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Europawahl 2024

Windräder vor einem Kohlekraftwerk in Sachsen-Anhalt.
Europawahl

Wahlprogramme im Vergleich Wie die Parteien zur Klimapolitik stehen

Stand: 07.05.2024 17:51 Uhr

Fast alle im Europäischen Parlament vertretenen deutschen Parteien betrachten den Klimaschutz als eine zentrale Aufgabe. Doch bei der Frage, wie diese angegangen werden soll, gibt es in ihren Wahlprogrammen große Unterschiede.

Von Corinna Emundts, tagesschau.de

Dass der Klimaschutz eine der zentralen Zukunftsaufgaben der Europäischen Union ist, daran lassen die meisten Parteien keinen Zweifel. Einzige Ausnahme dabei ist die AfD: Für die Partei gibt es keinen menschengemachten Klimawandel und sie lehnt deswegen jede Art von Klimaschutzgesetzen ab.  

Sehr unterschiedliche Haltungen gibt es bei den Instrumenten auf dem Weg zur Klimaneutralität. Verbrenner-Aus ja oder nein? Atomkraft ja oder nein? Sollen eher EU-Kommission, das Europäische Parlament und die Ministerräte mehr mit Vorgaben und Subventionen eingreifen - oder der Markt? Die FDP etwa setzt klar auf das Prinzip des Marktes und weniger Regulierung aus Brüssel, während die Linkspartei die öffentliche Hand bei der Steuerung in zentraler Verantwortung sieht.

CDU/CSU

Die Schwesterparteien CDU und CSU bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität in Europa bis zum Jahr 2050 und betonen dabei, dass Wirtschaft, Energie und Klimaschutz keine Gegensätze seien, sondern sich als Einheit einander bedingen: Alle Sektoren sollten unterstützt werden, ihre Produktionsweisen klimafreundlich umzurüsten - dabei setzen CDU/CSU auf Technologieoffenheit, nachhaltiges Wirtschaften, Innovation und Forschung.

Für die Parteien sind hierzu "marktbasierte Instrumente" wichtig: Dazu gehöre der Emissionshandel, der Ausbau erneuerbarer Energien, aber auch Energieeffizienzstrategien und das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. CDU und CSU wollen zudem den CO2-Gehalt in Luft und Erdatmosphäre natürlich etwa durch Wälder und Moore wie auch durch technische Methoden senken. Unverzichtbar für die beiden Parteien ist auch das "Carbon Capture Use/Storage" (CCU/CCS), also die Nutzung und unschädliche Speicherung von CO2.

Bei der Förderung der erneuerbaren Energien ist den Schwesterparteien das Prinzip der Gleichwertigkeit wichtig. CDU/CSU wollen den EU-Binnenmarkt für Energie als "Energieunion" stärken und mit technologieoffener Forschung "den Energiestandort Europa voranbringen". Dazu gehöre eine zügige Umsetzung der EU-Wasserstoffstrategie, der "zügige Hochlauf" der europäischen Wasserstoff-Produktion ebenso wie eine funktionierende Transportinfrastruktur mit grenzüberschreitendem Pipelinenetz. 

Im Verkehrssektor fordern CDU/CSU, das von der EU beschlossene Verbrennermotor-Verbot für Neuwagen aufzuheben, das ab dem Jahr 2035 gelten soll. Gerade die "deutsche Spitzentechnologie des Verbrennermotors" solle erhalten bleiben und technologieoffen weiterentwickelt werden. Synthetische Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels) spielten dafür eine zentrale Rolle.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen definieren die Klimakrise als "die zentrale globale Herausforderung unserer Zeit". Um die Klimaziele zu erreichen, brauche Europa "eine echte Energieunion mit effizienter und nachhaltiger Energieversorgung, die die Potenziale und Kostenvorteile der erneuerbaren Energien auf dem gesamten Kontinent nutzt und miteinander verbindet". 

Überall in Europa brauche es mehr Kooperation der EU-Mitglieder. Die Energieeffizienz müsse gesteigert und Verkehr, Industrie und Wärmeversorgung dekarbonisiert werden. Dazu gehören für die Grünen auch "massive Investitionen" in den Ausbau von Windkraft-, Photovoltaik-, Solar- und Geothermieanlagen, Energiespeichern aller Art sowie Abwärmenutzung und Wärmepumpen.  

