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Verkauf an Investor Avtodom Mercedes-Benz verlässt Russland ganz

Stand: 26.10.2022 16:05 Uhr

Mercedes-Benz verkauft seine in Russland verbliebenen Anteile an einen lokalen Investor. Den Fahrzeug-Export nach Russland und die lokale Fertigung hat der Konzern bereits eingestellt. Finanzchef Wilhelm sprach von einem "konsequenten Schritt".

Der deutsche Automobilhersteller Mercedes-Benz verkauft seine in Russland noch verbliebenen Geschäftsanteile an einen lokalen Investor. Die Vertriebsgesellschaft und das Pkw-Montagewerk mit noch mehr als 1000 Beschäftigten sollen an den russischen Investor Avtodom verkauft werden, teilte der DAX-Konzern mit. Finanzchef Harald Wilhelm ergänzte, der Schritt werde keine zusätzlichen finanziellen Folgen haben.

Der Vollzug der Transaktion stehe allerdings noch unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigungen. Wilhelm sprach von einem "konsequenten Schritt", nachdem das Unternehmen nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine bereits den Export von Fahrzeugen nach Russland sowie die lokale Fertigung Anfang März eingestellt hatte.

Im ersten Halbjahr hatte der Stopp des Russland-Geschäfts in Reaktion auf den Ukraine-Krieg und die damit verbundenen EU-Sanktionen zu 700 Millionen Euro Aufwand geführt. Da es keine weiteren Effekte gibt, rechnet Mercedes weder mit Abschreibungen noch mit einer Einnahme aus dem Verkauf.

Russland-Geschäft für einen Euro verkauft

Der französische Autokonzern Renault hatte sein Russland-Geschäft kürzlich für einen Rubel verkauft. Sein Partner Nissan aus Japan gab die Russland-Aktivitäten für einen Euro an ein russisches Staatsunternehmen ab und musste dafür umgerechnet etwa 685 Millionen Euro abschreiben. Nissan und Renault handelten eine Klausel zum Rückkauf innerhalb von sechs Jahren aus. Auch Mercedes-Benz soll sich eine Rückkaufoption gesichert haben.

Andere Unternehmen haben derzeit aber größere Probleme, sich komplett vom russischen Markt zu lösen. Erst gestern sagte SAP-Finanzchef Luka Mucic, dass der Softwarekonzern nicht wie geplant bis Ende des Jahres komplett aus seinem Russlandgeschäft ausgestiegen sei. Das Unternehmen macht dafür rechtliche Anforderungen verantwortlich, die gegenüber Kunden und Beschäftigten bestünden.

Unter Vorbehalt

Mercedes-Benz in Russland bestätigte indes schon: Das Unternehmen werde den russischen Markt verlassen. Oberstes Ziel des Geschäfts mit Avtodom sei gewesen, die Pflichten gegenüber Kunden und Beschäftigten von Mercedes-Benz zu erfüllen. Zur finanziellen Seite der Übereinkunft gab es keine Angaben.

Das russische Industrie- und Handelsministerium teilte mit, dass Avtodom andere Unternehmen "anziehen" könnte, um eine gemeinsame Produktion im Werk Jessipowo nahe Moskau zu "organisieren". Das Werk war erst 2019 eröffnet worden, damals unter Anwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putins und des früheren Wirtschaftsministers Peter Altmaier. Damals sagte Putin, dass er alles dafür tun werde, dass der Konzern sein Engagement in Russland nicht bereuen werde. Die Produktionsstätte wurde für rund 250 Millionen Euro gebaut.

Nettogewinn verdoppelt

Der Autohersteller veröffentlichte heute auch seine Quartalszahlen. Von Juli bis September verdoppelte Mercedes-Benz seinen Nettogewinn auf fast vier Milliarden Euro. Er übertraf damit die Erwartungen am Finanzmarkt. Der Umsatz in den drei Monaten stieg im Vorjahresvergleich um 19 Prozent auf fast 40 Milliarden Euro.

Grund für das "solide" wirtschaftliche Ergebnis sind dem Unternehmen zufolge eine robuste Nachfrage wie auch die Durchsetzung höherer Preise.

"In Kombination mit der anhaltenden Kostendisziplin machen wir das Unternehmen widerstandsfähiger und geben somit auch den Takt für die kommenden Monate vor", sagte Wilhelm. Sollte die Inflation bei den Kosten etwa für Rohstoffe noch stärker werden, wären zusätzliche Effizienzmaßnahmen notwendig, ergänzte er, ohne Details zu nennen. Weitere Stellen sollen noch in der Verwaltung abgebaut werden und nicht in der Produktion.

Mercedes profitiert von Sondersituation

Mercedes-Benz hatte die Pkw-Auslieferungen im Sommer um mehr als ein Drittel auf rund 530.000 Fahrzeuge gesteigert und konnte damit den vorangegangenen Einbruch ausbügeln. Vor allem das China-Geschäft, das nicht mehr so stark unter Corona-Lockdowns litt, kurbelte die Verkaufszahlen an.

Mercedes-Benz profitiert zudem weiter von einer Sondersituation: Da durch die Chipkrise Angebotsmangel herrscht, können die Schwaben höhere Preise erzielen und konzentrieren sich bei den Aufträgen vor allem auf teure, hochprofitable Spitzenmodelle wie die S-Klasse. Konzernchef Ola Källenius trimmt die Marke außerdem auf Luxus und setzt auf Klasse statt Masse. Das Unternehmen erreiche jetzt schon bei einem Absatz von ein bis anderthalb Millionen Fahrzeugen die Gewinnschwelle im Vergleich zu zwei Millionen vor der Corona-Krise, sagte Wilhelm.

Keine Absenkung der Preise im Blick

Das Unternehmen will seine höheren Neuwagenpreise dabei selbst bei schwächerer Nachfrage im kommenden Jahr verteidigen. "Wir haben keine Absicht, die Listenpreise zu senken und keine Absicht, die Anreize zu verstärken", sagte Finanzchef Wilhelm. Selbst bei der absehbaren Rezession in Europa wolle die Marke mit dem Stern "definitiv versuchen, die Margen zu schützen" statt mehr Neuwagen mit höheren Rabatten in den Markt zu drücken. Stand jetzt sei die Nachfrage aber weltweit gut, ergänzte Wilhelm.

Das dritte Quartal lief nach Einschätzung von Analysten noch gut, auch für das laufende Schlussquartal herrscht also noch Optimismus. Doch die Skepsis über die Aussichten für 2023 wächst angesichts der Energiekrise in Europa durch Russlands Krieg gegen die Ukraine, der hohen Inflation und steigender Zinsen sowie nur langsam nachlassender Störungen in Lieferketten, etwa bei der Chip-Versorgung. Massenhersteller wie Volkswagen und Stellantis rechnen mit sinkenden Absatzzahlen im kommenden Jahr. Und auch Audi-Chef Markus Duesmann sieht erste Zeichen für einen Rückgang der Bestellungen in Europa.

Die guten Quartalsbilanzen des zweiten Halbjahrs 2022 sollten sich die Autobauer an die Wand hängen, riet Autoanalyst Patrick Hummel von der Schweizer Bank UBS. Im nächsten Jahr müssten sie die Preise senken, der Gewinn könnte einbrechen.