Teil einer mutmaßlich ukrainischen Rakete in Belarus
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Krieg gegen die Ukraine ++ Kiew will Raketeneinschlag in Belarus mituntersuchen ++

Stand: 29.12.2022 21:42 Uhr

Nach dem Fund einer Rakete auf belarusischem Staatsgebiet bietet die Ukraine ihre Mitarbeit bei Untersuchungen an. Kiew hat der ukrainisch-orthodoxen Kirche ihre Hauptkathedrale entzogen. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Nach dem Fund einer Rakete auf dem Staatsgebiet von Belarus hat das ukrainische Verteidigungsministerium seine Mitarbeit an den Untersuchungen des Vorfalls angeboten. In einer Erklärung des Ministeriums heißt es, dass die Behörde zu einer "objektiven Untersuchung des Vorfalls" bereit sei. Staatsmedien in der belarussischen Hauptstadt Minsk hatten berichtet, dass eine vom Flugabwehrsystem S-300 abgeschossene Rakete am Vormittag auf belarussisches Staatsgebiet gefallen sei.

Das Verteidigungsministerium in Kiew wies darauf hin, dass die Ukraine heute von einer Welle russischer Marschflugkörper angegriffen worden sei. "Daher ist auch eine Provokation von Seiten des Terroristenstaats Russland nicht auszuschließen, der eine Flugroute seiner Marschflugkörper so ausgewählt hat, um ihren Abschuss im Luftraum über Belarus zu provozieren", hieß es. Das wäre ein ähnlicher Vorfall wie im November, als polnisches Gebiet getroffen wurde.

Der belarussische Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko war über den Vorfall informiert worden. Kurz darauf wurde der ukrainische Botschafter in Minsk ins Außenministerium zitiert, wo ihm eine Protestnote wegen des Zwischenfalls überreicht wurde, Belarus ist nicht direkt an Kampfhandlungen in der Ukraine beteiligt. Allerdings hat Lukaschenko russischen Truppen die Militärbasen in dem Land für Angriffe auf die Ukraine überlassen. In der Ukraine sind die Sorgen groß, dass Russland von Belarus aus einen neuen Angriff starten könnte. Ein solcher Fund einer Rakete könnte von Belarus und Russland als Vorwand genutzt werden, um von dort aus wieder aktiv zu werden.

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigener Darstellung russische Stützpunkte in der Umgebung der Industrie- und Hafenstadt Berdjansk im Südosten des Landes angegriffen. Dabei seien rund 50 russische Soldaten "liquidiert" worden, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Die Militärs in Kiew machten keine Angaben dazu, mit welchen Waffensystemen Berdjansk angegriffen wurde. Die Stadt am Asowschen Meer liegt knapp 100 Kilometer hinter den aktuellen Frontlinien.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland ist nach Angaben der russischen Führung bereit, die Nutzung der Pipeline "Druschba" für die Durchleitung kasachischen Öls nach Deutschland zu erlauben. Russland sei bereit, einem solchen Antrag zuzustimmen, erklärte Energieminister Alexander Nowak laut der Nachrichtenagentur Interfax.

Europa will wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seine Abhängigkeit von russischem Öl verringern. In dem Zusammenhang haben Deutschland und Polen ihren Verzicht auf russisches Pipeline-Öl ab Januar verkündet. Um die Versorgung weiter sicherzustellen, wurde unter anderem die Ex-Sowjetrepublik Kasachstan gebeten, ihre Öllieferungen zu erweitern.

Um Öl nach Europa zu transportieren, muss das Land entweder auf die russische Pipeline-Infrastruktur zurückgreifen oder auf dem Seeweg über das Kaspische Meer den Rohstoff nach Aserbaidschan bringen, wo er über Pipelines in die Türkei oder an die Schwarzmeerküste von Georgien weitergepumpt werden kann.