Versorgungssicherheit biete ein gemeinsames europäisches Stromnetz, das die Grünen im Rahmen einer "Infrastrukturunion" stärken möchte. Die Partei will Europa für "hundert Prozent erneuerbare Energien fit machen". Synergien der EU müssten genutzt werden, "in der immer irgendwo der Wind weht oder die Sonne scheint". Dazu müsse eine europäisch integrierte Netzplanung etabliert werden. 

Das Strommarktdesign, die Netzentgelte und die Regulierung von Energiespeichern aller Art wollen die Grünen zielgerichtet auf ein System aus erneuerbaren Energien und die Integration der Verkehrs-, Wärme- und Industriesektoren ausrichten.

Atomkraft ist für die Partei "keine nachhaltige Form der Energiegewinnung": Sie sei nicht geeignet, die Klimakrise zu bekämpfen. Sie verstärke Importabhängigkeiten, sei erheblich teurer als Erneuerbare, mit hohen Risiken verbunden und "gerade in Zeiten von Hitze und Dürre unzuverlässig". Deswegen fordert die Partei für die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) eine Vertragsreform, die die Sicherheit von Rückbau und nuklearer Entsorgung zentraler in den Blick nimmt. 

Gegenüber Potenzialen neuer Energietechnologien ist die Partei aufgeschlossen - und zählt hierzu neben "grünem Wasserstoff", der aus erneuerbaren Energien produziert wird, auch Speichertechnologien und die Kernfusion: Beides solle wissenschaftlich untersucht werden.

Aber auch in der CO2-Speicherung und geschlossenen Kohlenstoff-Kreisläufen im Rahmen des "Carbon Capture Use/Storage" (CCU/CCS) sieht die Partei eine Chance auf dem Weg zu einem klimaneutralen Europa. Die Partei wirbt außerdem dafür, eine Technologie für "negative Emissionen" zu entwickeln, die der Erdatmosphäre mittelfristig wieder CO2 entziehen könne.

SPD

Die SPD sieht Europa dann als stark an, "wenn Klimaschutz gelingt und zum Jobmotor wird". Ziel sei ein klimaneutrales Europa. Dafür müsse in Europa massiv in klimaneutrale Zukunftstechnologien und Infrastruktur investiert werden - und die Industrie auf dem Weg in die Klimaneutralität unterstützt werden. 

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN) seien dabei von zentraler Bedeutung. Die EU müsse auf weltpolitischer Ebene "weiterhin als Klimavorreiterin und Brückenbauerin auf den internationalen Klimakonferenzen auftreten". 

Die europäische Klimaschutz- und Industriestrategie "Green Deal" will die SPD "als Teil einer umfassenden Standort- und Resilienzstrategie weiterentwickeln und strategisch auf die Zukunft und die neuen Rahmenbedingungen im globalen Wettbewerb ausrichten".

Hierzu gehört für die SPD, die Europäische Energieunion zu vollenden: Aus verbundenen nationalen Energienetzen müsse ein europäisches Netz werden. "Wir müssen gemeinsam verstärkt in den Ausbau von erneuerbaren Energien, grenzüberschreitenden Wasserstoffpipelines und Stromleitungen sowie in Elektrolyseure und Hafeninfrastruktur investieren", fordert die Partei. Dafür brauche es einheitliche und kohärente Regulierungs- und Förderrahmenbedingungen. 

Kostenvorteile erneuerbarer Energien sollen nach Vorstellung der Sozialdemokraten an alle Energieverbrauchergruppen weitergegeben werden. Die Preisbildungsmechanismen sollen nach der Vorstellung der SPD für Strom überprüft und auf erneuerbare Energien ausgerichtet werden, "um Preis und Einspeiseschwankungen zu begrenzen". Strom müsse dauerhaft günstig werden. 

Die Partei unterstützt ausdrücklich die in der vergangenen europäischen Legislaturperiode begonnenen Initiativen, den Gebäudebestand in Europa fit für die Klimaziele 2030 und 2045 zu machen. 

Das Europäische Emissionshandelssystem will die Partei weiter stärken, um klimaschädliche EU-Emissionen zu senken. Der geplante Europäische Emissionshandel für Gebäude und Verkehr (ETS 2) ab 2027 müsse so weiterentwickelt werden, "dass CO2-Preise besser berechenbar sind und die Risiken mit Investitionen in zukunftsfähige Technologien somit reduziert werden". 

