Recep Tayyip Erdogan
liveblog

Nach Großangriff auf Israel ++ Erdogan verhandelt über Freilassung von Geiseln ++

Stand: 11.10.2023 23:02 Uhr

Der türkische Präsident Erdogan verhandelt laut Regierungskreisen mit der Hamas über die Freilassung von Geiseln aus Israel. Die Regierung der Schweiz will die Hamas als terroristische Organisation einstufen.

11.10.2023 • 23:02 Uhr

Ende des Liveblogs

Wir beenden den Liveblog an dieser Stelle. Vielen Dank für Ihr Interesse!

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die Gefahr einer Eskalation nach dem Hamas-Überfall auf Israel. "Es besteht die Gefahr, dass es dort einen Flächenbrand geben kann", sagte Scholz in den tagesthemen. "Die Aufgabe von uns allen ist es, dafür zu sorgen, dass genau das nicht geschieht", fügte er hinzu. Er kündigte umfangreiche diplomatische Bemühungen an, auch um die Freilassung der von der radikal-islamischen Organisation genommenen Geiseln zu erreichen.

Am Donnerstag empfängt Scholz dazu auch den Emir von Katar, Tamim bin Hamad bin Khalifa Al Thani, der bisher enge Kontakte zur Hamas-Organisation pflegte. Er habe zudem mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi gesprochen und werde auch den türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan kontaktieren, sagte Scholz. Sein Sprecher verwies auch auf eine Unterredung mit dem algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune.

In der Frage der Geiseln müsse man sehr diskret handeln, betonte der Kanzler. Die Bundesregierung hatte bestätigt, dass die radikal-islamistische Hamas neben anderen Ausländern auch deutsche Staatsangehörige aus Israel als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt hat.

"Zeitenwende" auch in der Migrationspolitik? Bundeskanzler Scholz im Interview

tagesthemen, 11.10.2023 22:15 Uhr

Die niederländische Airline KLM storniert ihre geplanten Evakuierungsflüge nach Israel. Grund seien Sicherheitsbedenken, teilt die Fluggesellschaft mit. KLM ziehe ihr Flugangebot an die niederländische Regierung zurück. Das niederländische Außenministerium erklärte, es werde am Donnerstag stattdessen ein Militärflugzeug nach Israel schicken.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nach Angaben aus Regierungskreisen Verhandlungen mit der Hamas über die Freilassung von Geiseln aus Israel begonnen. "Sie verhandeln, um die Freilassung von Geiseln zu erreichen", sagte eine Quelle aus Regierungskreisen der Nachrichtenagenture AFP und bestätigte damit Berichte des türkischen privaten Fernsehsenders Habertürk. Die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas hatte bei ihrem Großangriff auf Israel 150 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Die Zahl der bei Angriffen islamistischer Hamas-Terroristen in Israel getöteten US-Amerikaner ist nach Angaben des US-Außenministeriums auf mindestens 22 gestiegen. Das teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Zuvor hatte Washington mindestens 14 Tote US-Staatsbürger gemeldet.

17 US-Bürger würden weiter vermisst, teilte die Sprecherin des Weißen Hauses mit. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte, von ihnen würden aber wahrscheinlich nur "eine Handvoll" als Geiseln gehalten. Man werde alles tun, die verschleppten US-Staatanagehörige nach Hause zu holen.

Wie Israel, die USA, die EU und andere Länder will jetzt auch die Schweiz die islamistische Hamas im Gazastreifen als terroristische Organisation einstufen und verbieten lassen. Damit reagierte die Regierung in Bern auf die Terrorangriffe der Hamas auf Israel mit mehr als 1.200 Toten. Eine Arbeitsgruppe werde die rechtlichen Optionen für ein Verbot der Palästinenserorganisation prüfen.

Die Schweiz ist bei solchen Entscheidungen traditionell zurückhaltend. Sie stellt stets ihre Neutralität heraus und bietet sich gerne als Vermittlerin zwischen verschiedenen Seiten an. Das betonte sie auch am Donnerstag wieder. Sie stehe in der Region bereit, Bemühungen um eine Deeskalation zu unterstützen. Nachdem ersichtlich geworden sei, wozu die Hamas fähig sei, ändere sich die Haltung der Schweizer Diplomatie gegenüber dieser Organisation, sagte Außenminister Ignazio Cassis.

Ein Verbot bedeutet, dass Menschen angeklagt und verurteilt werden können, die Propaganda für die Organisation machen. Verboten sind bereits die Terrororganisationen "Islamischer Staat" und Al-Kaida.