In Russland wird die Strafe für Sabotageakte und Unterwanderung der sozialen Ordnung auf bis zu lebenslange Haft verschärft. Kremlchef Wladimir Putin hat die entsprechenden Änderungen heute unterzeichnet, wie aus der Veröffentlichung auf dem offiziellen Gesetzesportal hervorgeht. Bestraft werden können demnach nicht nur Sabotageakte selbst, sondern auch die Finanzierung, das Werben und die Vorbereitung von Staatsstreichen und anderen "subversiven Handlungen".

Die Gesetzesverschärfung erfolgt vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Nach Kriegsausbruch ist es zu einer Reihe von Anschlägen gegen Kreiswehrersatzämter und Infrastruktur in Russland gekommen. Speziell nach der von Putin ausgerufenen Mobilmachung hat sich die Welle der Anschläge verstärkt. Insgesamt wurden allein bis November Angriffe auf mehr als 75 öffentliche Gebäude registriert, davon mehr als 50 Militärkommissariate.

Bürgerrechtler beklagen, dass die schwammige Formulierung und die unterschiedliche Auslegung von Gesetzen dem Staat einen großen Spielraum für die Verfolgung der Opposition und Andersdenkender bietet. Bereits in den vergangenen Monaten wurden viele Kriegskritiker unter dem Vorwand der "Diskreditierung der russischen Armee" zu langen Haftstrafen verurteilt.

Die ukrainische Regierung entzieht der ukrainisch-orthodoxen Kirche ihre bedeutendste Kathedrale in Kiew auf unbestimmte Zeit. Auf Initiative des Kulturministeriums untersagte die staatliche Behörde, die einen großen Teil des weltbekannten Kiewer Höhlenklosters an die Kirche verpachtet, in der dortigen Mariä-Entschlafens-Kathedrale ab 31. Dezember, 21.00 Uhr, das Feiern von Gottesdiensten.

Der Behördenchef teilte dem Abt des Klosters, Metropolit Pawlo, weiter mit, man werde den zum Jahresende auslaufenden Pachtvertrag für die Kathedrale und eine weitere Kirche des Klosters nicht verlängern, weil ab Anfang Januar eine Regierungskommission über die künftige Nutzung des 23 Hektar großen Areals der Abtei mit mehr als 100 Gebäuden berate.

In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die erst 2018 gegründete orthodoxe Kirche der Ukraine und plant auf Weisung von Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj ein Gesetz, das den Weg frei machen soll für ein mögliches Verbot der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Letztere unterstand bis Ende Mai dem Moskauer Patriarchen Kyrill I., der ein Anhänger des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist.

Der ukrainische Geheimdienst hatte bereits Ende November zur "Spionageabwehr" Klöster der ukrainisch-orthodoxen Kirche durchsucht, unter anderem auch das Höhlenkloster. Zudem hatte der nationale Sicherheitsrat beschlossen, das Vermögen von Abt Pawlo und weiteren Bischöfe der Kirche einzufrieren.

29.12.2022 • 14:47 Uhr

Putin weiht neues Atom-U-Boot ein

Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Donnerstag an einer Zeremonie zur Einweihung mehrerer neuer Kriegsschiffe teilgenommen. Putin, der per Videokonferenz teilnahm, kündigte die Produktion weiterer Schiffe an und rühmte die Fähigkeiten der russischen Marine. Unter den neuen Schiffen ist auch das Atom-U-Boot "Generalissimus Suworow", das ballistische Atomraketen abfeuern kann. 

Russland werde "den Bau von Schiffen verschiedener Typen beschleunigen und ausweiten und diese mit den modernsten Waffensystemen ausstatten", sagte der Kreml-Chef. "Kurz gesagt, es geht darum, alles zu tun, um die Sicherheit Russlands und unsere nationalen Interessen auf den Weltmeeren zu gewährleisten", fügte Putin hinzu.