Im Verkehrssektor plädiert die Partei für eine europäische klimaneutrale "Mobilitätsunion". Dies erfordere eine Transformation in allen Verkehrsbereichen, einschließlich des Individualverkehrs, des öffentlichen Verkehrs und des Güterverkehrs. Gemeinsame europäische Bahnstrecken müssten vorangebracht werden, so die SPD. Sie fordert darüber hinaus einen klimaneutralen Flug- und Schiffsverkehr mit nachhaltigen Kraftstoffen. 

Mit EU-Finanzinstrumenten wie etwa dem "Just Transition Fund" und dem "Social Climate Fund" will die SPD sicherstellen, "dass alle Bürgerinnen und Bürger von einer grünen und nachhaltigen Zukunft profitieren". Die Partei will diese Mittel zum Beispiel für energetische Sanierungen, den Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und von öffentlichen Verkehrsmitteln nutzen. 

AfD

Die AfD sieht die Natur durch einen "unerbittlichen EU-Zentralismus zunehmend gefährdet". Hierbei betont sie, dass das Weltklima sich stets geändert habe und die "jetzigen klimatischen Veränderungen" sich "vollkommen normal" in diese Wechsel einordneten.

Für die Partei gibt es keinen vom Menschen verursachten oder beschleunigten Klimawandel. "Die Behauptung einer Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen", so die AfD in ihrem Wahlprogramm.

Auf Klimaveränderungen mit "Anpassung" zu reagieren, sei die beste Strategie - diese gehöre jedoch ausschließlich in die nationale Verantwortung. Ablehnend steht die Partei deswegen der EU-Programmatik des "Green Deal" und des Programms "Fit für 55" gegenüber: Hier werde eine "ökosozialistische, billionenschwere Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt", die zu Deindustrialisierung und Naturzerstörung führe.  

Die AfD fordert deswegen die Abschaffung aller Klimaschutzgesetze auf nationaler wie auf europäischer Ebene und eine "Renationalisierung der Energiepolitik". Subventionen für Solar- und Windenergie sollten gestrichen werden, fordert die Partei. 

Unter dem "Deckmantel der sogenannten Klimaschutzpolitik" richteten sich Lobbyinteressen unter anderem "gegen eine vernunftgesteuerte und auf regionale Bedürfnisse ausgerichtete Umwelt- und Landwirtschaftspolitik". Eine ausufernde aus Brüssel kommende Bürokratie zerstöre das regional verwurzelte Bauerntum und den ländlichen Raum insgesamt. 

Für den Erhalt des Waldes etwa sei eine professionelle Bewirtschaftung auch unter dem Aspekt klimatischer Einflüsse unabdingbar. Eine "weitere Stilllegung forstwirtschaftlicher Flächen im Sinne eines missverstandenen Schutzgedankens" lehnt die AfD ab. 

Die AfD lehnt EU-Grenzwerte bei CO2-Emissionen und jegliche CO2-Bepreisung oder -Besteuerung ab - so wie auch das von der EU beschlossene Verbot von Verbrennermotoren bei Neuwagen ab 2035. Grund sei, dass fossile Energieträger "Grundlage unseres Wohlstands" seien. 

Bei der Energieversorgung strebt die Partei eine "Neuorientierung ohne ideologische Scheuklappen" an - für Deutschland. Dabei seien weder Schiefergasgewinnung ("Fracking") noch Atomenergie oder Braunkohle auszuschließen. Die Kohleverstromung sei "dank ausgereifter Luftfilter sauber". 

Die Linke

Für die Linke reicht die Politik der EU-Kommission nicht aus, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und die Union bis 2040 klimaneutral zu machen. Es brauche mehr Mut zu einem sozial gerechtem und ökologisch nachhaltigem Umbau des Kontinents, vor allem in den Sektoren Verkehr und Wohnen. Der öffentliche Nah- und Fernverkehr auf der Schiene müsse für die Menschen wie auch für den Güterverkehr europaweit ausgebaut werden, hingegen Verkehr auf der Straße wie auch der Flugverkehr drastisch reduziert werden. 

EU-Ziele für den Anteil erneuerbarer Energien und die Reduzierung von Treibhausgasen sowie die Energieeffizienzmaßnahmen für 2030 müssten verschärft werden, fordert die Linkspartei. 

