Der ukrainische Präsident Selenskyj im Parlament in Kiew
Liveblog

Krieg gegen die Ukraine ++ "Niemand im Westen hat Angst vor Russland" ++

Stand: 28.12.2022 22:49 Uhr

Der ukrainische Widerstand gegen Russland hat laut Selenskyj Auswirkungen auf den Westen. Ein Friedensplan muss aus Kreml-Sicht die russischen Annexionen im Osten und Süden des Landes anerkennen. Die Entwicklungen im Liveblog.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in seiner täglichen Videoansprache an die Menschlichkeit und Gefühle seiner Mitbürger appelliert. "Egal, was passiert und was euch beschäftigt, unterstützt euch gegenseitig, unbedingt", bat Selenskyj er seine Zuhörer. "Bitte nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Nächsten freundliche Worte zu sagen." Er rief die Ukrainer auf, sich in Notlagen gegenseitig zu helfen.

Russische Militärs haben nach ukrainischen Angaben am Mittwochabend eine neue Angriffswelle mit sogenannten Kamikaze-Drohnen gegen die Ukraine gestartet. Die Drohnen seien gegen verschiedene Ziele im Süden und Osten des Landes gerichtet, teilte die Befehlsstelle der ukrainischen Luftabwehr Süd auf Facebook mit. In der Region Dnipro seien fünf Drohnen abgeschossen worden.

Der Einflug von Drohnen in mehreren Gruppen wurde auch aus der Region Donezk, Saporischschja und Charkiw gemeldet. Beobachter berichteten zudem Flüge in Richtung Odessa. Nach Berichten der Agentur Unian wurden zahlreiche unbemannte Fluggeräte abgeschossen. Nähere Angaben liegen bisher nicht vor. Zuletzt hatte das russische Militär die sogenannten Kamikaze-Drohnen aus iranischer Produktion gegen die energetische Infrastruktur der Ukraine eingesetzt. Dabei wurde die Versorgung mit Wasser und Strom landesweit schwer in Mitleidenschaft gezogen.

Der ukrainische Widerstand gegen Russland hat nach Darstellung von Präsident Wolodymyr Selenskyj Auswirkungen auf die ganze Welt. Im Laufe von zehn Monaten "haben wir allen geholfen", sagte er in einer Rede vor dem Parlament in Kiew laut der Nachrichtenagentur Reuters. Die Einigkeit der EU sei gestärkt worden. "Wir haben dem Westen geholfen, wieder zu sich zu finden, in die globale Arena zurückzukehren und zu merken, wie sehr sich der Westen durchsetzt", erklärte Selenskyj in einer jährlichen Rede, die er hinter verschlossenen Türen hält. "Niemand im Westen hat Angst vor Russland noch werden sie Angst haben."

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erwartet nach eigenem Bekunden eine baldige Unterbrechung der Nachschubwege für Waffen und Munition für die ukrainische Armee aus dem Ausland. "Wir beobachten, dass die Ukraine immer mehr und immer bessere westliche Waffen erhält", sagte Lawrow während eines Interviews im russischen Fernsehen der Nachrichtenagentur dpa zufolge. Daher gebe es unter Militärexperten Forderungen, diese Lieferwege zu unterbrechen. Dabei werde an "Eisenbahnstrecken, Brücken und Tunnel" gedacht, sagte Lawrow.

"Ich gehe davon aus, dass sie professionelle Entscheidungen darüber treffen, wie man diese Lieferungen erschwert oder im Idealfall ganz stoppt." Zum Teil werde ja schon mit Angriffen gegen die ukrainische Infrastruktur daran gearbeitet. Mit einer Unterbrechung des Energienetzes werde die Lieferung neuer Waffen bereits erschwert. "Und ich bin überzeugt, dass es noch andere Pläne gibt, die in dieser Hinsicht angewandt werden."

In der heftig umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine leben nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kaum noch Zivilisten. "Im vergangenen Jahr lebten dort 70.000 Menschen. Jetzt sind nur noch ein paar Zivilisten geblieben", erklärte Selenskyj am Mittwoch im Onlinedienst Facebook. Angaben zur Anzahl der noch verbliebenen Zivilisten in der Stadt machte er nicht.  Es gebe in der Stadt "keinen Ort", der "nicht mit Blut bedeckt" sei, schrieb Selenskyj.

