
Nordamerika und Corona Das Prinzip Hoffnung
Stand: 26.03.2020 08:19 Uhr
Vieles geht nicht mehr - und jetzt? Mit den einschneidenden Veränderungen durch Corona haben viele Menschen in Nordamerika zu kämpfen. Fünf Menschen und ihr Umgang mit der Krise.
Von Marcus Schuler, ARD-Studio Los Angeles
Die Zuwanderer
Harveen hat vor fünf Monaten ihre nordindische Heimat verlassen. Gemeinsam mit ihrem vierjährigen Sohn und Ehemann Manharan ist sie nach Vancouver in Kanada gezogen. Die 38-Jährige ist Zahnärztin, ihr Mann Allgemeinmediziner. Beide waren dabei, in ihrer neuen Heimat durchzustarten, erzählt die Frau, die sich gerade auf ihre ärztliche Zulassung vorbereitet. Dann kam Corona.
Auch wenn es in Kanada derzeit weniger als 3500 Corona-Infektionen gibt, macht sich Harveen große Sorgen. Der kleine Sohn kann wegen der Corona-Pandemie nicht in den Kindergarten; sie und ihr Mann sehen ihre Job-Chancen als Neu-Ankömmlinge auf dem kanadischen Arbeitsmarkt mit jedem Tag, den die Krise länger andauert, schwinden. "Die Bücherei ist geschlossen, ich kann zur Zeit nicht für meine Zulassungsprüfung lernen", erzählt sie. "Ich habe Sorge, dass wir auch in den nächsten Wochen in diesem Schwebezustand leben müssen."
Der Landwirt
Gary ist Landwirt im nordkalifornischen Yuba-City, einer Stadt mit 66.000 Einwohnern, die gut 200 Kilometer nordöstlich von San Francisco liegt. Seit 60 Jahren baut Garys Familie Walnüsse, Mandeln, Pflaumen und Pfirsiche in der Region an. Einer der wichtigsten Absatzmärkte für sein Unternehmen ist Deutschland. Gary ist regelmäßig dort, um Verträge auszuhandeln.
Das alles geht jetzt nicht mehr. Der Betrieb mit rund 30 Angestellten kann dennoch weiterlaufen. "Wir haben die Hygiene-Maßnahmen erhöht", sagt der 53-Jährige. Alles werde nun doppelt gereinigt. Die Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle, die mit den Walnüsse in Berührung kommen, tragen ohnehin Handschuhe und Schutzanzüge. Gary hat jetzt zwei Mittagspausen eingeführt, sodass alle genügend Abstand zueinanderhalten können. "Ich hoffe nur, dass wir das alles bald hinter uns haben."
Der Autor
Jeff Jarvis ist Journalistik-Professor in New York und mit 65 Jahren gehört er zur Gruppe, die besonders durch das Coronavirus gefährdet ist. Angesichts steigender Totenzahlen hat die Millionenmetropole eine provisorische Leichenhalle errichtet. Außerhalb des Bellevue Krankenhauses in Manhattan wurden weiße Zelte aufgebaut. Die Ost-Küstenstadt gilt in den USA derzeit als das Epizentrum der Pandemie in Nordamerika. Jarvis verfolgt jede Pressekonferenz, jeden Bericht. Er kommentiert, empfiehlt und flucht zwischendurch. Das alles teilt er seinen fast 180.000 Twitter-Followern in nahezu Echtzeit mit. "Was wir am meisten in solch einer Krisensituation brauchen, sind maßgebliche Informationen von Experten."
Er habe auf Twitter eine Liste mit 500 Epidemiologen, Virologen, Ärzten, Journalisten und Wissenschaftlern angelegt, sagt der Autor des Buches "Was würde Google tun". Er verschlinge den ganzen Tag all die Informationen. Was ihm Hoffnung gebe, sei die Wissenschaft. Das Problem sei derzeit aber die Ignoranz. Was Jarvis meint, ist klar: Donald Trump. Das einzige Gegenmittel sei Sachverstand. "Eigentlich will ich ja ein Buch über Guttenberg schreiben. Aber zurzeit fällt mir die Konzentration darauf sehr schwer." Er lebe zum Glück etwas außerhalb auf dem Land. Entspannen geht aber auch - bei Videochats mit Freunden und Kollegen.
Leben mit Corona in Nordamerika
26.03.2020, Marcus Schuler, ARD Los Angeles
Die Reisende
Bebita liebt ihren Job - bis vor einer Woche, als die US-Regierung ein Reiseverbot für die Schengenländer verhängt hat. Die 40-Jährige arbeitet für ein Maschinenbau-Unternehmen in der Schweiz. Ihr Dienstort ist aber New Jersey. Der Staat ist nur durch den Hudson River von New York getrennt. Normalerweise sei sie die Hälfte ihrer Arbeitszeit bei Kunden vor Ort - in Europa, Asien und den USA.
Jetzt hat sich ihr Leben plötzlich radikal verändert. "Wenn ich zum Einkaufen in den Supermarkt gehe, dann fühlt sich das wie eine geplante Veranstaltung an. Ich kann nicht einfach aufstehen und loslaufen. Ich habe es dennoch gut erwischt, weil ich von zu Hause aus arbeiten kann." Jeder müsse jetzt Verantwortung zeigen.
Der Hunde-Coach
Robert Cabral ist normalerweise draußen. Draußen ist Malibu, nur wenige hundert Meter von der malerischen Küste Kaliforniens entfernt. Malibu liegt knapp 50 Kilometer nördlich von Los Angeles. Cabral ist in Koblenz aufgewachsen. Der 55-Jährige ehemalige Karate-Trainer ist einer der bekanntesten Hunde-Coaches in Kalifornien. Er hält Seminare und geht in Tierheime, um dort Hunde zu trainieren, damit sie wieder in Familien vermittelt werden können.
Vorträge und Seminare sind vorerst gestrichen. Cabral produziert dafür umso mehr Videos und Podcasts. Zuhause im Garten nimmt er mit seinen sechs Hunden Trainingsvideos auf und beantwortet oft mehrmals täglich in seinem YouTube-Kanal Fragen seiner Fans.
Umgang mit Coronavirus in Nordamerika
Marcus Schuler, ARD Los Angeles
26.03.2020 10:39 Uhr
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