Zur Sicherung von Energieunabhängigkeit brauche es mehr öffentliches Eigentum in der Energieversorgung und mehr Vorgaben bei der Preisgestaltung. Die öffentliche Hand solle sich stark am Aufbau der erneuerbaren Energien beteiligen. Strom-, Wärme- und Gasnetze müssten in den EU-Mitgliedstaaten "mithilfe von Rekommunalisierung in die öffentliche Hand überführt, demokratisch kontrolliert und europäisch koordiniert werden", fordert die Linkspartei.  

An die Lenkungswirkung des Marktes glaubt die Partei beim sozialökologischen Umbau nicht: "Wir müssen dem Markt Grenzen setzen", heißt es im Wahlprogramm. Bis 2035 müsse die Elektrizitätserzeugung in der gesamten EU aus erneuerbaren Energien bestehen. 

Die Linkspartei strebt eine regionale und gemeinwohlorientierte Versorgung im Energiesektor auf dem Weg zu den Klimazielen an. Dazu gehöre auch das Angebot eines für Nutzerinnen und Nutzer kostenfreien öffentlichen Personennahverkehrs - als Alternative zum Auto. In Ergänzung dazu brauche es eine "lokal produzierte, preiswerte, regenerative Energieversorgung". 

Die Partei fordert für die Wärmewende ein massives Förderprogramm, um Stadtwerke, kommunale Energieversorger und genossenschaftliche Initiativen beim Aufbau von Wärmenetzen zu unterstützen. Das schließt nach Auffassung der Linkspartei die Nutzung von Wasserstoff-Technologie im Wärmebereich aus. Sie sei zu teuer und ineffizient.

Wasserstoff könne Kohle und Erdgas dort ersetzen, wo der direkte Einsatz von Ökostrom nicht möglich sei, etwa bei der Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Der Import von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien will die Partei auf ein "notwendiges Minimum" begrenzen. Den von der "EU forcierten Ausbau von Wasserstoff-Infrastruktur für den Individualverkehr" lehnt die Linkspartei ab. Bei E-Mobilität toleriert sie zwar die Technologie für kleine, mit Ökostrom betriebene Fahrzeuge sowie den Ausbau öffentlicher Ladesäulen - "aber wichtiger finden wir den Ausbau des öffentlichen Verkehrs", so die Linkspartei. 

Der Nutzung von Flüssiggas steht die Partei ebenfalls kritisch gegenüber. Sie fordert zudem ein EU-weites Fracking-Verbot und will zusätzlich den Import von aus Fracking im Ausland gewonnenem Flüssiggas (LNG) untersagen. Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) lehnt die Partei aus ähnlichen Gründen wie Wasserstoff ab - sowohl auf der Straße als auch im Flugverkehr. 

Des Weiteren plädiert die Partei für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie. Die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) solle entsprechend aufgelöst werden. 

Die ab 2027 geltende Ausweitung des EU-Emissionshandels auf den Verkehrs- und Wärmebereich (ETS2) sieht die Partei jedoch kritisch, weil diese viele Menschen in der EU noch stärker belasten würde. Der Emissionshandel gehe am eigentlichen Problem vorbei.

Beim Umgang mit CO2-Emissionen spricht sich die Linkspartei gegen Entnahme von CO2 aus der Luft und gegen die unterirdische Einlagerung von CO2 (Carbon Capture and Storage) aus. Die Risiken seien zu hoch.  

FDP

Die FDP will in Europa Energiesicherheit und effektiven Klimaschutz durch Technologieoffenheit und Marktwirtschaft erreichen. Die FDP bekennt sich zum Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, die Erderwärmung auf "möglichst 1,5 Grad" zu begrenzen. 

Dabei setzt sie auf den EU-Emissionshandel (ETS 1 und 2), um die europäischen Klimaziele zu erreichen: Es sei das "effektivste und effizienteste Klimaschutzinstrument, da er ein klares Treibhauslimit vorgibt". Die Partei spricht sich bei der Novelle ETS 2 dafür aus, verbleibende Emissionsquellen wie die Abfall- und Landwirtschaft einzubeziehen. Mittelfristiges Ziel sei eine einheitliche CO2-Bepreisung und ein über die EU hinausgehendes internationales Emissionshandelssystem. 

