Die Applikation von PayPal ist auf einem Mobilfunkgerät zu sehen, das ein Mann in der Hand hält.

"Buy now, pay later" Mit Schnäppchen in die Schuldenfalle

Stand: 24.11.2021 13:09 Uhr

Das Shoppen in der "Black Week" kann in eine gefährliche Verschuldung führen. Beliebte Bezahlanbieter wie Klarna oder PayPal bieten Raten- oder Kreditkauf an - aber oft zu wenig attraktiven Konditionen.

Von Von Naïma Kunze, HR

Ein Tippen mit dem Finger und das neue T-Shirt ist gekauft. Bezahlt wird später - wenn man es denn kann. "Buy now, pay later", so nennt sich das Prinzip. Gerade jetzt, kurz vor dem "Black Friday" und mit Blick auf Weihnachten in wenigen Wochen, wird wieder kräftig eingekauft. Seit einigen Jahren passiert das zunehmend online.

Lag der Bruttoumsatz mit Waren im E-Commerce laut dem Bundesverband E-Commerce und Versandhandel noch 2015 bei 46,9 Milliarden Euro, waren es im vergangenen Jahr bereits 83,3 Milliarden Euro. Gezahlt wird dabei immer häufiger per Klarna, PayPal, Ratepay, Unzer oder Afterpay - sogenannte "Buy now, pay later"-Anbieter.

Die Gefahr von Online-Ratenzahlungen

Naima Kunze, HR, Plusminus

Bald von einer Milliarde Menschen genutzt

Für Andreas Hackethal, Professor für Finanzen am House of Finance der Frankfurter Goethe-Universität, ist klar: Die Bezahldienstleister vergeben im Grunde ganz klassisch einen Kredit: "Das Besondere und das Neue daran ist, in einer E-Commerce-Welt wird daraus ein ganz einfaches Erlebnis", sagt der Finanzfachmann, der den Bereich "Household Finance" am Leibniz-Institut SAFE leitet.

Nach einer Prognose der Marktforschungsfirma Juniper Research nutzen in diesem Jahr rund 340 Millionen Menschen weltweit "Buy now, pay later" -Bezahlsysteme, schon 2026 sollen es 1,5 Milliarden sein. Die Umsätze dürften im selben Zeitraum von 226 Milliarden auf 995 Milliarden Dollar pro Jahr steigen.

Anbieter verlangen hohe Zinsen

Einen Teil zum Erfolg hat auch Nicole B. (Name von der Redaktion geändert) aus der Nähe von Frankfurt beigetragen. Sie kaufte viel und oft über die Bezahldienstleister auf Pump. Sie schrieb zwar genau auf, wann welche Rate fällig wird. Doch irgendwann konnte sie trotzdem nicht mehr zahlen.

Durch die Corona-Pandemie landete sie in Kurzarbeit, verlor ihren Nebenjob in der Gastronomie. Die Raten liefen trotzdem weiter. Alleine bei einem der bekanntesten Finanzdienstleister, Klarna, häuften sich so Schulden im vierstelligen Bereich an - und das, obwohl Nicole B. nur Kleinigkeiten kaufte: "Sie bauen sich wie so ein Kartenhaus auf, eine Rechnung nach der anderen. Und irgendwann, wenn jetzt zum Beispiel Kurzarbeit kommt oder sie verlieren den Job, muss ja nicht mal Corona sein. Eine Karte wird rausgezogen und alles bricht zusammen."

Kleine Anschaffungen werden zum großen Problem

Ihr Weg führte sie zu Schuldnerberater Matthias Klusmann in Frankfurt. Inzwischen ist ihr Fall abgeschlossen. Rund jeder Fünfte, der in Klusmanns Büro Hilfe sucht, hat inzwischen auch Schulden bei einem der "Buy now, pay later"-Anbieter.

Vor rund zwei Jahren sei diese Thematik bei ihm noch nicht so präsent gewesen. Dabei weiß er, dass viele kleine Anschaffungen am Ende zum großen Problem werden können: "Wenn ich klamm bin, dann bezahle ich natürlich gerne per Ratenkauf, ohne darauf zu achten, dass da zum Teil zwölf, dreizehn Prozent an Zinsen berechnet werden und in einer Welt, in der Zinsen abgeschafft sind, läppert sich das halt fix zusammen.".

Kredite von Banken oft günstiger

Außerdem kommen dann noch Mahngebühren und Inkassokosten hinzu. Der vermeintlich günstige Kauf, zum Beispiel in der "Black Week", wird so immer teurer. Außerdem bieten viele Kreditinstitute Konsumentenkredite zu Konditionen an, die oft deutlich günstiger sind. Klusmann bezeichnet das Geschäftsmodell der Finanzdienstleister als "ein sehr erfolgreiches, lukratives und daher auch expansives".

Im vergangenen Jahr machte alleine Klarna einen Umsatz von 1,1 Milliarden Dollar. Der wichtigste Markt des schwedischen Finanzdienstleisters ist Deutschland. Wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb rührt das Unternehmen hierzulande gerade kräftig die Werbetrommel für die Neuauflage der App, die so funktioniert, dass man in jedem Shop mit ihr bezahlen kann - auch wenn dieser kein offizieller Klarna-Partner ist.

Auf Nachfrage bestreitet Klarna, Menschen in die Schuldenfalle zu locken. Man überprüfe alle Kundinnen und Kunden auf ihre Kreditwürdigkeit, "so dass wir nur Kredite an diejenigen vergeben, die sich die Rückzahlung leisten können", heißt es von Klarna.

Jeder dritte US-Nutzer hat Zahlungsziel schon mal verfehlt

Trotzdem verschulden sich viele Nutzer der Online-Bezahldienstleister. Erste Studien des Finanzunternehmens Credit Karma zeigen, dass jeder dritte "Buy now, pay later"-Nutzer in den USA sein Zahlungsziel bereits einmal verfehlt hat. In England ist das jedem Zehnten schon einmal passiert. In Deutschland kann die Finanzaufsicht BaFin Klarna und Co. kontrollieren. Doch bislang sind auf der Webseite der Behörde nur einige Tipps zu finden, keine Warnung.

Nicole B. zumindest wünscht sich mehr Aufklärung. Sie hat inzwischen dazugelernt und kauft nur noch Dinge, die sie sich leisten und sofort bezahlen kann.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Magazin plusminus am 24. November 2021 um 22:50 Uhr im Ersten.