Automatische Containertransporter sind auf dem Gelände des Containerterminal Altenwerder in Hamburg zu sehen.

Krieg gegen die Ukraine Welthandel trotzt den Kriegsfolgen

Stand: 24.02.2023 13:10 Uhr

Obwohl die Prognosen wegen des Kriegs gegen die Ukraine schlecht waren, hat sich der Welthandel 2022 positiv entwickelt. Wenn Nahrungsmittel, Rohstoffe oder Produkte aus Russland und der Ukraine ausblieben, fanden viele Länder andere Lieferanten.

Nach einem Jahr russischem Angriffskrieg in der Ukraine zeigt sich der Welthandel widerstandsfähiger als gedacht. So steht es im neuen Bericht der Welthandelsorganisation WTO. Genaue Zahlen werden erst im April veröffentlicht, aber schon jetzt geht die WTO für 2022 von deutlich mehr als drei Prozent Wachstum des Welthandels aus. Der von WTO-Expertinnen und Experten zunächst vorhergesagte Einbruch ist ausgeblieben.

"Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Länder sich sehr zurückgehalten haben mit Exportrestriktionen. Das war ja eine der großen Befürchtungen, dass es wie in vergangenen Nahrungsmittelkrisen dazu kommt, dass das Problem noch verschärft wird durch diese Eingriffe", sagt WTO-Chefökonom Ralph Ossa.

"Es gewinnt keiner bei so einem furchtbaren Konflikt"

Viele Länder konnten neue Anbieter für Güter finden, die sie vorher aus Russland oder der Ukraine importierten. Einige ersetzten bestimmte Produkte durch andere, etwa Sonnenblumenöl durch Rapsöl. Als erfolgreiches Beispiel nennt die WTO Äthiopien: 45 Prozent des Weizens kamen dort aus Russland und der Ukraine - jetzt sind die Lieferanten die USA, Argentinien und die EU. Gibt es also auch Kriegsprofiteure?

"Mit dem Wort 'Kriegsgewinnler' tue ich mich ein bisschen schwer. Ich denke, es gewinnt keiner bei so einem furchtbaren Konflikt. Aber es ist natürlich schon so, dass viele Länder, die jetzt eben nicht mehr aus der Ukraine, aus Russland importieren können, das jetzt von anderen Ländern gemacht haben", so Ossa. Im Prinzip sei das auch eine gute Sache: "Die Menschen müssen essen. Und wenn es das Essen nicht mehr aus der Ukraine gibt, dann kommt es jetzt eben aus der Europäischen Union, aus den USA oder auch aus Argentinien", sagt Ossa.

Aufteilung der Weltwirtschaft würde Verluste bedeuten

Der Widerstandsfähigkeit des Welthandels sei am besten gedient, sagt WTO-Chefökonom Ossa, "wenn vielfältigere internationale Märkte mit offenen und berechenbaren Handelsregeln gefördert werden". Das ist auch als Appell zu verstehen. Denn die mit dem russischen Angriffskrieg drohende Fragmentierung der Welt wäre ökonomisch ein ziemliches Desaster.

"Wir haben untersucht, was die Kosten von so einer Fragmentierung der Weltwirtschaft wären: Wenn die Weltwirtschaft in zwei Blöcke zerfallen würde, einen westlichen und einen östlichen Block, würde das im Durchschnitt fünf Prozent Realeinkommensverluste mit sich bringen", sagt Ossa.

Soweit ist es nach den Beobachtungen der Welthandelsorganisation aber noch nicht, auch wenn politisch einiges auf eine Blockbildung hindeutet: mit Russland und China auf der einen, USA und EU auf der anderen Seite.

Einbruch nicht spürbar - trotzdem keine Entwarnung

Ossa sieht die Veränderungen im Moment weniger in den Fakten, sondern mehr in der Art und Weise, wie über die globalen Probleme gesprochen wird: "Was sich am meisten geändert hat, ist wirklich das Narrativ, dass Interdependenz jetzt plötzlich als was Schlimmes angesehen wird. Dieses veränderte Narrativ hat sich ein Stück weit auch schon in der Handelspolitik niedergeschlagen. Aber in den Daten ist, zumindest ohne Lupe, noch nicht so viel zu sehen."

Ihren Bericht über die Widerstandsfähigkeit des Welthandels in Zeiten des Krieges will die WTO auf keinen Fall als Entwarnung verstanden wissen. Gerade beim Thema Exportrestriktionen müsse man weiter aufpassen, dass die nicht aus dem Ruder laufen. Auch das Schwarzmeerabkommen für die Getreideexporte aus der Ukraine läuft bald aus, muss bald erneuert werden. Da sei es nicht die richtige Maßnahme, sich zurückzulehnen.

Kathrin Hondl, Kathrin Hondl, ARD Genf, 24.02.2023 09:16 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 23. Februar 2023 um 17:40 Uhr.