Kritisch sieht die FDP bei der europäischen Klimaschutz- und Energiepolitik "kleinteilige Regulierungen wie etwa die 'Ökodesign-Verordnung'", die nachhaltige Produkte zur neuen Norm der EU erheben soll. Zusätzliche ordnungsrechtliche Maßnahmen wie die europäische Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD) sowie CO2-Flottengrenzwerte lehnt die FDP ab. Die Partei fordert insgesamt eine "Regulierungspause für den Green Deal".

Dafür will sich die Partei für eine "innovationsfreundliche Regulierung der Entnahme, Nutzung und Speicherung von CO2" einsetzen sowie einen zusätzlichen Anreiz schaffen, indem negative Emissionen mit kostenlosen CO2-Zertifikaten belohnt werden sollen. 

Für die europäischen Stromnetze fordert die FDP ein "neues marktwirtschaftliches Strommarktdesign". Außerdem will sie einen europäischen Energiebinnenmarkt schaffen. Energiespeicher und erneuerbare Energien müssten im Markt integriert werden und ohne staatliche Hilfe auskommen.

Nuklearen Energiequellen steht die Partei positiv gegenüber - wenn es um Kernfusion geht: Dafür will die Partei "einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen außerhalb des Atomrechts schaffen, der den geringeren Risiken dieser Technik Rechnung trägt".

Die Liberalen setzen auf Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe ("E-Fuels"). Deswegen will die Partei eine "Zwangsentflechtung von Gas- und Wasserstoffnetzbetrieb" verhindern.

Zudem wendet sich die FDP gegen das für Neuwagen auf EU-Ebene beschlossene und ab 2035 geltende Verbrenner-Aus. Verbrennungsmotoren seien nicht per se klimaschädlich, sondern ihr Betrieb mit fossilen Kraftstoffen, argumentiert die Partei. Es gehe darum, die Motoren klimafreundlich zu machen und nicht darum, sie zu verbieten. 

Ohne Verbote und zusätzliche Steuern will die Partei auch im Luftverkehr auskommen - und ihn trotzdem bis 2050 etwa mittels Emissionshandel und -reduktion bis 2050 klimaneutral machen.

Freie Wähler

Für die Freien Wähler sind der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und Energiesicherheit zwei von drei großen Zukunftsthemen, die die Partei in den Mittelpunkt europäischen Handelns stellen will. Beim Klimaschutz bekennen sich die Freien Wähler zu den UN-Nachhaltigkeitszielen und zu den Grundsätzen des Pariser Klimaschutzabkommens. 

Doch die aktuelle Umsetzung sieht die Partei kritisch. Sie sieht Handlungsbedarf beim Instrument des EU-Emissionshandels. Dieser solle sozialverträglicher gestaltet werden: Die Einnahmen daraus sollten teilweise an die Bürger zurückgegeben werden, etwa in Form einer Klimaprämie. 

Zudem sollten die Einnahmen Steuerungswirkung entfalten, indem sie gezielt in Maßnahmen gesteckt werden, die den Strukturwandel fördern - etwa mit einem Fonds für den Kohleausstieg, bei der energetischen Gebäudesanierung oder beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Deswegen lehnt die Partei die bereits beschlossene Ausweitung des EU-Emissionshandels (ETS 2) auf die Bereiche Gebäude und Verkehr "entschieden ab" - und fordert die Rücknahme des in den Jahren 2022/2023 auf EU-Ebene erfolgten Beschlusses.

Die Energiewende soll vorangebracht werden, jedoch als "sozialverträgliches, den Wohlstand nicht gefährdendes Projekt", fordern die Freien Wähler. Dabei stehe Versorgungssicherheit an erster Stelle. Hier brauche die Politik einen technologieoffeneren Ansatz: Priorität müsse dabei sein, "dass die Grundlast baldmöglichst klimaneutral, ohne CO2-Emissionen und Atommüll gesichert werden kann". Hierzu sollen biomassebasierte Energieversorgungssysteme weiter ausgebaut werden.  

Potenziale sieht die Partei auch in der wissenschaftlichen Weiterentwicklung von Kernkraft- und Kernfusionsoptionen, bei der kein Atommüll und keine Gefahren eines nuklearen Unfalls entstehen.  

