Der Chef der IAEA, Rafael Grossi, äußert sich Ende August in Kiew vor der Presse, bevor er mit einer Delegation zum AKW Saporischschja aufbricht.
Liveblog

Ukraine-Krieg und die Folgen ++ Neuer Anlauf für AKW-Schutzzone ++

Stand: 01.10.2022 23:25 Uhr

IAEA-Chef Grossi startet neuen Versuch für eine Schutzzone rund um das AKW Saporischschja. Verteidigungsministerin Lambrecht sichert der Ukraine die rasche Lieferung eines modernen Flugabwehrsystems zu. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

01.10.2022 • 23:25 Uhr

Ende des Liveblogs

Damit schließen wir diesen Liveblog. Vielen Dank für Ihr Interesse.

IAEA-Chef Rafael Grossi will in der nächsten Woche Moskau und Kiew besuchen. Dort wolle er Gespräche über die Einrichtung einer Schutzzone rund um das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk (AKW) Saporischschja im Südosten der Ukraine führen, teilt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit.

Grossi und die Ukraine dringen auf eine Schutzzone um das größte AKW Europas, das immer wieder unter Beschuss gerät. Der staatliche russische Atomkonzern Rosatom, der das Kraftwerk gemeinsam mit russischen Einheiten kontrolliert, ist nach Angaben seines Managements bereit, über technische Aspekte einer Schutzzone zu reden.

Im Interview mit den tagesthemen hat Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht bekräftigt, es seien jetzt Waffen gefragt, die geeignet zur Luftverteidigung seien. Sie habe live erlebt, "wie mit Drohnen die Bevölkerung gequält wird", so die Ministerin in dem am Abend in einer Schalte aus der Ukraine aufgezeichneten Interview.

Zur Frage der Panzerlieferungen bekräftigte Lambrecht die deutsche Linie, nach der es keine deutschen Alleingänge geben wird. "Nach den Eindrücken, die ich heute gewonnen habe, steht jetzt die Luftverteidigung im Vordergrund sowie die Artillerie."

Zu Putins Drohungen mit Atomwaffen sagte die Ministerin, diese müsse man ernst nehmen "und ich rate jedem, das nicht zu bagatellisieren". Aber es dürfe auch nicht dazu führen, "das wir uns lähmen lassen". Über den Antrag der Ukraine auf Aufnahme in die NATO erklärte Lambrecht, man sei sich in Brüssel einig, die NATO werde keine Kriegspartei werden und das werde auch in Zukunft so bleiben.

"Diese Drohungen dürfen uns nicht dazu veranlassen, uns lähmen zu lassen", Christine Lambrecht, SPD, Bundesverteidigungsministerin, zur Unterstützung der Ukraine

Tagesthemen 23:15 Uhr

In den vergangenen Tagen sind weniger russische Staatsbürger in den Nachbarländern angekommen. Die Behörden in Kasachstan, Georgien und Finnland teilten mit, der Zustrom, der mit der Teilmobilmachung des russischen Militärs vor knapp zwei Wochen begann, sei zum Ende der Woche zurückgegangen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am 21. September angekündigt, Reservisten für den Einsatz in der Ukraine einzuberufen. Kurz darauf begann ein Massenexodus russischer Männer: Flugtickets waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft, an den russischen Grenzen bildeten sich lange Autoschlangen. In Russland ist die große Mehrheit der Männer unter 65 Jahren als Reservisten registriert.

01.10.2022 • 20:52 Uhr

Selenskyj: Weiter Kämpfe in Lyman

Nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gibt es Lyman noch weiter Kämpfe. Und dass, obwohl Russland einen Rückzug bestätigt hat. Es ist aber unklar, wie viele russische Soldaten sich noch in der strategisch wichtigen Stadt aufhalten.