Putin verfolgt die Modernisierung der russischen Streitkräfte als eine seiner Prioritäten. Die Streitkräfte wurden mit hochmodernen Raketen, darunter Hyperschallraketen, mit neuen Schiffen und vor allem mit Panzern ausgestattet. Die russische Armee gilt trotz der Modernisierung noch immer als teils unzureichend ausgerüstet und schlecht organisiert. Im Krieg gegen die Ukraine hat sie eine Reihe von Rückschlägen hinnehmen müssen. So wurde etwa die auf der von Moskau annektierten ukrainischen Halbinsel Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte gedemütigt, als ukrainische Streitkräfte im April deren Flaggschiff "Moskwa" versenkten.

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters angekündigt, noch vor dem Jahrestag der russischen Invasion am 24. Februar die Ukraine besuchen zu wollen. Sie erklärt, die Unterstützung der Ukraine sei eine Grundvoraussetzung zur Wahrung eines Gleichgewichts der Kräfte auf den Schlachtfeldern. Dadurch würden die Bedingungen für einen Frieden geschaffen.

Das ukrainische Militär ist nach eigenen Angaben bei der strategisch wichtigen Stadt Kreminna im Gebiet Luhansk vorgerückt. "Unsere Soldaten setzen ihre Angriffshandlungen im Gebiet der Stadt Kreminna fort. Im Laufe der Woche sind die Verteidiger der Ukraine bis zu 2,5 Kilometer in Richtung der genannten Ortschaft vorgedrungen", sagte General Olexij Hromow bei einem Briefing des Generalstabs.

Kreminna gilt als mögliches Einfallstor, um im Osten der Ukraine weiter vordringen zu können. Zuvor hatte die amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of the War (ISW) mitgeteilt, dass die russische Armee im Gebiet Luhansk Truppen sammle und sich für eine Entscheidungsschlacht rüste.

Auch der ukrainische Militärgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete in seinem Telegram-Kanal von einer russischen Truppenkonzentration und schweren Kämpfen vor Kreminna. Das russische Militär hatte Kreminna Mitte April nach schweren Kämpfen besetzt und von dort auch den weiteren Vormarsch auf den Ballungsraum zwischen Sjewjerodonezk und Lyssytschansk vorbereitet. Im Gegenzug könnte Kreminna nun den Ukrainern nach der Einnahme als Aufmarschgebiet für die Rückeroberung der beiden Großstädte dienen. Zudem ermöglicht die Eroberung von Kreminna den weiteren Vormarsch auf Starobilsk, einen Verkehrsknotenpunkt, über den die russische Armee im Nordosten der Ukraine ihre Einheiten versorgt.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Eine ukrainische Flugabwehrrakete ist belarusischen Angaben zufolge in Belarus eingeschlagen. Es gebe keine Informationen über Verletzte, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Belta. Das Verteidigungsministerium in Minsk untersuche, ob die Rakete von der belarusischen Flugabwehr abgeschossen worden sei oder ob es sich um einen Irrläufer handele.

Die Stadt Lwiw liegt im Westen der Ukraine, weit weg von der Front im Osten. Doch der Krieg hinterlässt auch hier seine Spuren, wie Marc Dugge in einer Reportage schildert.

In der ukrainischen Hafenstadt Odessa ist aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg das Denkmal für die deutschstämmige russische Zarin Katharina die Große abgerissen worden. Der stellvertretende Leiter des Präsidentenbüros in Kiew, Kyrylo Tymoschenko, begrüßte die Aktion und veröffentlichte in der Nacht zum Donnerstag Bilder vom Abriss in seinem Telegram-Kanal. Zu sehen war am Ende nur noch der leere Sockel auf dem zentralen Platz. Die Skulptur wurde auf einem Lastwagen abtransportiert.

Arbeiter demontieren das Denkmal der russischen Zarin Katharina II..

Die Entscheidung über die Demontage des Denkmals von der Gründerin der Hafenstadt wurde kürzlich von den Einwohnern Odessas per elektronischer Abstimmung getroffen.