Aber auch in der Wasserstoff-Technologie sieht die Partei Chancen als Teil einer Energiewende. Es solle eine einheitliche europäische Wasserstoffinfrastruktur geschaffen werden. In der "Wasserstoff-Achse Deutschland-Frankreich" solle ein "Airbus für Wasserstoff" entstehen. 

Im Bereich der erneuerbaren Energien plädieren die Freien Wähler dafür, Offshore-Windkraft und zugleich den dafür notwendigen Netzausbau in Europa voranzutreiben. Offshore-Windparks sind Anlagen, die auf dem windreicheren Meer mit einem gewissen Abstand zur Küste gebaut werden.

Um insgesamt Wasserstraßen und Häfen besser für die Ziele des Klimaschutzes nutzen zu können, fordert die Partei eine Reform der EU-Wasserrahmenrichtlinie und eine europäische Hafenstrategie.

Die PARTEI

Die Satirepartei Die PARTEI schreibt, Kurzstreckenflüge sollten nur für Vögel, Insekten, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Taylor Swift erlaubt bleiben. Weitere Angaben zur Klimapolitik macht sie in ihrem Wahlprogramm nicht.

ÖDP

Vielfältige Umweltprobleme sowie die "Klimaüberhitzung" erfordern nach Ansicht der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) eine "umfassende Wende bei der Nutzung und Belastung der natürlichen Lebensgrundlagen": Die Europäische Union müsse zu einer "Schutz-Union für den Planeten Erde werden", fordert die ÖDP. 

Dazu gehört für die ÖDP das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 - und zwar, indem die Nutzung fossiler Energieträger beendet wird. Dazu gehöre auch die anschließende Senkung des CO2-Gehalts der Atmosphäre. Erreicht werden soll dieses Ziel jedoch ohne unterirdische Speicherung von CO2 und auch ohne das umstrittene Fracking-Verfahren.

Im Verkehrssektor fordert die ÖDP eine umfassende ökologische Mobilitätswende. Die Zahl der in Europa angemeldeten Pkw solle auf 150 Millionen Fahrzeuge (bei einer Einwohnerzahl von 450 Millionen Bürgerinnen und Bürgern) reduziert werden, und zwar "mit deutlich reduzierter Durchschnittsgröße und reduziertem Energieverbrauch". Der Straßen-Gütertransport, der laut Statistischem Bundesamt 2021 rund 77 Prozent am gesamten Güterverkehr betrug, soll nach dem Willen der ÖDP "weitgehend" auf Schiene und Wasserstraßen verlagert werden. 

Bis 2030 soll der Mobilitätssektor zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, fordert die ÖDP. Hierzu brauche es die erforderliche Infrastruktur mit mehr Elektro-Lademöglichkeiten sowie Tankstellen für synthetische Kraftstoffe auf Basis von erneuerbarem Wasserstoff.

Um die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich zu senken, spricht sich die Partei für die Förderung "ökologisch vorteilhafter Mobilitätsoptionen" aus, etwa des Radverkehrs, des öffentlichen Personennah- und Bahnverkehrs sowie von Car-Sharing-Modellen. Die Partei fordert, europäische Subventionen für den Straßenbau zu beenden, den Flugverkehr zu besteuern und die Geschwindigkeit auf Straßen umfassend neu zu begrenzen. 

Bei der Energienutzung geht es für die ÖDP nicht nur darum, fossile und nukleare Energien bis zum Jahr 2030 vollständig durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Auch hier setzt die Partei durch eine Vielzahl von Maßnahmen insgesamt auf das Prinzip, den gesamten europäischen Energieverbrauch zu verringern - vom Bau- und Wohnsektor über den Verkehr bis hin zu einem "intelligenten Energie-Mix". 

Piraten

Die Piratenpartei bekennt sich dazu, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens umzusetzen. Hierfür müssten die Voraussetzungen für den Einsatz klimafreundlicher Technologien EU-weit rechtlich bindend festgeschrieben werden. Der Übergang von fossilen Ressourcen im Energiebereich hin zu erneuerbaren Energien und sauberen Energiequellen sei notwendig. 

Dafür brauche es eine nachhaltige und zuverlässige Energieinfrastruktur. Dazu gehört für die Partei eine transparente und dezentrale Struktur von Energieversorgern, "die allen Bürgern Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet und Monopole verhindert". 

Die bisher vor allem an der Fläche gemessenen EU-Agrarsubventionen müssten nach Nachhaltigkeitskriterien gewährt werden.