Auch wenn die ukrainische Flagge bereits in Lyman sei, gebe es weitere Gefechte, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht ist zum ersten Mal seit Kriegsbeginn in die Ukraine gereist. In der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer wurde sie von ihrem ukrainischen Amtskollegen Olexij Resnikow empfangen. Lambrecht sagte die Lieferung einer ersten Einheit des bereits versprochenen bodengestützten Luftabwehrsystems Iris-T SLM innerhalb weniger Tage zu. Selbst die Bundeswehr verfügt noch nicht über das hochmoderne System.

Kurz vor dem zunächst aus Sicherheitsgründen geheim gehaltenen Besuch schlugen in Odessa nach ukrainischen Angaben in einem Industriegebiet zwei russische Iskanderraketen ein. Verletzt wurde niemand. Am Nachmittag musste Lambrecht selbst wegen eines Luftalarms zeitweise in einen Bunker.

Russland hat die Gaslieferungen in die zwischen Rumänien und der Ukraine liegende ehemalige Sowjetrepublik Moldau gedrosselt. Der russische Energiekonzern Gazprom machte für die Absenkung die Ukraine verantwortlich, die sich weigere, "russisches Gas über die Verteilerstation 'Sochranowka' zu leiten". Nach Gazprom-Angaben liegt die tägliche Liefermenge nun bei 5,7 Millionen Kubikmeter. Die einen EU-Beitritt anstrebende Republik Moldau hat 8,06 Millionen Kubikmeter täglich geordert.

Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, sieht in der Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt Lyman im Oblast Donezk die ukrainischen Truppen weiter auf dem Vormarsch. Dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (RND) sagt er: "Die Befreiung von Lyman ist - nach der erfolgreichen Charkiw-Gegenoffensive - ein weiterer Beleg dafür, dass die Ukraine diesen Krieg militärisch gewinnen wird.

Russland hat keine Chance, die besetzten Gebiete unter seiner Kontrolle auf Dauer zu halten." Melnyk appellierte zudem an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesregierung, "die Ukraine endlich mit allen verfügbaren schweren Waffen auszustatten, vor allem die Blockade für Leopard-Lieferungen aufzugeben". Er sagt dem RND: "Es wäre jetzt ein fataler Fehler, sollte die Bundesregierung wegen Atomwaffen-Drohungen Putins, in Schockstarre zu verfallen."

Zahlreiche Menschen haben in Berlin gegen die Politik der Bundesregierung angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine demonstriert. Teilnehmer von mehreren Demonstrationen forderten unter anderem Friedensverhandlungen und ein Ende der Sanktionen gegen Russland.

Sie wandten sich zudem gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Eine weitere Forderung war die rasche Reparatur der mutmaßlich durch Sabotage beschädigten Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2, damit Deutschland wieder mehr Gas aus Russland beziehen könne und gut durch den Winter komme.

Auf Plakaten wurde vor einem dritten Weltkrieg gewarnt. Bei einer Kundgebung am Alexanderplatz forderte ein Redner: "Holen wir unser Vaterland zurück". Auf einem Plakat hieß es dort mit Blick auf Bundesaußenministerin Annalena Baerbock: "Baerbock muss weg".

Zu der Veranstaltung am Alexanderplatz unter dem Motto «Schluss mit den Sanktionen - Handwerker für den Frieden», zu der sich laut Polizei bei nasskaltem Wetter bis zu 800 Menschen versammelten, hatten rechtsgerichtete Gruppen aufgerufen. Laut Polizei wurde eine Person wegen Widerstands und tätlichen Angriffs gegen Polizeibeamte vorläufig festgenommen.

Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, ruft dazu auf, den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine zu prüfen. Kadyrow kritisiert auf Telegram die russischen Kommandeure für den Abzug aus Lyman.