Nach Angaben von AFP-Journalisten, die sich in den vergangenen Wochen mehrfach in Bachmut aufhielten, werden die ohnehin schwierigen Lebensbedingungen durch den fehlenden Zugang zu Wasser und Strom zusätzlich erschwert. Selenskyj war am 20. Dezember nach Bachmut gereist - einen Tag vor seinem Besuch in Washington, wo er dem US-Kongress eine ukrainische Flagge mit Unterschriften von in Bachmut kämpfenden Soldaten überreichte.

Im Süden von Finnland hat am Mittwoch das erste schwimmende Flüssiggas-Terminal des Landes festgemacht. Das fast 300 Meter lange Terminal "Exemplar" soll vom Hafen von Inkoo aus ab Anfang des kommenden Jahres das skandinavische Land mit Gas versorgen. Aufgrund des Krieges in der Ukraine wurde Finnland im Frühjahr von russischen Gasimporten abgeschnitten. Das Terminalschiff legte Anfang Dezember in Spanien ab und fuhr von dort in die Ostsee. Es gehört dem US-Konzern Excelerate Energy und verfügt über eine Kapazität von 68.000 Tonnen Flüssiggas (LNG). Das Terminal werde die zuvor aus Russland importierten Gaslieferungen ersetzen, teilte der staatliche finnische Fernleitungsnetzbetreiber Gasgrid Finland mit. Die "Exemplar" soll über eine Pipeline im Meer auch Gaslieferungen an die baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen und möglicherweise auch an Polen ermöglichen.

Der russische Energiekonzern Gazprom stoppte im Mai die Gasexporte in das benachbarte Finnland und begründete dies mit der Weigerung Helsinkis, die Gasrechnungen in Rubel zu zahlen. Dies hatte der russische Präsident Wladimir Putin seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar von den europäischen Ländern verlangt. Zuvor hatte Finnland fast 50 Jahre lang russisches Erdgas über Pipelines importiert.

Das schwimmende LNG-Terminalschiff "Exemplar" im tiefen Hafen von Inkoo, Finnland

Das fast 300 Meter lange Terminal "Exemplar" im Hafen von Inkoo. Es soll ab Anfang des kommenden Jahres Finnland mit Gas versorgen.

Bei russischen Angriffen sind in der Ukraine mindestens acht Menschen verletzt worden. Drei von ihnen hätten im umkämpften Bachmut Verletzungen erlitten, sagte der Gouverneur der Region Donezk, Pawlo Kyrylenko. In der Region Cherson trafen russische Geschosse eine Geburtsklinik, kurz nachdem zwei Frauen dort Kinder zur Welt gebracht hatten. Nach Angaben von ukrainischer Seite wurde dabei niemand verletzt. In Cherson wurden bei dem Angriff Wohngebäude, ein Kindergarten und eine Bäckerei beschädigt, wie Gouverneur Jaroslaw Januschewitsch mitteilte. Das Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erklärte, beim Beschuss eines Dorfes in der Region seien drei Zivilisten verletzt worden, darunter ein 14-Jähriger.

Die Bundesregierung hat den Vorschlag des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba zu einer internationalen Friedenskonferenz für sein von Russland angegriffenes Land prinzipiell begrüßt. Sie sieht dafür aber anscheinend vorerst wenig Chancen. "Grundsätzlich ist es so, dass jeder Vorschlag, den russischen Angriffskrieg zu einem Ende zu bringen, gut und richtig ist", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christofer Burger, in Berlin in der Bundespressekonferenz. Natürlich sei es an der Regierung der Ukraine, über Stattfinden, Zeitpunkt und Inhalt möglicher Verhandlungen mit der russischen Föderation zu entscheiden.

Es sei aber festzustellen, "dass Russland keinerlei Signale zeigt, von seinen ursprünglichen Kriegszielen abzulassen". Auch Außenminister Sergej Lawrow habe gerade nochmals sehr deutlich geäußert, dass Russland "weiterhin fest auf die Zerstörung der Staatlichkeit der Ukraine hinarbeitet", sagte Burger.