Volt

Klimaneutralität hat für die Partei Volt Priorität. Den "Green Deal" der EU bewertet die Partei als "großen Schritt nach vorn", der jedoch nicht ausreiche. Volt fordert ein neues Klimatransformationsgesetz und zusätzlich ein EU-Klimanotfallgesetz, das eine größtmögliche CO2-Reduzierung bis 2030 zum Ziel hat.  

Volt sieht die Europäische Union in der klaren Verantwortung und Pflicht, sich mehr für das Pariser Klimaschutzabkommen zu engagieren: Die EU müsse zum weltweiten Zentrum für klimapositive Projekte werden und langfristige, zinsgünstige Darlehen anbieten und weitere Anreize für privates Kapital schaffen, "um Klimagerechtigkeit zu sichern". 

Die europäische Wirtschaft solle bis 2040 klimaneutral werden, fordert Volt. Klimaneutralität bei der Energieerzeugung und -nutzung müsse in der EU bis 2035 erreicht sein. Volt fordert, dazu das bestehende EU-weite Emissionshandelssystems (ETS) auszuweiten. Die geplante ETS-Novelle (ETS 2), die auch die Sektoren Gebäude, Straßenverkehr und industrielle Tierhaltung einbezieht, müsse beschleunigt eingeführt werden. 

Um bei ETS 2 einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, schlägt Volt eine Kohlenstoffsteuer für alle Sektoren vor, bei denen ETS 2 zu mehr Bürokratie führen würde. Insgesamt fordert Volt, klimaschädliche Subventionen zu beenden und eine "angemessenen Besteuerung" fossiler Brennstoffe zu gewährleisten. Dazu zähle auch eine Flugbenzinsteuer

Im Verkehrssektor schlägt Volt vor, das europäische Eisenbahnsystem mit einer dafür harmonisierten Infrastruktur und Subventionen "auf allen Ebenen des Schienenverkehrs" auszubauen. Zugleich solle es ein Verbot für die Verwendung von fossilen Kraftstoffen bis 2035 im Straßenverkehr geben - jedoch kein allgemeines Verbrenner-Aus: Biokraftstoffe oder synthetische Kraftstoffe könnten die Nutzung weiter ermöglichen.  

Im Energiesektor setzt Volt darauf, alternative und kohlenstofffreie Energiequellen durchzusetzen. Dazu gehört für die Partei unter bestimmten Bedingungen, vor allem unter Einhaltung höchster Sicherheitskriterien, auch die Atomkraft. Zugleich gehe es auf dem Weg zur Dekarbonisierung darum, eine Infrastruktur aufzubauen, die die Produktion von "Millionen Tonnen kohlenstoffarmen Wasserstoffs ermöglicht".

Erdgas solle in großem Umfang durch Biogas ersetzt werden, das in der EU mit innovativen Methoden produziert werden sollte.

Familienpartei

Die Familienpartei fordert eine stärkere Kooperation der Mitgliedstaaten etwa zwischen "windreichem Norden und sonnenreichem Süden", damit erneuerbare Energien besser genutzt werden können, sowie den Aufbau eines europäischen Stromnetzes, "um eine europaweite Energiewende zu ermöglichen". 

Atom- und Kohleausstieg seien zwingend notwendig, "um den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen und die globalen Klimaschäden einzudämmen". Anstatt konventionelle Kraftwerke zu fördern, müssten Subventionen hin zu Zukunftsenergien umgeschichtet werden. 

Zur Finanzierung der Energiewende ist die Partei nicht gegen den Emissionsrechtehandel, fordert jedoch eine grundlegende Reform, "um in naher Zukunft seine angedachte Wirkung entfalten zu können" und damit die Eindämmung des Klimawandels überhaupt gelingen könne. 

Für konsequenteren Umwelt- und Klimaschutz fordert die Partei eine Umgestaltung der Europäischen Umweltagentur (EUA) mit deutlich mehr Kontrollbefugnissen - nach dem Vorbild der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA. Ohne diese, so die Familienpartei, "wäre der Dieselskandal vermutlich nie aufgedeckt worden". 