Kadyrow, der lange als loyaler Partner des russischen Präsidenten Putin galt, schreibt weiter: "Meiner persönlichen Meinung nach sollten drastischere Maßnahmen ergriffen werden, bis hin zur Verhängung des Kriegsrechts in den Grenzregionen und dem Einsatz von Atomwaffen mit geringer Sprengkraft." Er prangerte zudem die "Vetternwirtschaft" in der russischen Armee an. Diese werde "zu nichts Gutem führen", erklärte Kadyrow.

Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim soll ein Flugzeug verunglückt sein. "Der Information der Rettungskräfte nach ist ein Flugzeug über die Landebahn hinausgeschossen und in Brand geraten", schrieb der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Stadt Sewastopol, Michail Raswoschajew, im Nachrichtendienst Telegram. Die Feuerwehr sei im Einsatz.

Kurz zuvor waren in sozialen Netzwerken Videos von einer großen schwarzen Rauchsäule veröffentlicht worden. Der Militärflughafen Belbek bei Sewastopol gilt als einer der wichtigsten für die russische Armee. Russland hat die Krim 2014 annektiert.

Aus der beschädigten Gaspipeline Nord Stream 2 in der Ostsee tritt kein Erdgas mehr aus. Der Druck in der Leitung sei mittlerweile auf das gleiche Niveau wie der Wasserdruck gefallen, sagte Ulrich Lissek, Sprecher der Betreiberfirma der Nachrichtenagentur AFP. "Der Wasserdruck hat also die Rohrleitung mehr oder weniger verschlossen, so dass das Gas im Inneren nicht entweichen kann."

An den von Russland nach Deutschland führenden Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 waren in dieser Woche vier Lecks in den Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens entdeckt worden. Die Leitungen sind zwar nicht in Betrieb, aber aus technischen Gründen mit Gas gefüllt.

Einem dänisch-schwedischen Bericht für den UN-Sicherheitsrat zufolge wurden die Lecks von Unterwasser-Explosionen mit einer Sprengkraft wie "hunderte Kilo" Sprengstoff verursacht. Viele westeuropäische Regierung vermuten russische Sabotage, der Kreml bestreitet das.

In sozialen Netzwerken wie Twitter mehren sich Videos und Fotos einer großen Rauchsäule über Teilen der Krim. Nach Angaben von Open-Source-Experten wie Eliot Higgins von Bellingcat soll es auf dem Flughafen von Sewastopol eine Explosion gegeben haben. Offizielle russische Angaben gibt es noch nicht.

In Sewastopol ist ein Großteil der russischen Schwarzmeerflotte stationiert.

01.10.2022 • 17:16 Uhr

Gefangenenaustausch gefordert

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben Angehörige, Freunde und Unterstützer die schnelle Freilassung ukrainischer Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft gefordert. Die Demonstranten wollen so auch verhindern, dass der Gefangenenaustausch von der Prioritätenliste der Regierung rutscht.

Menschen demonstrieren in Kiew für die schnelle Freilassung ukrainischer Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft.

Menschen demonstrieren in Kiew für die schnelle Freilassung ukrainischer Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft.

Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beantragten Schweden und Finnland die NATO-Mitgliedschaft. Vor allem die Türkei meldete Vorbehalte an.

Er werde der Aufnahme der beiden nordeuropäischen Staaten erst zustimmen, wenn sie "ihre Versprechen einhalten", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Parlament. Sein Land beobachte die Bemühungen Schwedens und Finnlands, ihre Zusagen zu erfüllen. In der Frage der Terrorismusbekämpfung könne die Türkei keine Zugeständnisse machen, sagte Erdogan weiter. Details nannte er nicht.

Alle 30 NATO-Mitgliedsstaaten müssen der Erweiterung zustimmen. Bisher haben 28 dies getan, die Türkei und Ungarn nicht.

01.10.2022 • 16:46 Uhr

Dänische Kraftwerke laufen länger

Dänemark verschiebt die endgültige Abschaltung dreier Kraftwerke bis in den Sommer 2024. Dies sei eine Maßnahme, um die Energiesicherheit in den kommenden beiden Wintern abzusichern, teilte das Klima- und Energieministerium in Kopenhagen mit.