Katharina II., genannt die Große, die als Sophie Auguste Frederike von Anhalt Zerbst geboren wurde, bestieg im 18. Jahrhundert den russischen Zarenthron. Sie wird in vielen Teilen Russlands bis heute verehrt, besonders in St. Petersburg. Unter ihrer Führung eroberten russische Truppen den Küstenstreifen am Schwarzen Meer für den Kreml. Auf ihre Anweisung hin wurde 1794 Odessa als Hafenstadt gegründet.

In Odessa gab es nach einer Petition von Bürgern einen offiziellen Beschluss über den Abriss des Denkmals. Die Demontage des Katharina-Denkmals kommentierte das lokale Internetportal "Dumska" mit den Worten "Tod den russischen Okkupanten".

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben 54 von 69 von Russland gestarteten Raketen und Marschflugkörpern abgeschossen. Das teilte der ranghöchste General Walery Saluschny auf Telegram mit. Russland habe Marschflugkörper aus der Luft und von See aus abgefeuert und mit landgestützten Raketen vom Typ S-300 wichtige Teile der Versorgungsinfrastruktur treffen wollen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der russische Präsident Wladimir Putin will morgen per Videokonferenz mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping sprechen. Bei dem Gespräch werde es um eine Reihe bilateraler und regionaler Fragen gehen, teilte der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow, mit.

Russland und China sind im Zuge des Ukraine-Kriegs enger zusammengerückt, was den Westen besorgt. China lehnt zudem die Sanktionen gegen Russland ab, hat allerdings zuletzt auf eine diplomatische Lösung des Konflikts gedrungen.

Die russische Führung hat die ukrainischen Bedingungen für Friedensverhandlungen abgelehnt. "Es versteht sich von selbst, dass wir zu diesen Bedingungen mit niemandem reden werden", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem auf der Homepage des Ministeriums veröffentlichten Interview. Russland werde weder die besetzten Gebiete aufgeben, noch Reparationszahlungen leisten oder sich vor internationalen Gerichten schuldig bekennen. Lawrow nannte die Führung in Kiew "verhandlungsunfähig".

Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine "Friedensformel" vorgestellt, die aus zehn Punkten besteht. Die wichtigsten darunter sind der vollständige Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Gebiet und Reparationszahlungen für die vom russischen Militär angerichteten Zerstörungen in der Ukraine.

Russland machte seinerseits deutlich, dass Voraussetzung für einen Friedensvertrag sei, dass Kiew die Annexionen der Schwarzmeer-Halbinsel Krim und der Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja anerkennen müsse. Kiew lehnt das kategorisch ab und hat eine Befreiung aller Gebiete angekündigt.

Nach den neuen russischen Raketenangriffen sind 40 Prozent der Verbraucher in der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko ohne Strom. Die Energieversorger hätten wegen des Luftalarms Sicherheitsvorkehrungen getroffen, sie arbeiteten nun daran, die Stromversorgung wieder herzustellen, teilte Klitschko mit. Die Wärme- und Wasserversorgung funktioniere normal.

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind laut Bürgermeister Vitali Klitschko bei russischen Raketenangriffen drei Menschen verletzt worden. "Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es drei Verletzte, darunter ein 14-jähriges Mädchen. Alle befinden sich im Krankenhaus", schrieb er im Onlinedienst Telegram. Klitschko warnte vor möglichen Stromausfällen und forderte die Einwohner auf, sich mit Trinkwasser einzudecken. 

Im Osten der Hauptstadt seien zwei Privathäuser durch Trümmer abgeschossener Raketen getroffen worden, erklärte die örtliche Militärverwaltung. Im Südwesten Kiews wurden demnach ein Industriebetrieb und ein Spielplatz beschädigt. Der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoshenko, teilte ein Foto, das eine Rakete zeigen soll, die in der Region Iwano-Frankiwsk in ein Haus eingeschlagen ist. "Wundersamerweise" sei sie nicht explodiert.

