
Uganda Musiker gegen Langzeitpräsident
Stand: 28.11.2020 05:47 Uhr
Yoweri Museveni ist in Uganda schon 35 Jahre an der Macht. Doch jetzt will die Jugend im Land Veränderung. Ihre Hoffnung: der Musiker Bobi Wine, gegen den Sicherheitskräfte hart vorgehen.
Von Caroline Hoffmann, ARD-Studio Nairobi
Die Stadt Jinja, Mitte November: Schüsse knallen, auf der Straße brennt Schutt. Mit Tränengas, aber auch mit scharfer Munition schießen ugandische Sicherheitskräfte in die Luft - und auch auf Demonstranten. Nicht nur in Jinja eskaliert die Situation: Mehr als 40 Menschen sterben an diesen Tagen in Uganda, mehrere Hundert werden nach Angaben der Polizei festgenommen. Der Grund ihres Protests: Ihr Idol, der Musiker und Präsidentschaftskandidat Bobi Wine, war festgenommen worden. Wieder einmal.
Zuvor hatte Wine, mit bürgerlichem Namen Robert Kyagulanyi, eine Kundgebung in der Stadt Luuka veranstaltet. Im Januar soll gewählt werden. Doch der amtierende Präsident hat strenge Regeln erlassen: Nur 200 Menschen dürfen an einer Wahlveranstaltung teilnehmen - wegen der Corona-Ansteckungsgefahr, sagt die Regierung. Bei Wine sollen es mehr geworden sein - und er wurde festgenommen. "Wendet keine Gewalt an", ruft er, als die Polizisten ihn ins Auto drängen.
"Meine Musik spricht zu den Menschen"
Eigentlich ist der 38-Jährige ein bekannter Musiker. Sein Stil: eine Mischung aus Reggae, Dance Hall und Afrobeat. "Ich begann, in meinen Liedern gravierende soziale Probleme zu thematisieren, Ungleichheit, Polizeigewalt", erzählt er, als das ARD-Studio Nairobi ihn vor einem Jahr zum ersten Mal trifft. "Meine Musik spricht zu den Menschen über Ungerechtigkeiten und Straflosigkeit, gegen schlechte Regierungsführung."
Alleine darüber zu singen, reichte ihm nicht mehr. "Ich wollte eine offizielle Plattform, um die Probleme anzusprechen, und deshalb entschied ich mich, für einen Sitz im Parlament zu kandidieren." Er gewann die Wahl, völlig ohne politische Erfahrung, und ist seit Juli 2017 Abgeordneter. Als Musiker in Uganda aufzutreten, wurde ihm 2018 verboten. Jetzt fordert er den Präsidenten Yoweri Museveni heraus.
Seit 35 Jahren ist Museveni im Amt. Der einstige Rebellenchef eroberte 1986 nach einem Guerillakrieg die Macht. Fünf Mal wurde er zum Präsidenten gewählt und kann sein Amt schon längst nicht mehr loslassen. Zuletzt änderte er 2018 erfolgreich die Verfassung: Die bis dahin geltende Altershöchstgrenze von 75 Jahren für Präsidentschaftskandidaten wurde abgeschafft. Mit 76 tritt er im Januar wieder an.
Der "Ghetto"-Präsident wird Wine auch genannt
Museveni selbst ist alt, die Bevölkerung seines Landes aber besonders jung: Rund 80 Prozent der Ugander kennen nur ihn als Präsidenten - wie Latifa Nabukenya, eine junge Frau aus Kampala. Auch sie wünscht sich dringend Veränderung. "Museveni könnte doch mein Großvater sein", sagt sie. "Alter Mann, danke. Aber jetzt ist es Zeit, dieses Land vorwärts zu bewegen. Hör auf, die Menschen, die sich Dir entgegenstellen, zu unterdrücken."
Die Lebensbedingungen in Uganda sind schwierig. Geschätzte neun Millionen Menschen - ein Fünftel der Bevölkerung - leben in Armut. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Besonders trifft das die jungen Ugander. Für viele von ihnen ist Wine die große Hoffnung, denn er ist einer von ihnen.
Im Armenviertel Kamwookya in Ugandas Hauptstadt Kampala ist Wine aufgewachsen, hat im Musikstudio um die Ecke seine erfolgreiche Karriere begonnen. An der Wand des Studios prangt sein Portrait, überlebensgroß. "Ghetto"-Präsident wird er wegen seiner Herkunft auch genannt. Doch trotzdem konnte Wine zu einer guten Schule gehen, studierte an der Universität, wurde erfolgreicher Musiker - und jetzt Präsidentschaftskandidat. "Our power, people power" - unsere Macht, die Macht des Volkes, ist der Wahlspruch seiner Bewegung. Ihr Erkennungszeichen: ein rotes Barrett, auf dem Logo eine erhobene Faust.
Ugandas Jugend politisiert sich zusehends
Zwei Tage nach seiner Festnahme Mitte November wird Wine wieder freigelassen. Mehr als acht Mal wurde er seit dem Sommer 2018 bereits festgenommen. Jetzt versucht er, weiter Wahlkampf zu betreiben wie auch andere Oppositionelle.
Seine Festnahme sei ein Zeichen der wachsenden Unterdrückung der politischen Opposition vor den Wahlen, sagt Oryem Nyeko von Human Rights Watch: "Wir beobachten auch Beschränkungen der Medien, zu berichten, Festnahmen von Journalisten, Kandidaten und Unterstützern." Polizeigewalt trete vor Wahlen in Uganda verstärkt auf. "Die Gesetze sind eigentlich sehr klar", sagt Nyeko. "Die Anzahl der Menschen, die tatsächlich für diese Arten von Missbrauch strafrechtlich verfolgt werden, ist aber gering."
Den Rechtsstaat stärken - eine Sache, die Wine gerne politisch voranbringen würde. "Die Menschen sind nicht frei", so sieht er die Lage in Uganda. "Als erstes möchte ich, dass die Gesetze in Uganda wieder gelten, so dass jeder in einem Land lebt, auf das er stolz sein kann." Außerdem will er die Bildung und die Gesundheitsversorgung verbessern und Jobs schaffen, erzählt er im Oktober, als das ARD-Studio Nairobi ihn erneut trifft.
Ob der Musiker tatsächlich eine Chance hat, ist schwer abzuschätzen, denn der Rückhalt für den Präsidenten ist im Land immer noch sehr hoch. Doch hat Bobi Wine jetzt schon erreicht: ein wachsendes Interesse und eine starke Politisierung von Ugandas Jugend.
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