
Regierungskrise in Israel Vierte Neuwahl binnen zwei Jahren?
Stand: 22.12.2020 08:49 Uhr
Israels Bürger könnten demnächst wieder an die Urne gebeten werden: Nur noch bis Mitternacht bleibt der Koalition von Premier Netanyahu Zeit, sich im Haushaltsstreit zu einigen. Hinter dem Zwist steckt aber offenbar mehr.
Von Benjamin Hammer, ARD-Studio Tel Aviv
Benjamin Netanyahu und Benny Gantz gaben sich zuletzt immer weniger Mühe, Einigkeit zu demonstrieren. Der tiefe Riss, der durch die Regierungskoalition geht, war bei jedem gemeinsamen Auftritt sichtbar.
Premier Netanyahu und Verteidigungsminister Gantz waren eigentlich erbitterte politische Gegner. Und bildeten im Mai dennoch eine Einheitsregierung, weil sich sonst keine Mehrheiten fanden.
Gescheiterte Fristverschiebung
Die Zusammenarbeit in der Koalition war von Misstrauen geprägt. Und so hat das israelische Parlament bis heute keinen Staatshaushalt beschlossen. Der Knesset bleibt nur noch bis Mitternacht Zeit, das nachzuholen, sonst kommt es zur weiteren Neuwahl.
Gantz und Netanyahu versuchten zuletzt, die Frist um eine Woche aufzuschieben. Aber es scheint, als verweigerten manche Parteikollegen des Bündnisses Blau-Weiß Gantz die Gefolgschaft.
Schlechte Umfragewerte
Beim Koalitionsstreit geht es nur scheinbar um den Staatshaushalt. Tatsächlich geht es um die Frage, ob und wann Netanyahu sein Amt als Premierminister abgibt. Laut der Koalitionsvereinbarung soll Gantz in knapp einem Jahr das Amt übernehmen. Kritiker des aktuellen Premiers vermuten, dass Netanyahu das verhindern will und die Regierung deshalb zu Fall bringt.
Allerdings haben sowohl Netanyahu als auch Gantz ein Problem: Laut Umfragen könnten sie beide nach einer erneuten Wahl als Verlierer dastehen.