Urwald in Brasilien | picture alliance / blickwinkel/E

Freigabe für Bergbau "Verbrechen gegen den Amazonas-Urwald"

Stand: 26.08.2017 12:22 Uhr

Brasiliens Präsident Temer hat ein riesiges Sperrgebiet des Amazonas-Regenwalds für den Bergbau freigegeben. Per Dekret setzte er sich über die Kritik von Umweltschützer und Opposition hinweg. Diese befürchten nun verheerende Folgen.

Von Ivo Marusczyk, ARD-Studio Buenos Aires

"Hier handelt es das schlimmste Verbrechen gegen den Amazonas-Regenwald seit 1970", schimpft Randolphe Rodrigues, Senator aus dem Bundesstaat Amapá im Norden Brasiliens.

Ivo Marusczyk ARD-Studio Buenos Aires

Doch alle Proteste von Umweltschützern und Oppositionspolitikern verhallten ungehört: Per Dekret - mit einem Federstrich - hat Präsident Michel Temer ein riesiges Sperrgebiet nördlich des Amazonas für den Bergbau freigegeben. In dem noch unberührten Urwald-Gebiet ist ab jetzt der Abbau von Gold, Kupfer und Mangan erlaubt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass die wahnsinnige Unverfrorenheit, die Geldgier dieser Regierung so weit geht", sagt Senator Rodrigues.

Große Bereiche unter Naturschutz

Das Gebiet, um das es geht, liegt in den Teilstaaten Pará und Amapá und ist mit 46.000 Quadratkilometern ungefähr so groß wie Niedersachsen. Einen Nationalpark gibt es hier nicht - auch wenn manche Medien das behaupten. 1984 wurde diese Region zum Bergbau-Sperrgebiet erklärt. Nicht wegen des Umweltschutzes - das lag den Militärmachthabern damals fern -, sondern schlicht, um die Ressourcen vor dem Zugriff ausländischer Konzerne zu schützen.

Aber seitdem wurden 70 Prozent dieses Gebiets auch unter Naturschutz gestellt - mit unterschiedlichem Schutzstatus - oder zum Territorium der Indigenen Völker erklärt. Nach Ansicht von Mauricio Voivodic, dem Vorsitzenden des WWF (World Wildlife Fund) in Brasilien ist das Sperrgebiet bis jetzt eine sehr gut geschützte Region Amazonien - "mit gesunden Wäldern, Naturschutzgebieten, indigenem Land und Gemeinschaften, die vom Wald leben".

Abwiegeln per Twitter

Die Regierung wiegelt ab. Per Twitter ließ Präsident Temer mitteilen, die Naturschutzzonen würden nicht angetastet. Und schon jetzt seien in der Gegend ja illegale Goldwäscher am Werk.

Doch die Erfahrung aus anderen Gebieten Brasiliens sollte eine Mahnung sein: Noch ist das Gebiet nördlich des Amazonas völlig unerschlossen. Aber überall, wo Straßen gebaut wurden, trugen sie auch viele Probleme tief in die Urwaldgebiete.

Sorge vor Zerstörung der Wälder

"Den Bergbau dort freizugeben, ist Besorgnis erregend, denn dadurch steigt der Druck auf dieses Gebiet", kritisiert deshalb der WWF. Dessen Vorsitzender Voivodic befürchtet, dass sich dadurch die Entwicklung in anderen Teilen des Amazonasbeckens wiederholt - mit illegalen Landgeschäften, illegalen Besetzungen von staatlichem Land, verbotenem Holzeinschlag, Rodungen und noch mehr Goldsuchern.

Eine Holzfabrik in Brasilien (Archivfoto). | picture-alliance/ dpa

Umweltschützer befürchten eine großflächige Zerstörung der Wälder. Bild: picture-alliance/ dpa

Man kann also fast darauf wetten, dass nicht nur ein wenig Gold und Kupfer gewonnen werden soll, sondern dass im bisherigen Sperrgebiet ebenfalls eine großflächige Zerstörung der Wälder einsetzen wird. Leidtragende werden, wie üblich, die Umwelt und die indigenen Gemeinschaften sein, die zum Teil jeden Kontakt mit der Außenwelt meiden.

Machtinteressen vor Umweltschutz

"Die Freigabe dieser Gebiete gehört zu einem Maßnahmenpaket der Regierung, das den größten Rückschritt für die Umwelt-Agenda Brasiliens darstellt", kritisiert Brasiliens WWF-Vorsitzender. "Schutzgebiete werden verkleinert, Umwelt-Auflagen werden aufgeweicht, indigene Gebiete werden verteilt."

Gegen Präsident Temer laufen mehrere Korruptionsverfahren, er muss um sein politisches Überleben kämpfen. Und dabei setzt er fest auf die Stimmen der Agrarfraktion und der Parteien, die von der Großindustrie unterstützt werden.