst. Politiker und Experten raten deshalb zu Vorsicht. Hessens Ministerpräsident Bouffier schließt auch eine Rückkehr zu Kontaktbeschränkungen nicht aus.

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland sinkt - dennoch gibt es vermehrt Sorgen wegen der sich ausbreitenden Delta-Variante. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier schloss deshalb eine Rückkehr zu Kontaktbeschränkungen nicht aus. "Ich rechne damit, dass die Delta-Variante in einem Monat auch in Deutschland die vorherrschende Variante ist", sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Dann stelle sich seiner Ansicht nach die Frage: "Wie wirkt welches Vakzin auf sie?"

Man könne auch nicht ausschließen, dass Menschen infiziert aus dem Sommerurlaub zurückkehren. Von den Antworten auf diese Fragen hänge ab, "ob wir eine vierte Welle bekommen und wieder zu Kontaktbeschränkungen zurückkehren. Ausschließen können wir das nicht", so Bouffier weiter.

Spahn: Die richtige Balance finden

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zufolge geht es in der derzeitigen Pandemie-Phase auch mit Blick auf die Delta-Variante darum, die richtige Balance zu finden. "Wir können jetzt lockern", sagte der CDU-Politiker in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin. Die Stimmung dürfe aber nicht zu Übermut führen. "Also: Zuversicht für den Sommer, aber eben auch Vorsicht vor allem dann auch Richtung Herbst und Winter."

Mit Blick auf Kinder und Jugendliche sagte Spahn: "Unser Ziel sollte sein, so viel Normalität wie möglich nach den Ferien auch für die Schulen, aber eben auch so viel Sicherheit wie möglich." Eine Möglichkeit dabei seien Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren. "Wir können bis Ende August, jedem über 12-Jährigen, der geimpft werden will, mindestens die erste Impfung angeboten haben." Für alle Nicht-Geimpften brauche es auch weiterhin mindestens regelmäßiges Testen.

Intensivmediziner rechnen mit weniger schweren Verläufen

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, rechnet bei einer möglichen vierten Corona-Welle mit weniger Patienten auf den Intensivstationen. "Wir werden, wenn es im Herbst zu einem Wiederanstieg der Infektionszahlen kommt, sehr genau auf die Neuaufnahmen auf den Intensivstationen schauen müssen. Wenn die vulnerablen Gruppen bis dahin sehr gut geimpft sind, könnte es auch bei höheren Inzidenzen viel weniger schwere Verläufe geben", sagte er der "Rheinischen Post".

Bisher seien die Intensiv-Neuaufnahmen weitestgehend parallel zu den Inzidenzen verlaufen. Wenn die vulnerablen Gruppen sehr gut geimpft seien, könne es im Sommer erstmals zu einem abweichenden Verhalten kommen. Die Inzidenzen würden dann stärker steigen als die Intensivaufnahmen, weil die potenziellen Patienten durch Impfung besser geschützt seien.

Opposition fordert Fahrplan

Oppositionspolitiker forderten von der Bundesregierung einen konkreten Fahrplan, wie der Delta-Variante begegnet werden soll. "Das Politikversagen, das wir im letzten Jahr durch fehlende Luftfilter in Schulen, volle Busse und Bahnen und viel zu wenig Schutz am Arbeitsplatz erleben mussten, darf sich nicht wiederholen", sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, der Zeitung "Die Welt". Die Bundesregierung müsse endlich aus ihren Fehlern lernen und die Strukturen schaffen, um einen guten Herbst und Winter zu ermöglichen.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sagte der Zeitung: "Die Bundesregierung darf den Sommer nicht verschlafen und muss Deutschland jetzt für den Herbst vorbereiten." Man befinde sich in einem Wettlauf zwischen Impftempo und neuen Mutationen. Es sei daher wichtig, vorerst an Masken in Innenräumen und Schnelltests festzuhalten. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer sieht Risiken im Reiseverkehr: "Letztes Jahr hat das Reiserückkehrmanagement komplett versagt." Davon sei eine Infektionswelle ausgelöst worden. Von einem erneuten Lockdown hält die FDP nichts. "Die Politik muss raus aus der Lockdown-Logik", so Theurer. Die AfD warnte vor einem weiteren Eingriff in Freiheitsrechte. "Die Bürger haben ein Recht darauf, ihre bürgerlichen Freiheiten wieder in Anspruch zu nehmen und Zug um Zug zur Normalität zurückzukehren", so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sebastian Münzenmaier.

Weniger als 500 Neuinfektionen binnen eines Tages

Die Gesundheitsämter meldeten erstmals seit zehn Monaten dem Robert Koch-Institut (RKI) weniger als 500 Neuinfektionen binnen eines Tages. So registrierte das RKI 346 neue Fälle. Zuletzt hatte die Zahl der Neuinfektionen pro Tag am 10. August mit 436 unter der Schwelle von 500 gelegen.

Montags sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen allerdings meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Vor einer Woche hatte der Wert bei 549 Ansteckungen gelegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI mit bundesweit 8,6 an (Vortag: 8,8; Vorwoche: 16,6; Vormonat: 67,3). Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden zehn neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es ebenfalls zehn Tote gewesen.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3.722.327 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.605.200 an. Die Zahl der Menschen, die an oder mit einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 90.395 angegeben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-morgenmagazin am 21. Juni 2021 um 05:41 Uhr.