Die Kraftwerke werden mit Gas, Öl und Kohle beziehungsweise Biomasse betrieben und sollen als Reserve zur Verfügung stehen, falls der ansonsten zur Verfügung stehende Strom im Winter nicht ausreicht. Zwei der Kraftwerke wurden nach Angaben des Senders DR bereits vom Netz genommen, beim dritten sollte dies ursprünglich im nächsten Frühjahr passieren.

01.10.2022 • 16:21 Uhr

Lyman: Kämpfe oder Rückzug?

Es gibt widersprüchliche Angaben zur militärischen Situation in Lyman. Das ukrainische Verteidigungsministerium berichtet von Kämpfen in der ostukrainischen Ortschaft, durch die wichtige Eisenbahnverbindungen verlaufen. Lyman sei von ukrainischen Einheiten eingekesselt, mehrere tausend russische Soldaten säßen dort fest.

Dagegen meldet das russische Verteidigungsministerium, dass alle russischen Soldaten sich aus Lyman zurückgezogen hätten. Dies sei geschehen, nachdem man die Bedrohung einer Einkesselung erkannt habe, zitierten die staatlichen Nachrichtenagenturen TASS und RIA das Ministerium.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der russische Energiekonzern Gazprom hat die Aussetzung der Erdgaslieferungen nach Italien bestätigt. Der Transit durch Österreich sei nicht mehr möglich, weil sich in Österreich Regularien geändert hätten. Man arbeite daran, das Problem zusammen mit Italien zu lösen. Nähere Angaben machte der Konzern nicht.

In den vergangenen Monaten hatte Gazprom wiederholt einzelne Staaten nicht mehr mit Gas beliefert. Im Falle Deutschlands wurde dies unter anderem mit Problemen durch eine fehlende Gasturbine begründet. Die Bundesregierung widersprach dieser Darstellung.

Frankreich könnte einer Zeitung zufolge der Ukraine zwischen sechs und zwölf weitere Haubitzen des Typs "Caesar" liefern. Diese seien ursprünglich für Dänemark bestimmt gewesen, berichtet die Zeitung "Le Monde". Die drei Staaten hätten sich grundsätzlich auf die geänderte Lieferung verständigt, die Gespräche seien jedoch nicht abgeschlossen.

Weder das Verteidigungsministerium noch das Präsidialamt in Paris kommentierten den Bericht. Frankreich hat der Ukraine bereits 18 der Haubitzen geliefert, die von dem französischen Konzern Nexter stammen. Die Geschütze sind auf Lkw-Chassis montiert - das macht sie in flachem Gelände und auf Straßen hochmobil. Gegen schweren feindlichen Beschuss sind die Fahrzeuge aber kaum geschützt.

Die russischen Behörden geben nach Darstellung der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) an, den vermissten Leiter des besetzten Kernkraftwerkes Saporischschja, Ihor Muraschow, für Befragungen vorübergehend festgenommen zu haben. Ein Sprecher des IAEA macht dazu zunächst keine weiteren Angaben.

Russland hat nach Auskunft des italienischen Versorgers Eni seine Gaslieferungen an das Mittelmeerland vorerst eingestellt. Der russische Konzern Gazprom habe mitgeteilt, dass er kein Gas mehr durch Österreich liefern könne, teilte Eni mit. Das russische Gas kommt normalerweise an dem italienisch-österreichischen Grenzort Tarvisio in Italien an und wird von dort verteilt.

Ein Eni-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Ansa, dass Gazprom mitgeteilt habe, nicht mehr nach Österreich liefern zu können. Allerdings erhalte die Alpenrepublik nach Auskünften von Eni weiterhin russisches Gas, sagte der Sprecher weiter. Italien hatte bis zum Ausbruch des Krieges in der Ukraine rund 40 Prozent seines Gases aus Russland erhalten.

