Ein Wandgemälde in San Salvador zeigt das Konterfei von Nayib Bukele.

Kryptogeld steigt im Wert Hilft der Bitcoin-Boom den Menschen in El Salvador?

Stand: 24.11.2024 15:27 Uhr

Als erstes Land weltweit erlaubte El Salvador den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel. Seit Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten boomen Kryptowährungen. Was heißt das für den mittelamerikanischen Staat?

"I told you so" - "ich habe es euch doch gesagt", twitterte der salvadorianische Staatspräsident Nayib Bukele triumphierend. Seit 2021 investiert er öffentliche Gelder in Bitcoin. Dank des jüngsten Anstiegs der Preise nahm der Wert der Bitcoin-Bestände in El Salvador innerhalb einer Woche um mehr als 100 Millionen Dollar zu. Der künftige US-Präsident Donald Trump, der einst eine kritische Haltung gegenüber Kryptowährungen hatte, machte bei seinem Wahlkampf eine Kehrtwende und versprach, dass er die USA zum Krypto-Zentrum der Welt machen wolle.

Das hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Kurse, insbesondere auf den der "Leitwährung" der Kryptowelt, dem Bitcoin. Rafael Lemus, Wirtschaftswissenschaftler der Universität UCA in San Salvador bewertet das trotzdem verhalten. "Jemand, der private oder öffentliche Gelder investiert hat, hat potenziell einen Gewinn, wenn er unter dem aktuellen Marktpreis gekauft hat und der Wert der Bitcoin-Währung steigt", sagte Lemus dem US-amerikanischen Sender CNN. "Aber solange er den Verkauf nicht tätigt, bleibt es eben auch nur ein potenzieller Gewinn."

"Eine Belastung für den öffentlichen Haushalt"

Staatschef Bukele hat bisher noch keinen Bitcoin verkauft, insofern habe es bisher weder Verluste, noch Gewinne gegeben, sagt auch die salvadorianische Ökonomin Tatiana Marroquín. "Aber es handelt sich auch um öffentliches Geld, das nicht in andere Sachen investiert worden ist. Wenn wir eine Kosten-Nutzen-Rechnung machen, ist es einfach nur eine Belastung für den öffentlichen Haushalt", kritisiert sie. "Wenn der Präsident also mittlerweile 100 Millionen Dollar in Bitcoin investiert hat, standen die nicht zur Verfügung, so dass wir hohe Zinsen für andere Anleihen bezahlen mussten, um beispielsweise Gehälter zu bezahlen."

Mit anderen Worten, so Marroquín weiter: "Damit wir in Bitcoin investieren können, müssen wir für andere Ausgaben weitere Anleihen machen. El Salvador hat kein Geld übrig, es fehlt uns. Wir können nicht einen Dollar verlieren."

Bevölkerung bleibt skeptisch

Und es mangelt an Transparenz. Nachvollziehen lassen sich die Investitionen des autoritären Staatschefs nur über seine Twitter-Einträge. Etwa 250 Millionen Dollar öffentliche Gelder hat der salvadorianische Präsident investiert, um die Nutzung des Bitcoins zu bewerben. Unter anderem für die Entwicklung der Bitcoin-App Chivo Wallet, für Gutscheine über 30 Dollar für jeden Bürger als Anreiz für die Nutzung sowie für zahlreiche Geld-Automaten, die überall aufgestellt wurden.

Ein absoluter Verlust, sagt Ökonomin Marroquin, denn die Kryptowährung werde nicht genutzt. Trotz der Förderung der Kryptowährung durch die Regierung in El Salvador gaben im Oktober nur 7,5 Prozent an, Bitcoin für Transaktionen zu verwenden, und im Alltag nutzten ihn nur drei Prozent, so Marroquín.

Die Armut wächst

Allerdings: Seit El Salvador die Kryptowährung Ende 2021 als erstes Land als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert, hat sich der Umsatz in der Tourismusbranche um etwa 30 Prozent erhöht. Es kommen zunehmend Bitcoin-Enthusiasten in das kleine mittelamerikanische Land, um sich anzusehen, wie das funktionieren kann. Einige Menschen in El Salvador bedauern, nicht zu einem Zeitpunkt investiert zu haben, als die Preise für den Bitcoin im Keller waren. So mancher wäre dann jetzt wohlhabender.

Fraglich bleibt indes, ob ein Bitcoin-Gewinn des Staates wirklich den Menschen in El Salvador zugutekommen würde. In dem mittelamerikanischen Land leben etwa 48 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze - fast die Hälfte der rund 6,5 Millionen Einwohner also in prekären Verhältnissen. Bukele hat auch für seine zweite Amtszeit kein nachhaltiges Konzept für die Armutsbekämpfung vorgelegt.

Die Armut sei sogar weiter gestiegen, so Wirtschaftsforscherin Marroquín. "Das besagen Zahlen der CEPAL, der Weltbank. Seit der Pandemie konnte sich El Salvador nicht erholen. Ein potenzieller Gewinn durch Bitcoin wird den Menschen in El Salvador nicht helfen." Und eine Welle der Nachahmer hat El Salvadors Bitcoin-Experiment bislang ebenfalls nicht losgetreten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. November 2024 um 11:52 Uhr.