Kyrillischer Schriftzug "Gazprombank" über einer Filiale

Uniper & Co. vor Problem Sanktionskonforme Gaszahlungen: Geht das?

Stand: 01.06.2022 15:26 Uhr

Aus Angst, gegen EU-Sanktionen zu verstoßen, kappen immer mehr Versorger ihre Beziehungen zu Gazprom. Die deutschen Konzerne Uniper und RWE halten jedoch daran fest. Experten sehen das kritisch.

Von Angela Göpfert, tagesschau.de

In der Europäischen Union tut sich eine immer größer werdende Kluft auf zwischen jenen Unternehmen, die weiterhin Gas aus Russland beziehen, und solchen, die von Gazprom von der Lieferliste gestrichen werden. Im Kern geht es dabei um die Frage: Können europäische Versorger ihre Zahlungen an Gazprom sanktionskonform gestalten?

Deutsche Unternehmen wie Uniper und RWE, aber auch die italienische Eni meinen ja. Doch Konzerne wie Shell oder der dänische Versorger Ørsted sehen das anders. Wer hat nun Recht?

Niederländische GasTerra fürchtete EU-Sanktionen

Erst heute hat der staatliche russische Energieriese die Gaslieferungen an den dänischen Versorger Ørsted sowie Shell Energy Europe eingestellt. Die Begründung von Gazprom: Beide Konzerne hätten sich geweigert, ihre Gaszahlungen auf die russische Währung Rubel umzustellen.

Zuvor hatte Russland bereits die Gaslieferungen an Bulgarien, Polen, Finnland und zuletzt die Niederlande gestoppt. Auch hier hatten es die Energieversorger abgelehnt, den Rohstoff in Rubel zu bezahlen. Zur Begründung hatte etwa die niederländische GasTerra auf das Risiko verwiesen, die EU-Sanktionen zu brechen.

Experte: Rubel-Konto ist nicht sanktionskonform

"Die Argumente von GasTerra, Shell und Ørsted sind stichhaltig. Diese Unternehmen weigern sich zu Recht, ein auf Rubel laufendes Konto bei der Gazprombank zu eröffnen, wie es von Putin per Dekret angeordnet wurde", betont Armin Steinbach, Professor für Recht und Ökonomie an der École des hautes études commerciales (HEC) in Paris, gegenüber tagesschau.de.

Denn bei der Umwandlung des in Euro oder Dollar eingezahlten Betrages auf das Rubel-Konto des europäischen Gasimporteurs werde - zumindest indirekt - auch die Zentralbank eingebunden. "Damit wird gegen Sanktionsrecht verstoßen."

Uniper, RWE und Eni eröffneten Konten bei der Gazprombank

Derartige Bedenken hegen die deutschen Gasversorger nicht. So erklärte Deutschlands größter Gasversorger Uniper, man zahle "in Euro im Einklang mit dem neuen Zahlungsmechanismus". Der DAX-Konzern RWE sagte, er habe seine Zahlmethode nach den neuen Vorgaben umgestellt. Konkreter wurde der italienische Gasversorger Eni: Er teilte jüngst mit, man habe bei der Gazprombank ein Konto in Euro und eines in Rubel eröffnet.

Unternehmen, die sich auf den "neuen Zahlungsmechanismus" mit Russland einlassen, eröffnen oder haben ein Konto bei der Gazprombank und zahlen dort Euro-Beträge ein; diese Konten heißen K-Konten. Die Gazprombank konvertiert dann das Geld in Rubel und überweist den Betrag in der russischen Währung an Gazprom. Uniper und RWE zufolge steht ihr Handeln im Einklang mit den EU-Sanktionen.

"Ohne Rubel-Konto wäre es unproblematisch"

HEC-Experte Steinbach sieht das anders: "Selbst wenn die Umwandlung in Rubel von der Gazprombank und nicht vom Importeur initiiert wird, bleibt es eine Transaktion im Namen von und zugunsten des Kontoinhabers - zum Beispiel Uniper. Damit wird gegen Sanktionsrecht verstoßen."

Dabei ist es vor allem das zweite, auf Rubel lautende Konto bei der Gazprombank, welches für die EU-Gasimporteure rechtlich zweischneidig ist: "Gäbe es kein Rubel-Konto, wäre es unproblematisch: Was die Gazprombank mit dem Euro-Betrag nach Zahlungserfüllung macht, müsste sich der Importeur nicht mehr zurechnen lassen", erläutert Steinbach.

Politische Rückendeckung aus Berlin

Besonders augenfällig: Es sind vor allem deutsche und italienische Unternehmen, die sich dem Putin-Dekret beugen. Also Unternehmen, deren Heimatländer stark abhängig sind von russischen Gaslieferungen. Hinzu kommt: Das Vorgehen von Uniper und RWE erfolgt mit politischer Rückendeckung aus Berlin. Insbesondere Uniper wird nicht müde zu betonen, dass sein Vorgehen im Vorfeld mit der Bundesregierung abgestimmt worden sei.

Dennoch ist das rechtliche Risiko für die betroffenen Unternehmen beträchtlich, wie Jurist Steinbach im Gespräch mit tagesschau.de betont: "In Deutschland sind Haftstrafen von bis zu zehn Jahren für Verstöße gegen Sanktionen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) möglich und sind in der Vergangenheit in Bezug auf die Krim-Sanktionen bereits verhängt worden."

Auf die EU-Kommission kommt es an

"Das muss Unternehmen aufschrecken lassen", warnt Steinbach und schränkt zugleich ein: Im vorliegenden Fall der Zahlungsmodalitäten sei die Rechtslage nicht hundertprozentig eindeutig. "Deshalb würde ein Sanktionsverstoß erst dann offensichtlich, wenn die EU-Kommission explizit sagt, dass sie die Praxis von Uniper/Eni für sanktionswidrig hält. Dann müssten die deutschen Behörden gegen Uniper vorgehen."

Das sei jedoch nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Entscheidung: "Ich glaube kaum, dass sich die Kommission so eindeutig gegen zwei große Mitgliedsstaaten (Deutschland, Italien) in der aktuellen Lage positioniert." Trotzdem bestehe für die Unternehmen ein erhebliches Risiko.

Anspannung am Gasmarkt

Derweil nimmt auch am europäischen Gasmarkt die Nervosität zu: Gestern schnellte der Dutch Natural Gas Future bis auf 94 Euro empor, heute hält er sich auf hohem Niveau. Zur Begründung verweist Commerzbank-Rohstoffexpertin Barbara Lambrecht auf die jüngsten Meldungen über Angebotskürzungen Russlands. Die Gasflüsse über Nord Stream seien gestern auf das niedrigste Niveau seit mehr als zwei Monaten gefallen.

"Auch wenn sich die Gasspeicher momentan weiter füllen, spannt sich also die Lage an - nicht zuletzt weil das jüngst beschlossene EU-Embargo gegen russisches Öl Russlands Präsident Putin provozieren könnte, mit Gegenmaßnahmen zu antworten."