Eine Hand mit einer Flasche Roundup
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Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat Unverzichtbar oder unverantwortlich?

Stand: 13.10.2023 12:04 Uhr

Glyphosat ist das meistverkaufte Herbizid der Welt. Ob es in der EU künftig weiter verwendet werden darf, ist unklar. Wie Kritiker und Befürworter des Wirkstoffs argumentieren.

Von Birgit Fürst, br

Seit fast 20 Jahren arbeitet Stephan Obermaier ohne Pflug. Das ist gut für den Boden und gut gegen Erosion. Aber nach Meinung des Landwirts aus Leiblfing im Landkreis Straubing-Bogen in Bayern geht es nur mit Glyphosat. Damit tötet er im Frühjahr vor der Aussaat Zwischenfrucht und Unkraut ab. Die abgestorbenen Pflanzenteile und Wurzeln stabilisieren das Bodengefüge. Der Boden auf seinem Feld ist offenporig, wie ein Schwamm, kann viel Wasser speichern.

Wenn er dagegen Zwischenfrucht und Unkraut mechanisch bearbeitet, also zum Beispiel mit einer Egge ausrupft, bleibt der Boden unbedeckt, und bei Starkregen könnte die Erde abgespült werden. Glyphosat-Einsatz ist für den konventionellen Landwirt deshalb Erosions- und Hochwasserschutz.

Wo das Herbizid eingesetzt werden darf

Glyphosat ist in Deutschland seit 1975 zugelassen. Wer es spritzen will, muss strenge Vorgaben einhalten. Landwirte brauchen dafür eine Prüfung und alle zwei Jahre einen Auffrischungskurs für ihren Sachkundenachweis.

Glyphosat darf nur unter bestimmten Umständen eingesetzt werden, beispielsweise auf erosionsgefährdeten Flächen oder auf Äckern mit besonders hartnäckigen Unkräutern wie etwa der Ackerkratzdistel. In Wasserschutzgebieten ist es generell verboten, genauso wie mittlerweile für Hobbygärtner, die das Spritzmittel bis vor zwei Jahren noch kaufen konnten.  

Was grün ist, stirbt

Glyphosat ist kein Produkt, sondern der Wirkstoff in einem Totalherbizid. Alle grünen Pflanzenteile nehmen es auf, es verteilt sich in der ganzen Pflanze, und sie stirbt ab. Wo es gespritzt wird, stirbt alles, was grün ist. Insekten verlieren ihre Nahrungsgrundlage. Doch die Gefahren für Insekten durch Glyphosat sind laut Sophia Guttenberger vom Umweltinstitut in München noch größer. Sie weist auf Studien hin, die beweisen, dass Wildbienen, Honigbienen oder Florfliegen direkt geschädigt werden durch Glyphosat.

Bei Wildbienen beispielsweise würden Lernen und Gedächtnis stark beeinflusst, so Guttenberger. Deshalb fänden sie sich schwerer in ihrer Umgebung zurecht, hätten Schwierigkeiten, zu ihrer Brut zurückzufinden und die Nahrung nach Hause zu tragen, was zum Tod der Brut und der Bienen führen könne. Dadurch trage Glyphosat direkt zum Artensterben bei, sagt die Biologin.

Ist Glyphosat krebserregend?

Glyphosat wird gespritzt; die feinen Tröpfchen verbreiten sich über den Wind und in der Folge über Bäche und Flüsse überall. Obwohl es verboten ist, Glyphosat im Naturschutzgebiet zu verwenden, ist es auch dort - weitab von Äckern - gefunden worden. Glyphosat ist in Nudeln, im Bier, im Brot und sogar im Urin von Menschen nachweisbar - allerdings in extrem kleinen Mengen.

Ist das krebserregend, wie viele behaupten? Der Toxikologe Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk PAN Germany zitiert fünf Mäusestudien und verschiedene Rattenstudien, bei denen erhöhte Tumorraten festgestellt wurden, beispielsweise Nierentumore bei drei verschiedenen Mäusestudien. Seine Schlussfolgerung ist deshalb, dass Glyphosat krebserregend auch beim Menschen sei. Das hat 2015 auch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) so gesehen und Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.

Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA kam kürzlich zu einer anderen Einschätzung. Sie hat über drei Jahre lang rund 2.400 wissenschaftliche Studien zu Glyphosat ausgewertet. Die EFSA sieht "keine kritischen Problembereiche" für den Menschen sowie für die Umwelt. Sie empfahl die weitere Zulassung - unter strengen Auflagen. 

Auch Biobauern betreiben Erosionsschutz

Landwirt Obermaier glaubt nicht, dass Glyphosat bei richtiger Anwendung gefährlich für ihn oder die Umwelt ist. Ein Verbot wäre für ihn ein Rückschritt im Erosions- und Hochwasserschutz: fatal angesichts des Klimawandels und zunehmender Starkregen-Ereignisse.

Aber ist Glyphosat wirklich die einzige Lösung? Auch im Ökologischen Landbau wird Erosionsschutz betrieben - ohne Glyphosat. Dort setzt man beispielsweise auf Zwischenfruchtmischungen, die über den Winter abfrieren und dadurch vor der Aussaat keine Bodenbearbeitung nötig machen. Man verwendet andere Fruchtfolgen als in der konventionellen Landwirtschaft und arbeitet mit Untersaaten, beispielsweise Klee unter Getreide, damit der Boden ebenfalls bedeckt bleibt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. Oktober 2023 um 07:35 Uhr.