Ein möglicher Friedensplan für die Ukraine muss aus Sicht des Kreml Russlands Annexion der vier Gebiete im Osten und Süden des Landes anerkennen. "Es kann keinen Friedensplan für die Ukraine geben, der nicht die heutigen Realitäten auf dem russischen Territorium berücksichtigt", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Er reagierte damit auf die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G20-Gipfel auf Bali im November vorgetragecne Friedensformel aus zehn Punkten.

Kernforderungen der Ukraine sind der Abzug russischer Truppen und Reparationszahlungen. "Bisher gibt es gar keinen Friedensplan", betonte Peskow. Moskau hatte zuletzt zwar immer wieder erklärt, zu Verhandlungen bereit zu sein. Allerdings werfen die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten Russland vor, das Angebot nicht ernst zu meinen. Einen Abzug von Truppen lehnt Russland ab.

Die Ukraine will Kampfdrohnen zur Abwehr russischer Luftangriffe entwickeln. Zunächst habe sein Land etwa 1400 Drohnen gekauft, die größtenteils zur Aufklärung eingesetzt würden, sagte der Minister für digitale Transformation, Mychailo Fedorow, im Interview der Nachrichtenagentur AP. Der nächste Schritt seien jetzt Kampfdrohnen. "Das sind sowohl Drohnen mit Sprengladungen als auch Drohnen, die drei bis zehn Kilometer hoch fliegen und Ziele treffen", sagte er.

Fedorow sagte, die Ukraine forsche und entwickle bereits Drohnen, die andere Drohnen bekämpfen und abschießen könnten. "Ich kann bereits sagen, dass sich die Situation, was Drohnen betrifft, im Februar und März drastisch ändern wird", sagte er.

Das Technische Hilfswerk hat bereits 355 Hilfstransporte aus Deutschland in die Ukraine und Nachbarstaaten entsandt. So hat die Organisation etwa 480 Stromgeneratoren beschafft und davon bereits 196 in die Ukraine geliefert, um die von russischen Angriffen beschädigte Energie-Infrastruktur zu stabilisieren, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Russland hatte zuletzt mit Raketen und Drohnen massive Schäden an der ukrainischen Energieversorgung verursacht. Durch den Winter verschärft sich die Lage.

Ministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Wir leisten hier den größten Beitrag unter den EU-Staaten. Das gleiche gilt für die Evakuierung von Verletzten und Verwundeten. Wir haben bereits 600 oftmals schwer verwundete Menschen evakuiert, die nun in Deutschland die bestmögliche medizinische Behandlung bekommen." Deutschland werde die Ukraine weiter nach allen Kräften unterstützen.

Die russische Regierung weist den Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zurück und fordert die Anerkennung der "neuen Realität". Sie verweist darauf, dass vier ukrainische Regionen von Russland annektiert worden seien. Dabei geht es um Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja. Keine der vier Regionen steht vollständig unter Kontrolle der russischen Armee. Selenskyj pocht in seinem Friedensplan unter anderem auf die Wiederherstellung der territorialen Einheit seines Landes und lehnt Gebietsüberlassungen kategorisch ab.

Im Ukraine-Krieg sind nach jüngsten Zählungen der Vereinten Nationen (UN) bisher knapp 6900 Zivilisten getötet worden. Fast 11.000 unbewaffnete Menschen seien verwundet worden, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) in Genf mit. Unter den Getöteten seien auch 1800 Frauen und etwa 400 Kinder, hieß es. Die meisten der registrierten zivilen Opfer wurden laut UN durch den Einsatz von explosiven Waffen mit weitreichender Wirkung verursacht, darunter Beschuss durch schwere Artillerie, Mehrfachraketensysteme, Raketen und Luftangriffe.

Das OHCHR geht davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen erheblich höher liegen. Von einigen Orten mit intensiven Kämpfen verzögerten sich die Berichte und müssten teils noch bestätigt werden. Dies gelte zum Beispiel für die Regionen um Mariupol und diverse Orte in der Region Luhansk.

In der Ukraine gibt es den Behörden zufolge wieder landesweit Luftalarm. Auch in der Hauptstadt Kiew heulen die Sirenen. Laut Berichten in sozialen Medien wurde der Luftalarm ausgelöst, nachdem russische Kampfjets von Stützpunkten im benachbarten Belarus aufgestiegen seien.