Dann schlossen die Regierung in Rom und der teilstaatliche Konzern Eni mit etlichen anderen Ländern - etwa Algerien - Abkommen ab, um die Abhängigkeit von Moskau zu minimieren. In den vergangenen Monaten hieß es, Italien bekomme nur noch rund 25 Prozent seines Gases aus Russland. In den vergangenen Tagen waren die Liefermengen stark zurückgegangen.

Beim Beschuss eines Evakuierungskonvois im Nordosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben 24 Zivilisten getötet worden. Laut der Charkiwer Staatsanwaltschaft ereignete sich der Angriff auf sieben Fahrzeuge bereits am 25. September. Der Gouverneur der Region Charkiw, Oleh Synjehubow, nannte die Attacke auf Menschen, die versuchten, aus der Region zu flüchten, um dem Beschuss zu entgehen, eine "Grausamkeit, die nicht gerechtfertigt werden kann." Der Konvoi sei im Rajon Kupjansk getroffen worden.

Russische Streitkräfte hatten sich nach einer erfolgreichen Gegenoffensive des ukrainischen Militärs im September aus weiten Teilen der Region Charkiw zurückgezogen. Sie beschossen das Gebiet allerdings weiter. Das Bombardement nahm zuletzt drastisch zu, als Moskau nach Scheinreferenden über einen Beitritt zu Russland die Annexion von vier ukrainischen Regionen vorantrieb, die sich im Osten und Süden der Ukraine ganz oder teilweise unter russischer Kontrolle befinden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die ukrainischen Truppen haben in der strategisch wichtigen Stadt Lyman im Gebiet Donezk nach eigenen Angaben etwa 5000 russische Soldaten eingekesselt. Das sei der Stand am Samstagmorgen, teilte der ukrainische Verwaltungschef für Luhansk, Serhij Hajdaj, mit. "Die Okkupanten haben ihre Führung gebeten, nach Möglichkeit herauszukommen, woraufhin sie eine Abfuhr erhielten", sagte er. "Sie haben jetzt drei Handlungsmöglichkeiten: Entweder können sie versuchen auszubrechen oder sie ergeben sich. Oder sie sterben alle zusammen. Da sind von ihnen etwa 5000, eine genaue Zahl gibt es nicht."

Eine solche Zahl an eingekesselten Russen habe es überhaupt noch nicht gegeben in dem Krieg, sagte Hajdaj. Es seien fast alle Zugänge blockiert. Westliche Militärexperten gehen davon aus, dass Lyman in den nächsten Tagen komplett befreit wird. Im Netz kursieren bereits Videos, auf denen ukrainische Soldaten die Nationalflagge mutmaßlich am Rande der Ortschaft hissen.

Russland hatte Lyman, wo vor Kriegsausbruch 20.000 Menschen lebten, im Mai eingenommen. Seitdem hat Russland sie zu einem militärischen Logistik- und Transportzentrum ausgebaut. Sollte Lyman wieder an die Ukraine fallen, wäre dies ein Rückschlag für die Versorgung für Donezk, das zusammen mit Luhansk den Donbass bildet.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Wegen eines Mangels an Soldaten ist Russland nach Angaben des ukrainischen Militärs in seinem Krieg in der Ukraine zum Einsatz von nicht fertig ausgebildeten Kadetten gezwungen. Der ukrainische Generalstab teilte mit, Kadetten der Militärschule in Tjumen im Westen Sibiriens und der Luftwaffen-Schule Rjasan in der gleichnamigen Oblast würden im Rahmen der vom Kreml ausgerufenen Teilmobilmachung eingesetzt. Der Generalstab machte keine Angaben dazu, wie er in den Besitz der Informationen gelangt sei. In der Vergangenheit hat Kiew unter anderem Handygespräche von russischen Soldaten aufgezeichnet. Zehntausende Männer sind aus Russland geflüchtet, um einer möglichen Einberufung zu entgehen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste wurde bei einem Angriff auf einen Konvoi südöstlich der Stadt Saporischschja am Freitag mutmaßlich eine russische Luftabwehrrakete mit großer Reichweite eingesetzt.