Auch aus Charkiw, der zweitgrößten ukrainischen Stadt im Osten des Landes, meldete Bürgermeister Igor Terechow eine "Reihe von Explosionen". Auch aus der westlichen Stadt Lwiw wurden Explosionen gemeldet. Laut Bürgermeister Andrii Sadowy waren 90 Prozent der Stadt ohne Strom. Der Gouverneur der Region Lwiw, Maksim Kosytski, erklärte, die Luftverteidigung sei im Einsatz, die Einwohner sollten sich in Schutzräume begeben.

Russische Raketen sind nach ukrainischen Angaben in mehreren Großstädten eingeschlagen. Es habe Explosionen in der Hauptstadt Kiew und im ostukrainischen Charkiw gegeben, berichteten die Bürgermeister der beiden Städte.

Der Bürgermeister von Charkiw, Ihor Terechow, erklärte, man untersuche was genau getroffen worden sei und ob es Opfer gebe. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko schrieb auf Telegram, dass es zu Stromausfällen in der Hauptstadt kommen könne.

Der mutmaßliche ukrainische Drohnenangriff auf einen russischen Militärflugplatz zeigt nach britischer Einschätzung die Verwundbarkeit der russischen Flugabwehr. Es werde immer deutlicher, dass Russland Schwierigkeiten habe, Angriffe tief im Landesinneren abzuwehren, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Das liege vermutlich daran, dass moderne Flugabwehrsysteme wie SA-22 Panzir derzeit rar seien.

"Neben der Verteidigung strategischer Standorte wie Engels werden diese Systeme derzeit in großer Zahl benötigt, um die Hauptquartiere nahe der Frontlinie in der Ukraine zu schützen", hieß es unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse. Bei der Drohnenattacke auf den Militärflugplatz Engels in Südrussland Hunderte Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt waren am 26. Dezember nach russischen Angaben drei Soldaten getötet worden.

Aus der Ukraine werden neue russische Raketenangriffe gemeldet. In mehreren Städten waren Explosionen zu hören, die nach Angaben der Behörden von Flugabwehrsystemen stammten, die anfliegende Raketen ins Visier nehmen würden. Präsidialamtsberater Olexij Arestowytsch teilte auf Facebook mit, dass die russischen Streitkräfte mehr als 100 Raketen in mehreren Angriffswellen abgefeuert hätten. Im ganzen Land gebe es Luftalarm.

ARD-Korrespondent Vassili Golod berichtete von Explosionen, die im Zentrum von Kiew zu hören waren. Örtlichen Medienberichten zufolge waren auch in den Großstädten Schytomyr und Odessa Explosionen zu hören. In den Regionen Odessa und Dnipropetrowsk wurden Stromabschaltungen angekündigt, um mögliche Schäden an der Energieinfrastruktur zu minimieren.

In der Nacht hatte es bereits Drohnenangriffe gegeben. Das ukrainische Militär teilte am Morgen mit, nach den nächtlichen Drohnenangriffen greife der Feind nun aus verschiedenen Richtungen mit von Bombern aus der Luft und von Kriegsschiffen abgeschossenen Raketen an. Es gebe eine "hohe Aktivität" der Besatzer, hieß es. Die Behörden forderten die Menschen auf, dringend Schutz zu suchen in Bunkern.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Ukrainische Behörden melden russischen Beschuss in der Nähe von Saporischschja. Zwei Dörfer seien angegriffen worden, so ein lokaler Beamter. Es habe keine Toten oder Verletzten gegeben.

Im Krieg gegen die Ukraine sieht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Russland auf dem Weg zur militärischen Niederlage. "Niemand hätte gedacht, dass das Jahr 2022 so endet", sagte der Grünen-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. "Putin verliert diesen Krieg auf dem Schlachtfeld", sagte er mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das liege daran, dass die ukrainische Armee Waffen von Europa, den NATO-Ländern und den USA bekomme und sie diese Waffen "geschickt und strategisch, klug und heldenhaft" einsetze.