Das russische Militär steht nach britischer Einschätzung in der Nähe der ostukrainischen Kleinstadt Kreminna unter anhaltendem Druck der ukrainischen Streitkräfte. Russland habe seine Frontlinie in dem Gebiet in der Oblast Luhansk in den vergangenen Tagen wahrscheinlich verstärkt, teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update via Twitter mit.

Es habe dort umfassende neue Verteidigungsanlagen errichtet und werde seinen Fokus wahrscheinlich darauf legen, die Position zu halten. Das Gebiet sei aus logistischer Sicht wichtig für die russische Front im ostukrainischen Donbass, Kreminna sei zudem eine bedeutende Stadt in Luhansk, schrieb das Ministerium. Der Kreml ziehe die "Befreiung" des Gebiets als eine Rechtfertigung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine heran.

Kreminna liegt nördlich der seit Monaten umkämpften Industriestadt Bachmut. Auch in der Nähe der Kleinstadt selbst hat sich die Lage jüngst zugespitzt.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: von Russland annektierte Gebiete.

Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete.

Die im Rahmen der Teilmobilmachung von Präsident Wladimir Putin in den Krieg geschickten Russen können nach Angaben eines Insiders ihr Sperma kostenlos einfrieren lassen. "Das russische Gesundheitsministerium hat festgelegt, die kostenlose Konservierung und Aufbewahrung von Keimzellen (Sperma) von Bürgern, die für die Teilnahme an der militärischen Spezialoperation mobilisiert wurden, durch die Finanzierung aus Haushaltsmitteln zu ermöglichen", sagte der Leiter der russischen Anwaltsvereinigung, Igor Trunow, der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.

Trunow vertritt Klienten, die ihre Samen einfrieren lassen wollten. In den vergangenen Wochen hatte es Medienberichte gegeben, wonach die Nachfrage nach Spermabanken bei Russen im Zuge der Mobilmachung deutlich zugenommen hat. Der Grund sei, dass Männer, die in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine fallen könnten, zumindest auf diese Weise ihren Nachwuchs sichern wollten.

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums vom Herbst sind bisher rund 6000 russische Soldaten ums Leben gekommen. Die Ukraine hat die russischen Verluste hingegen zuletzt auf 100.000 Soldaten geschätzt.

In der Ukraine sind nach Regierungsangaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar mehr als 700 Objekte der kritischen Infrastruktur zerstört worden. "Es geht um Gaspipelines, Umspannwerke, Brücken und ähnliches", sagte der stellvertretende ukrainische Innenminister Jewgeni Jenin im ukrainischen Fernsehen. Insgesamt seien mehr als 35.000 Objekte von den russischen Truppen kaputt geschossen worden, fügte er hinzu.

Seit Oktober nimmt das russische Militär speziell Anlagen der Energieversorgung in der Ukraine ins Visier. Durch den ständigen Beschuss mit Raketen, Marschflugkörpern und Kamikaze-Drohnen ist das ukrainische Stromnetz stark beschädigt. Immer wieder kommt es zu plötzlichen Notabschaltungen.

28.12.2022 • 08:23 Uhr

Neue Raketenangriffe auf Cherson

Aus der südukrainischen Stadt Cherson wird neuer Beschuss gemeldet. Die russischen Streitkräfte hätten dort in den 24 Stunden bis zum frühen Mittwochmorgen 33 Raketen auf zivile Ziele abgefeuert, teilte der ukrainische Generalstab mit. Zudem seien bewohnte Gebiete am rechten Ufer des Flusses Dnipro nahe Cherson mit Mörsern und Artillerie beschossen worden. Die Regionalhauptstadt war im vergangenen Monat von der ukrainischen Armee zurückerobert worden.

An der Front im Osten der Ukraine tobten die schwersten Kämpfe weiter um die Stadt Bachmut, die seit Monaten massiv von russischen Truppen angegriffen wird, sowie weiter nördlich in den Städten Swatowe und Kreminna. Dort versuchen die ukrainischen Streitkräfte, russische Stellungen zu durchbrechen. Der Frontverlauf habe sich kaum verändert, aber der russische Druck habe sich erhöht, weil Russland zusätzliche Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Soldaten in die Kampfgebiete verlegt habe, sagt der ukrainische Militäranalyst Oleh Schdanow.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat eine Strafverfolgung der Verbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gefordert. "Die Täter müssen wissen, dass sie nicht straffrei davonkommen werden", sagte der 57-jährige Österreicher der Nachrichtenagentur epd. Derzeit scheine es aber so, als würden die meisten Täter straffrei ausgehen, hielt der oberste Wächter der Menschenrechte der UN fest. Wenn ihnen nicht in der Ukraine und nicht in Russland der Prozess gemacht werde, müssten die UN-Mitgliedsländer entscheiden, ob sie ein internationales Tribunal einrichten.

