
Streit mit Russland USA kündigen INF-Abrüstungsvertrag auf
Stand: 01.02.2019 16:47 Uhr
Die USA haben ihren Rückzug aus dem Abrüstungsvertrag INF erklärt. US-Außenminister Pompeo sagte, der Rückzug trete in sechs Monaten in Kraft. Es sei denn, Russland lenke ein.
Die weitreichende Entscheidung war erwartet worden: Jetzt haben die USA offiziell ihren Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsabkommen mit Russland erklärt. Außenminister Mike Pompeo sagte, bereits ab diesem Samstag sähen sich die Vereinigten Staaten nicht mehr an den Vertrag gebunden.
Pompeo warf Russland vor, das 1987 geschlossene Abkommen über nukleare Mittelstreckensysteme in "schamloser" Weise verletzt zu haben.
Die USA setzen ihre Bindung an den Vertrag allerdings zunächst nur vorläufig aus. Nach Angaben Pompeos wird Russland eine sechsmonatige Frist eingeräumt, um zur "vollen und nachprüfbaren Einhaltung" des Abkommens zurückzukehren. Dazu müsse Moskau bestimmte Raketen und Raketenwerfer vernichten. Komme Moskau dieser Forderung nicht nach, "endet der Vertrag", sagte der US-Außenminister.
Der INF-Vertrag gilt als Herzstück der Waffenkontrolle nach dem Kalten Krieg.
Verhandlungen über neuen Vertrag schwierig
US-Präsident Donald Trump habe in einem ersten Statement betont, dass die sechsmonatige Frist genutzt werden könne, um sich anzunähern, berichtet ARD-Korrespondent Stefan Niemann. Doch die Situation sei schwierig, so Niemann, da auch andere Atommächte unter dem Schirm eines neuen Abkommens zusammengebracht werden müssten, zum Beispiel China und Indien.
Stefan Niemann, ARD Washington zum angekündigten Ausstieg aus dem INF-Vertrag
tagesschau 15:00 Uhr, 01.02.2019
Auch ARD-Korrespondent Sebastian Schreiber befürchtet, dass das Wegfallen von Verträgen zu einer unkontrollierten Situation führt. Ein neues Wettrüsten sei nicht ausgeschlossen. Denn nicht nur die USA, die das bereits angekündigt hätten, hätten damit die Möglichkeit, ihre militärischen Optionen weiterzuentwickeln, sondern auch andere Staaten wie China. Theoretisch sei es auch möglich, dass neue Atomwaffen in Europa stationiert würden.
Sebastian Schreiber, ARD Washington, zur Aufkündigung des INF-Vertrags
tagesschau24 18:00 Uhr, 01.02.2019
Vorwurf: Verstoß durch russische Marschflugkörper
Der Vertrag verbietet landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern, die Atomsprengköpfe tragen können. Die USA und die NATO werfen Russland vor, mit seinem Marschflugkörper 9M729 gegen das Abkommen zu verstoßen. Deutschlands Außenminister Heiko Maas warf Moskau vor, den Vertrag mit Verstößen "faktisch außer Kraft gesetzt" zu haben.
Die Regierung in Moskau weist die Forderungen und Vorwürfe zurück. Sie gibt die maximale Reichweite ihres Marschflugkörpers mit 480 Kilometern an, was vertragskonform wäre. Zudem unterstellt Moskau den USA, die Vorwürfe nur als Vorwand zu nutzen, um offiziell ein neues Rüstungsprogramm starten zu können.
Reaktion aus Russland: Keine Überraschung
Nach Einschätzung von ARD-Korrespondentin Ina Ruck bleibt die russische Regierung bei dieser Argumentation: Der US-amerikanische Schritt sei keine Überraschung, denn die USA hätten nur einen Vorwand gebraucht, um den INF-Vertrag aufzukündigen und das sei jetzt eingetreten. Russland werde das Land nicht unverteidigt lassen, zitiert sie den Leiter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Oberhauses des russischen Parlaments, Konstantin Kosatschew.
Im Vorfeld der Vertragsaufkündigung durch die USA habe es von russischer Seite geheißen, dass neue Waffensysteme und die Reaktivierung von Projekten der Sowjetunion als Reaktionen denkbar seien, berichtet Ruck. Wenn in Europa neue Atomwaffen stationiert würden, müssten sich die betroffenen Länder darüber im Klaren sein, dass sie potenzielle Ziele seien, habe es von von Seiten russischer Militärs geheißen. In Russland habe der bilaterale Abrüstungsvertrag zudem als veraltet gegolten und ein multilateraler Vertrag - zum Beispiel unter Einbeziehung Chinas - gelte als notwendig.
Ina Ruck, ARD Moskau, zu den ersten Reaktionen aus Russland
tagesschau24 15:00 Uhr, 01.02.2019
USA und Deutschland wollen Gesprächsfaden nicht abreißen lassen
Pompeo unterstrich, dass seine Regierung weiterhin "bereit" sei, mit Moskau über die Abrüstung zu verhandeln. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor der offiziellen Austrittserklärung Pompeos erklärt, den Gesprächsfaden zu Russland nicht abreißen lassen zu wollen.
Man werde die noch verbleibende sechsmonatige Frist zu Gesprächen mit Moskau zu nutzen, sagte sie in Berlin am Rande eines Treffens mit dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan. Russland habe den Vertrag verletzt, deswegen müsse man mit Moskau weiter reden.
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