Die russische Armee setze in der Ukraine mittlerweile vermehrt Flugabwehrraketen ein, die eigentlich für den Abschuss von Flugzeugen oder Raketen entwickelt wurden. Der Geheimdienst wertet dies als Zeichen russischer Munitionsengpässe.

Moskau setze mutmaßlich nun auch solche Waffen ein, um sich taktische Vorteile zu verschaffen und nehme dabei hin, dass Zivilisten getötet würden, die nach der völkerrechtswidrigen Annexion mehrerer ukrainischer Gebiete als eigene Bürger Russlands gelten müssten.

Die Weltbank kündigt weitere Hilfen im Volumen von 530 Millionen Dollar für die Ukraine an. Damit steige die Gesamtsumme der bereitgestellten Hilfen auf 13 Milliarden Dollar an. Davon seien elf Milliarden Dollar bereits abgerufen worden. Neben der Weltbank wird die Ukraine auch von anderen internationalen Institutionen unterstützt.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat angesichts der russischen Drohungen zum Einsatz von Atomwaffen vor einer Lähmung des Westens gewarnt und zur weiteren Unterstützung der Ukraine aufgerufen. Die Drohungen würden von der Bundesregierung ernst genommen und sehr besorgt beobachtet, sagte die SPD-Politikerin in Chisinau in Moldau nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Anatolie Nosatii. "Da gilt es, sehr aufmerksam zu sein. Aber da gilt es auch, sich von solchen Drohungen nicht lähmen zu lassen", warnte Lambrecht.

Mit Blick auf die Ankündigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, nach der Annexion von vier Gebieten seines Landes durch Russland einen beschleunigten Beitritt zur NATO zu beantragen, äußerte sich Lambrecht zurückhaltend. Die Ukraine sei selbstverständlich frei darin, das Bündnis zu wählen, in dem sie sich gut aufgehoben fühle. Ein NATO-Beitritt sei aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Die Frage werde nun im Kreis der 30 NATO-Staaten beraten.

Die baltischen EU- und NATO-Staaten Estland, Lettland und Litauen befürworten ein beschleunigtes Verfahren für den NATO-Beitritt der Ukraine. "Die baltischen Freunde der Ukraine unterstützen voll und ganz die Aufnahme der Ukraine in die NATO so bald wie möglich", schrieben die Außenminister Urmas Reinsalu (Estland), Edgars Rinkevics (Lettland) und Gabrielius Landsbergis (Litauen) wortgleich auf Twitter. "Der inspirierende Mut der Ukraine kann unser Bündnis nur stärken."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor nach der formellen Annexion von vier ukrainischen Regionen durch Russland angekündigt, einen beschleunigten Beitritt zur NATO zu beantragen. Die Bundesregierung und die USA hatten sich dazu zurückhaltend geäußert. Die baltischen Staaten gelten international als Fürsprecher der von Russland angegriffenen Ukraine. Allgemein gilt als Voraussetzung für einen NATO-Beitritt, dass der Kandidat nicht in internationale Konflikte und Grenzstreitigkeiten verwickelt sein darf. Alle Mitgliedsstaaten müssen der Aufnahme eines neuen Staates zustimmen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat "erhebliche Erfolge" der ukrainischen Gegenoffensive im Osten des Landes vermeldet. "Jeder hat gehört, was in Lyman, in der Region Donezk, passiert", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft, mit Verweis auf die Fortschritte bei der Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt, die seit dem Frühjahr von Moskaus Truppen besetzt ist. 