Türk betonte, dass auch einzelne Staaten nach dem Weltrechtsprinzip eigene Strafverfahren gegen mutmaßliche Verbrecher einleiten könnten. Ein Gericht in Deutschland habe das Weltrechtsprinzip im Fall von Folter in Syrien angewendet. "Die Geschichte lehrt uns, dass die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen", unterstrich der Jurist Türk, der sein Amt im Oktober angetreten hatte. Türk erklärte, dass die Strafverfolgungsbehörden der Ukraine derzeit 40.000 mutmaßliche Kriegsverbrechen untersuchten.

Auf die Frage, ob sich Russlands Präsident Wladimir Putin für seine verbrecherischen Befehle jemals vor einem Gericht werde verantworten müssen, entgegnete Türk, das sei politisch wie rechtlich äußerst kompliziert. "Ich will nicht spekulieren, aber so etwas erscheint mir zurzeit nicht realistisch."

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat den Bund zur stärkeren Unterstützung der Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Flüchtlingen etwa aus der Ukraine aufgerufen. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa forderte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag "eine stärkere Bereitstellung des Bundes an Möglichkeiten, das heißt auch an Gebäuden, an Versorgung, an Unterstützung. Das kann man nicht alles auf dem Rücken der Kommunen ausbaden lassen", so Dobrindt wörtlich.

Die Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz, Inge Paulini, hat zur Vorbereitung auf nukleare Notfälle aufgerufen. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass wir auf ganz verschiedene nukleare Notfälle vorbereitet sein und bleiben müssen", sagte Paulini den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Das Bundesamt für Strahlenschutz verfügt nach eigenen Angaben über ein Messnetz mit rund 1700 Sonden in ganz Deutschland, die rund um die Uhr die Strahlenbelastung in Deutschland messen. Im Fall eines nuklearen Notfalls ist die Behörde unter anderem dafür zuständig, Lagebilder zu erstellen zum Schutz der Bevölkerung.

SPD-Chef Lars Klingbeil hat eine bessere Zusammenarbeit von Politik und Industrie bei Fragen der Verteidigung und nationalen Sicherheit gefordert. "Wir brauchen einen nationalen Pakt für Sicherheit: ein großes Bündnis von Politik und Industrie, damit sich Deutschland ausreichend verteidigen kann, wir unsere Bündnisaufgaben erfüllen und zugleich weitere Waffen in die Ukraine liefern können", sagte Klingbeil der in Niedersachsen erscheinenden "Böhme-Zeitung". Die Industrie könne ihren Teil beitragen, indem sie Produktionskapazitäten langfristig ausbaue.

Wichtig sei aber vor allem, dass der 100 Milliarden Euro starke Sondertopf für Verteidigungsausgaben schnell genutzt werde - "nicht auf den üblichen bürokratischen Wegen, sondern in einer Rekordgeschwindigkeit". Bei der Beschaffung müsse Deutschland auch mit den anderen EU-Staaten zusammenarbeiten, um bessere Preise zu bekommen. Militärische Großprojekte dauerten teils länger - "aber in den nächsten fünf Jahre sollten Erfolge schon deutlich sichtbar werden", mahnte Klingbeil.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Treffen mit der Militärführung seines Landes wichtige strategische Ziele festgelegt. In seiner nächtlichen Videoansprache sagte er: "Wir werden weiterhin die Streitkräfte und die Sicherheit der Ukraine für nächstes Jahr vorbereiten. Es ist ein entscheidendes Jahr. Wir begreifen die Risiken des Winters. Wir verstehen, was im Frühjahr getan werden muss."

Das ukrainische Außenministerium hat Ungarns Ministerpräsident eine "pathologische Verachtung der Ukraine" vorgeworfen. Die UN reagieren zurückhaltend auf den Vorschlag für einen Friedensgipfel.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 28. Dezember 2022 um 08:43 Uhr.