 

Partei Mensch Umwelt Tierschutz

Die Tierschutzpartei konzentriert sich in ihrer Programmatik zum Klimaschutz vor allem auf eine Reform des Agrarsektors: Landnutzung und Agrarwirtschaft stünden schließlich für rund 30 Prozent der europäischen Treibhausgasemissionen und ein erheblicher Teil davon sei aus der Tierhaltung. Die Landwirtschaft müsse so umstrukturiert werden, dass sie klimaneutral werde. 

Die Partei fordert deswegen "eine echte Agrarwende". Die "agrarindustrielle Tierhaltung" solle beendet werden. Mit Tieren werde falsch umgegangen, damit ließen sich die Klimaziele nicht erreichen. Die Tierschutzpartei kritisiert aber auch insgesamt den Rückgang von natürlichen Lebensräumen. Die vorhandene EU-Biodiversitätsstrategie müsse konsequenter umgesetzt werden. 

Um die Energiewende zu beschleunigen, fordert die Partei, konsequent erneuerbare Energien, aber auch Netz- und Speicherkapazitäten auszubauen. Die noch vorhandenen Kohlekraftwerke der EU müssten zudem schließen, fordert die Partei. Die Nutzung von Atomkraft hält die Partei für zu teuer. 

Nachhaltige Mobilität müsse gefördert werden, indem der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und in emissionsarme Fahrzeugtechnologien investiert werde. 

Bündnis Sahra Wagenknecht

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erwähnt in seinem EU-Wahlprogramm Klimapolitik vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Technologien: Es sei die Stärke Europas, innovative Produkte gegen den Klimawandel zu entwickeln. 

Sehr deutlich kritisiert die Partei den "Green Deal" von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der zum Ziel hat, bis 2050 aus Europa einen klimaneutralen Kontinent zu machen. Nicht das Anliegen des "Green Deal" steht in der Kritik des BSW, sondern die Umsetzung - "von Lobbyinteressen geprägt, schlecht durchdacht, schlecht gemacht und vielfach klimaschädlich". 

So würden Vorhaben, die CO2-Emissionen reduzieren sollen, durch die Förderung des Aufbaus von Flüssiggas-Infrastruktur "für die Verteilung klimaschädlicher LNG-Importe konterkariert". Die jüngsten energiepolitischen Entscheidungen der EU, "die darauf hinauslaufen, Pipeline-Erdgas durch Flüssiggas aus Fracking zu ersetzen und Pipeline-Öl durch Schiffs-Öl mit langen Transportwegen, sind wirtschafts- wie klimapolitisch aberwitzig".

Auch das EU-Finanzinstrument der grünen Taxonomie sieht das BSW kritisch - wegen seiner Bürokratievorgaben zudem als schädigend für den Mittelstand. Das EU-weit gültige System klassifiziert nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten: Es soll laut Bundesumweltministerium "Anlegerinnen und Anlegern Orientierung geben und Kapital für den grünen Umbau von Energieproduktion und Wirtschaft anreizen". 

Die Partei hält den CO2-Zertifikate-Handel für "völlig ungeeignet, um klimapolitisch Ziele zu erreichen". Stattdessen fordert die Partei, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr auszubauen und emissionsarme Lieferketten zu fördern, um mehr Klimaschutz zu erreichen. 

Für die Energieversorgung gelte es, Energiekosten zu senken und Energiesicherheit herzustellen: Die Netzinfrastruktur solle wieder in die öffentliche Hand zurückkehren, fordert die Partei - unter anderem, um Kosten für Eigenkapitalrenditen der Netzbetreiber zu sparen. Zusätzlich brauche es den Aufbau einer EU-weiten Wasserstoffinfrastruktur sowie den Ausbau von Gaskraftwerkskapazitäten, die auf die Verwertung von grünem Wasserstoff umgerüstet werden könnten.

Anmerkung: Die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist nicht im Europaparlament vertreten. Da das BSW in Umfragen stabil bei 4 bis 7,5 Prozent ausgewiesen wird und damit von einem Einzug in das Europäische Parlament auszugehen ist, stellen wir die Positionen der Partei jedoch in diesem Überblick vor. 
Die Partei Bündnis Deutschland ist im Europaparlament vertreten. Jedoch wurde sie bei der vergangenen Wahl nicht ins Europäische Parlament gewählt, sondern ein gewählter Abgeordneter einer anderen Partei trat später Bündnis Deutschland bei. Daher stellen wir die Positionen der Partei nicht in diesem Überblick vor.
Damit folgen wir dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit.