
EU-Debatte um Venezuela Madrid drängt, Rom bremst, Wien zögert
Stand: 04.02.2019 16:30 Uhr
In der EU gehen die Haltungen zu Venezuelas Präsident Maduro und Oppositionsführer Guaidó weit auseinander. In Brüssel wird mühsam um eine Position gerungen. Manche Staaten wollten nicht mehr warten.
Von Andreas Meyer-Feist, ARD-Studio Brüssel
Hektischer Betrieb hinter den Brüsseler Kulissen: Diplomaten aus allen EU-Ländern sitzen zusammen, um eine europäische Antwort zu finden auf die Frage, ob Juan Guaidó anerkannt werden soll oder nicht. Und wenn ja, wie sehr sollte er unterstützt werden? Muss sein Name in einer Erklärung stehen? Reicht es, den politischen Wandel mit Wohlwollen zur Kenntnis zu nehmen?
Weltpolitik ist für die EU ein schwieriges Unterfangen. Die Interessen auf nationaler Ebene sind unterschiedlich, umso zurückhaltender fällt eine erste Stellungnahme aus Brüssel aus: "Wir fordern freie und transparente Wahlen in Venezuela", so eine EU-Sprecherin, ohne auf die eigentliche Frage einzugehen.
Auf EU-Ebene war man noch nicht weiter gekommen. Obwohl einige EU-Staaten längst vorgeprescht waren: Unter anderem Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien hatten Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro aufgefordert, bis zum Wochenende den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Aber Maduro ist immer noch immer an der Macht, und von Neuwahlen ist keine Rede.
Spanien wartet nicht mehr
Spaniens Premier Pedro Sanchez zog nun als erster die Konsequenzen: " Der Tag ist gekommen, ohne dass Maduro unseren Aufforderungen nachgekommen ist, deshalb erkennt Spanien den Parlamentspräsidenten als legitimen Übergangspräsidenten Venezuelas an", erklärte er.
Auch die britische Regierung schlug sich wenig später auf die Seite des Oppositionsführers Guaidó: "Es ist klar, dass Nicolás Maduro nicht der rechtmäßige Präsident Venezuelas ist", betonte Außenminister Jeremy Hunt in London. "Die Wahlen im Mai 2018 sind zutiefst unfair verlaufen. Diese Regime hat in Venezuela unbeschreiblichen Schaden angerichtet." Die Konsequenz für die Regierung in London: "Guaidó ist der Richtige, um Venezuela voran zu bringen." So deutlich hatte das nicht einmal Sanchez formuliert.
Deutschland und Frankreich zogen nach - Maduro wird fallen gelassen, die Blicke richten sich auf den bisherigen Parlamentspräsidenten Guaidó: "Wir müssen erkennen, dass es sehr viele Flüchtlinge gibt, dass in diesem Land Unterdrückung herrscht und die Menschen wegen der Hyperinflation mit ihrem Geld kaum noch etwas kaufen können. Die Menschen wollen, dass sich etwas ändert", erklärte Frankreichs Ex-Außenminister Ives le Drian im Infokanal "france info": "Es gibt Ansätze eines Bürgerkriegs im Land, den es zu vermeiden gilt."
Deutschland erkennt Venezuelas Interimspräsidenten Guaidó an
tagesschau 20:00 Uhr, 04.02.2019, Gudrun Engel, ARD Brüssel
Schweden drängt die Partner
Aber vor allem Schweden machte Druck in Brüssel - die sozialdemokratische Außenministerin Margot Wallström kämpfte für ein klares gemeinsames EU-Bekenntnis für Guaidó: "Es gibt ja schon den Entwurf für einer gemeinsamen Erklärung für Guaidó", erklärte sie im schwedischen Rundfunk. "Die EU wird dann auch bereit sein, Sanktionen zu beschließen gegen jene Politiker in Venezuela, die für die Krise des Landes verantwortlich gemacht werden."
Aber Italien stellte sich quer. Begründung: Italien werde sich nicht in die inneren Angelegenheiten Venezuelas einmischen. EU-Diplomaten vermuten Querelen zwischen den Koalitionspartnern Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in Rom. Aber auch die Angst, Russland zu verärgern und sich zu sehr an Donald Trump zu orientieren, soll eine Rolle spielen. Die USA hatten sich am deutlichsten für Guaidó eingesetzt - Russland hält bis heute zu Maduro.
Wien zaudert - und vollzieht eine Kehrtwende
Ähnliche Bedenken hatte es auch in Österreich gegeben. Aus Wien kam zunächst ein völkerrechtliches Gutachten, wonach zwar Regierungen anerkannt werden könnten - aber nicht einzelne Personen wie Guaidó. Aber die Regierung in Wien gab nach - auf Druck Deutschlands und Frankreichs. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz schwenkte per Kurznachrichtendienst Twitter auf die Anti-Maduro-Linie ein.
Das Tauziehen um Venezuela zeigt, wie schwierig es ist, eine gemeinsame EU-Außenpolitik durchzusetzen. Unterschiedliche nationale Interessen und Befindlichkeiten erschweren gemeinsame Positionen. Im Fall Venezuela sind es einige, die voran gehen, in der Hoffnung, dass andere nachziehen, bevor auch die EU als Ganzes gefragt ist.
Brüssel ringt verzweifelt um einheitlicher Position zu Guaido
Andreas Meyer-Feist, HR Brüssel
04.02.2019 17:33 Uhr
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