Viessmann-Logo an einem Werksgebäude in Allendorf

Nach Viessmann-Verkauf Geschäft mit Fusionen und Übernahmen zieht an

Stand: 16.06.2023 08:16 Uhr

Dank des Viessmann-Verkaufs ist das Geschäft mit großen Fusionen und Übernahmen in Deutschland im ersten Halbjahr um mehr als 30 Prozent höher als im Vorjahr. Innerdeutsche Transaktionen gibt es kaum.

Das Geschäft mit großen Fusionen und Übernahmen in Deutschland kommt allmählich wieder in Gang. Nicht zuletzt wegen der 13,2 Milliarden Dollar schweren Übernahme des hessischen Heiztechnik-Konzerns Viessmann durch den US-Rivalen Carrier Global ist das Volumen auf dem deutschen M&A-Markt nach knapp sechs Monaten mit 66 Milliarden Dollar 31 Prozent höher als vor einem Jahr, wie aus den "League Tables" des Finanzdatenanbieters Refinitiv hervorgeht.

Innerdeutsche Übernahmen auf dem niedrigsten Stand seit 2019

Für zwölf Milliarden Euro verkaufte die Familie Viessmann im April die dominierende Heiztechnik-Sparte ihrer gleichnamigen Firma an Carrier Global. Sie hatte befürchtet, bei der Umstellung von Gas- und Öl-Heizungen auf Wärmepumpen im internationalen Vergleich zu klein zu sein. Die Übernahme hatte eine politische Diskussion ausgelöst, ob die "Wärmewende" der Bundesregierung die deutschen Hersteller überfordert. Den Kaufpreis erhalten die Eigentümer größtenteils in bar, für die restlichen 2,4 Milliarden Euro bekommt sie Carrier-Aktien.

Der Fall Viessmann liegt im Trend. So kommen die Käufer von deutschen Firmen überwiegend aus dem Ausland. Häufig sind das Finanzinvestoren, die dank ihrer tiefen Taschen im ersten Halbjahr (Stand: 14. Juni) 303 deutsche Firmen für insgesamt 14 Milliarden Dollar kauften - so viele wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1980.

Deutsche Unternehmen zögern dagegen im laufenden Jahr wegen der schwächelnden Konjunktur mit Übernahmen. Innerdeutsche Transaktionen liegen im Jahresverlauf mit einem Minus von einem Drittel auf dem niedrigsten Stand seit 2019, Zukäufe im Ausland sogar auf einem Sechs-Jahres-Tief.

Milliardenübernahmen von Qualtrics- und Simcorp

Die zweitgrößte Fusion betrifft den deutschen Softwareriesen SAP. Rund vier Jahre nach der Übernahme hat der Konzern seine US-Datenanalyse-Tochter Qualtrics wieder verkauft. 7,7 Milliarden Dollar bekommen die Walldorfer für ihren 71-Prozent-Anteil vom Finanzinvestor Silver Lake und dessen Partner, dem kanadischen Pensionsfonds CPPIB. Insgesamt legen die neuen Besitzer 11,6 Milliarden Dollar auf den Tisch, um Qualtrics von der Börse zu nehmen. SAP hatte das US-Unternehmen 2019 für acht Milliarden Dollar vom Firmengründer Gründer Ryan Smith gekauft und später an die Börse gebracht.

Es folgt die 3,9 Milliarden Euro schwere Übernahme des dänischen Finanzsoftware-Spezialisten Simcorp, mit der die Deutsche Börse ihr Geschäft mit Dienstleistungen für Vermögensverwalter ausbauen will. Das Angebot an die SimCorp-Aktionäre läuft derzeit. Das an der Kopenhagener Börse gelistete Unternehmen arbeitet seit zwei Jahren mit der Deutsche-Börse-Tochter Qontigo zusammen. Der Daten- und Analyse-Spezialist, Simcorp und der Stimmrechtsberater ISS sollen in einem neuen Segment gebündelt werden.

Dazu kommt der US-Pharma- und Medizintechnik-Konzern Baxter International, der seine Biopharma-Sparte für 4,25 Milliarden Dollar an ein Konsortium um die Finanzinvestoren Advent und Warburg Pincus verkauft. Ein Großteil davon, Baxter Oncology, sitzt in Halle in Westfalen, weshalb die Transaktion mit knapp drei Milliarden Euro in die deutsche Übernahmen-Rangliste eingeht.

Nutznießer vor allem US-Banken

Besonders profitiert von den Geschäften hat die US-Investmentbank JPMorgan. Ihre Banker begleiteten zwölf Übernahmen und Fusionen mit deutscher Beteiligung im Volumen von 31,5 Milliarden Dollar. Goldman Sachs, im ersten Quartal noch die Nummer eins, folgt mit sechs Deals für 26,6 Milliarden Dollar auf Platz zwei. Auch den dritten Rang belegt mit Morgan Stanley (17,8 Milliarden Dollar) eine US-Bank. Die Deutsche Bank liegt auf ihrem Heimatmarkt mit sieben Transaktionen im Wert von 6,2 Milliarden Dollar auf Rang sechs.

Im mauen Geschäft mit Eigenkapital-Emissionen und -Platzierungen (ECM), sprich Börsengängen, hat Morgan Stanley die Spitzenposition aus dem ersten Halbjahr 2022 verteidigt. Zwei Transaktionen mit 1,68 Milliarden Dollar Volumen reichten, um UniCredit und Barclays mit großem Abstand auf die Plätze zu verweisen. Die Konkurrenz hofft, dass IPOs nach der Sommerpause ins Laufen kommen.

Bei Fremdkapital-Transaktionen ist die Deutsche Bank mit 53 Emissionen im Volumen von 15,8 Milliarden Dollar unangefochten Erster. Ihr Marktanteil sinkt aber leicht auf 7,5 Prozent. Rang zwei behauptet JPMorgan mit 37 Emissionen über 11,4 Milliarden Dollar. Die Commerzbank ist mit 48 Anleihen im Volumen von 10,9 Milliarden Dollar Dritter.