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

"Wir müssen unser gesamtes Land befreien und das wird der beste Beweis dafür sein, dass internationales Recht und menschliche Werte nicht von einem terroristischen Staat zerstört werden können", sagte er weiter.  Zwar werde der Weg der Ukraine "schwierig" werden. Doch es sei der Weg von "Unabhängigkeit, territorialer Integrität, Integration in die zivilisierte Welt und sozialer Entwicklung", sagte der ukrainische Präsident. Der Weg "unseres Feindes" sei ebenfalls klar, so Selenskyj: "Niederlage, Schande und Verurteilung".

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der Chef des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja, Ihor Muraschow, ist nach ukrainischen Angaben von Moskauer Truppen entführt worden. Das teilte der Präsident der Betreibergesellschaft Enerhoatom, Petro Kotin, mit. Der Generaldirektor des größten europäischen Kernkraftwerks wurde demnach am Vortag von einer russischen Patrouille am AKW-Standort Enerhodar auf der Straße gestoppt, aus dem Auto gezerrt und mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort gebracht. Eine Erklärung von russischer Seite gab es zunächst nicht. Russland hält das AKW seit Anfang März besetzt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

"Es gibt keine Erkenntnisse zu seinem Schicksal", teilte Kotin im Nachrichtenkanal Telegram mit. Er warf Russland atomaren Terrorismus gegen das Management und gegen die Mitarbeiter des Kraftwerks vor. Muraschow, der die Hauptverantwortung für das sichere Funktionieren und die nukleare Sicherheit der Anlage trage, müsse sofort freigelassen werden. Kotin forderte auch den Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Rafael Grossi, auf, sich für Muraschows Freilassung einzusetzen.

Die IAEA setzt sich für rasche weitere Gespräche über eine Waffenstillstandszone um das AKW ein. Der staatliche russische Atomkonzern Rosatom, der das Kraftwerk gemeinsam mit russischen Einheiten kontrolliert, ist nach Angaben seines Managements bereit, über technische Aspekte einer Schutzzone zu reden.

Russland hat mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat erwartungsgemäß eine Resolution zur Verurteilung seiner Annexion von vier ukrainischen Regionen verhindert. Der Entwurf stufte die "Referenden" in der Ukraine als "illegal" ein.

Russland verhindert Resolution im UN-Sicherheit zur Verurteilung der Annexion ukrainischer Regionen

Marion Schmickler, ARD New York, tagesschau24 09:00 Uhr

Mit einem großen Konzert zelebrierte der Kreml auf dem Roten Platz den Anschluss der vier ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Dies sei ein "unumkehrbarer Schritt", ließ Präsident Putin wissen.

Der außenpolitische Berater von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mykhailo Podolyak, warnt vor dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine. "Angesichts der inneren Panik in der Russischen Föderation und der zunehmenden militärischen Niederlagen steigt das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen", sagt Podolyak der "Bild"-Zeitung.

Auch der scheidende Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, sieht diese Gefahr. "Gerade jetzt sollte Deutschland - im Schulterschluss mit allem westlichen Verbündeten - endlich präventiv agieren und dem Kreml-Tyrannen ein klipp und klares Ultimatum setzen", sagt er der Zeitung. Es sei noch nicht zu spät, dieses katastrophale Szenario zu verhindern.

Zum Abschluss einer UNESCO-Konferenz in Mexiko-Stadt haben die Vertreter von 48 Ländern gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine protestiert. Dutzende Delegierte verließen vorübergehend den Saal, als der russische Vertreter sich zu Wort meldete.

An der dreitägigen Konferenz Mondiacult der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur nahmen Vertreter aus rund 120 Staaten teil. In einer gemeinsamen Erklärung riefen zunächst die Delegierten der Europäischen Union, Kanadas, der USA, Japans und anderer Staaten Russland dazu auf, sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Sie prangerten auch die Beschädigung und Plünderung von Kulturstätten in der Ukraine an. Solche Aussagen seien inakzeptabel, erwiderte der russische Vertreter, Sergej Obrywalin.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 01. Oktober 2022 um 17:00 Uhr.