"Ich bin dafür, dass Deutschland zusammen mit den Alliierten die Ukraine so unterstützt, dass sie diesen Krieg gewinnen kann", sagte Habeck, der sich schon vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für Waffenlieferungen an das Land eingesetzt hatte. "Es wird sicherlich immer wieder neue Systeme, weitere Unterstützung geben, aber sie müssen immer im Verbund mit den Alliierten abgesprochen werden." So sei man weit gekommen, die nächsten Schritte würden sicherlich weitere Erfolge für die Ukraine ermöglichen.

Unionsfraktionschef Friedrich Merz pocht auf die Lieferung moderner Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" an die Ukraine. "Eine Unterstützung der Ukraine mit Schützenpanzern und Kampfpanzern würde diesen Krieg nicht verlängern, sondern verkürzen", sagte der CDU-Vorsitzende in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Deutschland und andere europäische Länder hätten der Ukraine längst Schützenpanzer und auch Kampfpanzer westlicher Bauart liefern sollen."

Merz bezeichnete es als wichtiges Signal auch an Russland, dass US-Präsident Joe Biden dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche noch einmal seine Unterstützung zugesichert hat. Es sei gut, dass zumindest die Amerikaner entschlossen handelten und Abwehrraketen lieferten. Eine gemeinsame Aktion von den USA und der Europäischen Union bei verschiedenen Waffenlieferungen an die Ukraine "wäre sicher möglich gewesen", sagte Merz. "Es fehlt im Kanzleramt offenbar der politische Wille, in Europa Führung zu übernehmen."

Markus Sambale, Markus Sambale, ARD Berlin, 29.12.2022 05:50 Uhr

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, hofft auf eine Ausweitung der westlichen Unterstützung gegen die russische Aggression. Die Ukrainer wünschten sich für das kommende Jahr "mehr Mut und Entschlossenheit von unseren Alliierten und Partnern, damit wir gemeinsam alle unsere Vorhaben realisieren und den Frieden auf unseren Kontinent zurückholen", sagte Makeiev den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Als Ziele für 2023 nannte Makeiev "die komplette Befreiung unseres Landes von russischen Okkupanten, die Wiederherstellung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine, die Rückkehr unserer Landsleute nach Hause, der Wiederaufbau unseres Landes und weitere Fortschritte bei der Integration in EU und NATO".

Der Botschafter bekräftigte seine Forderung nach weiteren Waffenlieferungen. Angesichts der russischen Raketenangriffe auf die zivile Infrastruktur und des Artilleriebeschusses ukrainischer Städte müsse diese Hilfe "in den nächsten Monaten intensiviert und verstärkt werden, damit noch mehr Zivilisten in der Ukraine gerettet werden", sagte Makeiev. "Der Frieden fällt nicht vom Himmel. Er muss erkämpft werden. Und das machen wir Ukrainer stellvertretend für alle Europäer." Zur Frage einer Friedenslösung verwies er auf den Zehn-Punkte-Plan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Kinder und Jugendliche in der Ukraine leiden nach Angaben von UNICEF psychisch stark unter den Auswirkungen des Krieges in ihrem Land. "UNICEF schätzt, dass etwa 1,5 Millionen Kinder in der Ukraine ein sehr hohes Risiko haben, an Depressionen, an Angstzuständen und an posttraumatischen Belastungsstörungen zu erkranken“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, der Düsseldorfer "Rheinischen Post".

Dieser Ausnahmezustand richte in der Psyche der Kinder sehr großen Schaden an, sagte Schneider. "Mütter berichten, dass sie schon für Zweijährige psychologische Hilfe brauchen, weil sie nicht wissen, wie sie ihr Kind beruhigen können", schilderte der Geschäftsführer. Zur Linderung der Not habe UNICEF in der Ukraine insgesamt 140 Kinderzentren eingerichtet, in denen Jungen und Mädchen spielen können und nach Bedarf auch psychologische Betreuung bekommen.