Kreditkarte wird durch ein Kartenlesegerät gezogen

Riskantes Konsumverhalten Rasanter Anstieg bei Ratenkrediten

Stand: 05.09.2023 09:14 Uhr

Für Anschaffungen auf Pump nutzen Verbraucher immer häufiger Kleinkredite: Die Zahl der Ratenkredite steigt deutlich an, wie eine aktuelle Schufa-Studie zeigt. "Heute kaufen, morgen bezahlen" ist verlockend - aber auch riskant. 

Warum warten, wenn man etwas auch sofort haben kann? Das Motto "heute kaufen, morgen bezahlen" ist aus Sicht vieler Verbraucherinnen und Verbraucher ein Angebot, das sie nicht ablehnen können, zumal die Finanzierung oft zum Nulltarif angepriesen wird. Und sie nutzen es: Die Zahl neu abgeschlossener Ratenkreditverträge in Deutschland sei im vergangenen Jahr rasant gestiegen, stellte die Auskunftei Schufa fest: gut 9,1 Millionen Abschlüsse habe es gegeben, das seien 30 Prozent mehr als im Vorjahr.

Gut 3,8 Millionen der 9,1 Millionen neuen Verträge im vergangenen Jahr waren Kleinkredite unter 1.000 Euro, wie aus dem heute veröffentlichten Schufa-"Risiko- und Kreditkompass" hervorgeht. Ein Jahr zuvor hatte die Auskunftei in dieser Kategorie etwas mehr als zwei Millionen neue Abschlüsse gezählt. Im Schnitt leihen sich Verbraucher in solchen Fällen 356 Euro, ein Jahr zuvor waren es 398 Euro. Erstmals war auch der Anteil der Kleinstkredite größer als der Anteil der neu abgeschlossenen Kredite über Beträge von mehr als 10.000 Euro.

Schufa warnt

"Auch die Rückzahlung von vielen kleinen Krediten kann schnell zu finanzieller Überlastung führen", warnte Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder. Überwiegend werden Ratenkredite zwar vertragsgemäß zurückgezahlt: Wie in den beiden Vorjahren haben Verbraucher der Schufa zufolge in 97,9 Prozent der Fälle ihre Verbindlichkeiten zuverlässig bedient. Umfragen zeigten jedoch, dass wegen der allgemein gestiegenen Preise bei vielen Menschen die finanziellen Rücklagen mittlerweile aufgebraucht seien, führte Schröder aus.

Lohnsteigerungen wurden lange Zeit von der zwischenzeitlich auf Rekordhöhe geschnellten Inflation aufgezehrt. Der Anteil derjenigen, bei denen Zahlungen zum Beispiel mehrfach angemahnt wurden, hat sich im Schufa-Datenbestand zum Vorjahr leicht von 4,7 auf 4,8 Prozent erhöht.

Rasantes Wachstum bei jungen Menschen

Vor allem jüngere Menschen nutzen nach Erkenntnissen der Schufa zunehmend die Möglichkeit, Einkäufe zum Beispiel im Online-Handel in Raten abzuzahlen. Die Zahl der zum 31. Dezember 2022 laufenden Kleinkredite unter 1.000 Euro ist im Schufa-Datenbestand vor allem in den Altersgruppen von 20 bis 39 Jahren gestiegen. Hier lagen die Zuwächse zum Vorjahr bei mehr als 50 Prozent. Am größten war das Wachstum in der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen mit 58,5 Prozent.

Verbraucherschützer mahnen zur Vorsicht: "Null-Prozent-Finanzierung bedeutet nicht automatisch, dass Sie die Ware selbst günstig erwerben, sie kann vielmehr deutlich teurer sein als bei anderen Anbietern", warnt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Stiftung Warentest weist zudem darauf hin, dass sich Ratenkredite durch Gebühren und Restschuldversicherungen zum Teil "heftig" verteuern.

Die Schufa schreibt: Wer im Internet shoppe, wolle schnell kaufen. Die dort angebotenen Finanzierungen erschienen aufgrund der geringen Beträge günstig. "Genau nachgerechnet wird hier kaum."

Ratenkredite deutlich verteuert

Die seit dem vergangenen Sommer rasant gestiegenen Zinsen haben Ratenzahlungen zudem verteuert: Wer im August des laufenden Jahres über das Vergleichsportal Verivox einen Ratenkredit abgeschlossen hat, muss dafür im Mittel 7,35 Prozent Zinsen zahlen. Im August 2022 erhielten Kreditnehmer ihr Darlehen im Mittel noch zu einem Zinssatz von 4,75 Prozent. Auf Jahressicht sind das 55 Prozent Verteuerung.

Nach Einschätzung der auf Finanzierungen von Konsum- und Investitionsgütern spezialisierten Kreditbanken in Deutschland wird dennoch die Nachfrage nach Konsumentenkrediten in den nächsten Monaten anhalten. "Privatpersonen werden in den kommenden zwölf Monaten in vergleichbarem Maß Kredite zur Anschaffung von Konsumgütern nutzen wie in den vergangenen zwölf Monaten", prognostizierte der Bankenfachverband Anfang August.

Kredite kurbeln Konjunktur an

Schon im vergangenen Jahr hatte die Nachfrage nach Konsumentenkrediten nach zwei Jahren Corona-Flaute wieder deutlich zugenommen. Die im Bankenfachverband organisierten Institute vergaben allein an Privatkunden neue Kredite im Gesamtwert von 56,6 Milliarden Euro und damit 7,3 Prozent mehr als 2021.

Der Geschäftsführer des Bankenfachverbandes, Jens Loa, argumentiert: Gerade jetzt, wo das Preisniveau allgemein gestiegen sei und Menschen sich bei Anschaffungen zurückhielten, seien "Finanzierungsangebote essenziell, um die Konjunktur anzukurbeln". Der Verband rechnet für die nächsten Monate mit einer konstanten Kreditnachfrage: zum Beispiel fürs neue Auto, die neue Küche oder einen neuen Fernseher.

Überschuldung sinkt

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der überschuldeten Privatpersonen in Deutschland laut Statista-Angaben zum vierten Mal in Folge zurückgegangen. Sie sank 2022 auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Auswertungen im Jahr 2004 auf etwa 5,9 Millionen Bürger über 18. Den Angaben zufolge sind etwa 3,6 Millionen der überschuldeten Personen Männer. Danach gelten mehr als zehn Prozent der Männer über 18 Jahren in Deutschland als überschuldet oder weisen zumindest nachhaltige Zahlungsstörungen auf.    

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Januar 2023 um 10:00 Uhr.