Eine Computergrafik zeigt die in Magdeburg geplante Chipfabrik des US-Konzerns Intel.
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Kritik an Staatshilfen Täuschen Subventionen über Probleme hinweg?

Stand: 04.12.2023 08:18 Uhr

Mittelständische Unternehmer und Ökonomen warnen vor einer ausufernden Subventionspolitik der Bundesregierung. Damit würden Wettbewerbsnachteile kaschiert, anstatt sie zu beheben.

Von Jörg Hommer, SWR

Seit 75 Jahren gibt es das Unternehmen Hans Keim im schwäbischen Zimmern bei Rottweil. In der ganzen Firmengeschichte gab es nur einmal Geld vom Staat: 12.000 Euro während der Corona-Pandemie. Alle Krisen der vergangenen Jahre hat Geschäftsführer Christoph Keim aus eigener Kraft gemeistert. "Als Mittelständler arbeiten wir jeden Tag, besser zu werden. Wir überlegen und tüfteln, wie man was besser machen kann", sagt Keim.

Dass die staatlichen Förderungen immer mehr wurden und auch große Konzerne profitieren, dafür hat er kein Verständnis. Seit Jahren verlange der Staat Mittelständlern immer mehr ab. Der bürokratische Aufwand nehme immer weiter zu, die Steuerlast sei im internationalen Vergleich immens, dazu die steigenden Energiekosten und der wachsende Fachkräftemangel.

Er kann nicht nachvollziehen, dass für den wirtschaftlichen Erfolg oder die die Bewältigung von Krisen Subventionen nötig sein sollen. "Wir als Unternehmer arbeiten hier ganz anders. Wenn ich mir überlege, wie viel Geld im Umlauf ist und wie viele Töpfe hier hin und her verschoben werden, das würde bei uns im Mittelstand nicht funktionieren. Insofern sehen ich das natürlich sehr kritisch."

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"Verschiebebahnhof durch staatliche Subventionen"

Einer der Töpfe ist rund 20 Milliarden Euro schwer: Subventionen, die die Bundesregierung internationalen Chipherstellern für die Ansiedlung von Produktionsstätten in Deutschland in Aussicht gestellt hat. Nicht erst seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kritisieren Ökonomen wie Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft die immer weiter ausufernde Subventionspolitik der Bundesregierung.

Man könne die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche nicht dadurch sicherstellen, dass man für alles Subventionen zahle. Damit kaschiere man nur Standortnachteile. "Das sieht dann optisch erstmal gefälliger aus, ist aber auf Dauer ein Nachteil", erklärt Kooths. Der Nachteil für das Gesamtsystem bestehe darin, dass man höhere Steuern erheben oder auf andere standortstärkende Maßnahmen verzichten müsse. "Das heißt, unter dem Strich ist das ein Negativsummenspiel für den gesamten Wirtschaftsraum. Mit anderen Worten: Wir können uns dann weniger Wohlstand erarbeiten als in einem System, in dem wir solche verzerrenden Subventionen bleiben lassen. Und deshalb sollte man davon die Finger lassen."

Politiker argumentieren gerne damit, dass etwa durch die die Ansiedlungssubventionen für Hersteller von Mikrochips mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Doch diese Argumentation sei falsch, sagt Kooths. Viele Arbeitskräfte seien bereits in anderen Betrieben beschäftigt. "Und die müssen jetzt zusehen, dass ihnen ein Unternehmen, das mit Steuergeldern, die sie selbst aufgebracht haben, subventioniert wird, ihnen die besten Arbeitskräfte abjagt." Das sei in Zeiten starken Fachkräftemangels "für die Betroffenen besonders hart und gesamtwirtschaftlich kein Vorteil. Wir haben da nur einen Verschiebebahnhof durch staatliche Subventionen ermöglicht, und das ist eben nicht im gesamtwirtschaftlichen Interesse".

Konkurrenz durch subventioniertes Bahnwerk

Genau diesen Verschiebebahnhof erlebt Lars Wertenauer bereits heute. Sein Unternehmen in der Südlausitz ist spezialisiert auf Metallbau und Pulverbeschichtung. In unmittelbarerer Nähe baut die Deutsche Bahn das größte ICE-Werk Deutschlands. Eine Milliarde Euro Subventionen gab es vom Bund, 1.200 Arbeitsplätze sollen hier entstehen.

Und schon lange bevor das Werk überhaupt seinen Betrieb aufnimmt, spürt Wertenauer die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Zwei Mitarbeiter sind schon zur Deutschen Bahn gewechselt. Wertenauer ist hat Sorge, ob er auch in Zukunft gut qualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen halten kann. Je höher die Mitarbeiter qualifiziert seien, desto schwieriger sei es, sie im Betrieb zu halten. Mit Tankgutschein, flexiblen Arbeitszeiten und ähnlichem versucht er es. Und trotzdem fragt er sich mittlerweile jeden Monat, ob noch mehr Mitarbeiter das Unternehmen verlassen werden. Er hat Angst, dass er aufgrund von Personalmangel seinen Betrieb in dem Umfang irgendwann nicht mehr aufrechterhalten kann.

Fehlt das Geld für die Bildung?

Dass allein der börsennotierte US-Chiphersteller Intel zehn Milliarden Euro Subventionen auf Pump aus dem Bundeshauhalt erhalten soll, kritisiert der Wirtschaftswissenschaftler Kooths scharf. "Diese zehn Milliarden sind nicht mehr verfügbar, um sie etwa dort einzusetzen, wo wir sicher wissen, dass die gesamtwirtschaftliche Rendite sehr hoch sein wird - insbesondere im Bildungsbereich und dort eben insbesondere in der frühkindlichen Bildung, wo wir viele Talente verschenken."

Zudem sei die Hoffnung, durch Mikrochips "Made in Germany" ökonomische Souveränität zu erreichen, eine Utopie. Bei einer erneuten Krise bekäme "nicht derjenige die Chips, der die ursprünglich größten Subventionen für die Ansiedlung bezahlt hat, sondern derjenige, der dann bereit ist für die Chips die höchsten Preise zu bezahlen". Die Vorstellung greife zu kurz, dass man Anspruch auf die Produkte habe, nur weil die Produktion im eigenen Wirtschaftsraum angesiedelt sei.

Firmen wünschen sich weniger Bürokratie

Um im internationalen Wettbewerb besser bestehen zu können, wünschen sich viele Mittelständler wie Christoph Keim aus Zimmern Bürokratieabbau, weniger Unternehmenssteuern und günstigere Energiekosten. Das sei für den Wirtschaftsstandort Deutschland mehr wert als Milliarden an Subventionen.

Bei Subventionen sei die Frage: Warum muss ich das tun? Sind andere besser wie wir? "Wir sollten die Standortbedingungen so attraktiv halten, dass die Leute zu uns kommen, dass die Mitarbeiter zu uns kommen, die Fachkräfte zu uns kommen, dass Unternehmen zu uns kommen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in "Plusminus" am 22. November 2023 um 21:45 Uhr.