Die Bundesregierung will Israel auch militärisch unterstützen. Wie der "Spiegel" berichtet, fragte Israels Luftwaffe bereits am Wochenende an, ob Deutschland zwei Kampfdrohnen vom Typ Heron TP, mit denen deutsche Drohnen-Piloten in Israel ausgebildet werden, für die laufenden Operationen gegen die Hamas abgeben könnte. Am Mittwoch gab Verteidigungsminister Boris Pistorius demnach grünes Licht, dass die Israelis die beiden Drohnen ab sofort benutzen können.

Die Luftwaffe lässt seit Monaten Piloten an der Heron TP-Drohne ausbilden. Das israelische Drohnen-Modell gibt es in der Aufklärungs-Variante, aber auch als mit Raketen ausgestattete Kampfdrohne. Deutschland hat die beiden Heron TP-Drohnen, nach denen die Israelis fragten, für das Training der Piloten geliehen.

Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga sind angesichts der Eskalation in Nahost zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit, rief zu Beginn des Treffens in Kairo zu einer Waffenruhe auf. Die Außenminister der 22 Mitgliedsländer kamen auf Antrag der Palästinenser zusammen. "Ein Ende der Besatzung und die Errichtung eines palästinensischen Staates sind der Schlüssel zur Lösung der Krise", sagte der ägyptische Diplomat Ahmed Abul Gheit.

Die arabische Welt ist mit Blick auf den Konflikt zwischen der islamistischen Hamas und Israel uneins. Während etwa die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain, die inzwischen ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben, gemäßigtere Worte wählen, geben die Golfstaaten Katar, Kuwait und Oman Israel die Schuld an der Eskalation. Auch der Irak betonte seine Unterstützung für das palästinensische Volk. Saudi-Arabien forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe. Gleichzeitig warnte die Regionalmacht vor einer "Entziehung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes".

Nachdem der Norden Israels zeitweise in den Alarmzustand versetzt worden ist, hat die Armee Entwarnung gegeben. Es seien keine unmittelbaren Bedrohungen mehr für israelisches Gebiet festgestellt worden, teilte Israels Militär mit. In weiten Teilen nahe der Demarkationslinie zum Nachbarland Libanon hatten zuvor die Sirenen geheult.

Die Streitkräfte hatten zunächst eine mutmaßliche "Infiltration aus dem Libanon in den israelischen Luftraum" gemeldet. Sie hatten die Menschen im Norden des Landes zudem angewiesen, bis auf weiteres in Schutzräumen zu bleiben. Der Verdacht auf eine Infiltration sei derzeit ausgeschlossen, hieß es später.

Karte mit Israel, Libanon, Westjordanland und Gazastreifen

In Israel sitzt der Schock nach dem Hamas-Angriff unverändert tief. Der Autor Ofer Waldman beschreibt, wie er die Tage seither erlebt hat, wie die Bevölkerung zusammenrückt und die Schwierigkeit, Kindern die Gräueltaten zu erklären.

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Hamas zur Freilassung aller israelischen Geiseln im Gazastreifen aufgefordert. Dies müsse unverzüglich geschehen, sagte Guterres in New York. Angesichts einer möglicherweise bevorstehenden israelischen Offensive forderte er die Einhaltung internationalen Rechts.

Guterres sagte zudem: "Etwa 220.000 Palästinenser haben derzeit in 92 Einrichtungen des UN-Palästinenserhilfswerks im gesamten Gazastreifen Schutz gesucht. Die Räumlichkeiten der Vereinten Nationen sowie alle Krankenhäuser, Schulen und Kliniken dürfen niemals angegriffen werden". Auch müsse ein Übergreifen des Konflikts in die Grenzregion zwischen Israel und dem Libanon verhindert werden.

Antje Passenheim, ARD New York, tagesschau, 11.10.2023 20:50 Uhr

Der Norden Israels ist nach Militärangaben in den Alarmzustand versetzt worden. In weiten Teilen nahe der Demarkationslinie zum Nachbarland Libanon heulten am Abend die Sirenen, wie die Armee mitteilte. Die Streitkräfte meldeten eine mutmaßliche "Infiltration aus dem Libanon in den israelischen Luftraum". Die Armee wies die Menschen im Norden des Landes an, bis auf weiteres in Schutzräumen zu bleiben.

Aus Furcht vor einer möglichen militärischen Eskalation zwischen der schiitischen Miliz Hisbollah und dem israelischen Militär haben bereits viele Libanesen im Süden des Landes die Flucht ergriffen. Mehrere Dörfer waren Augenzeugen zufolge wie ausgestorben.

Israel ist nach Angaben eines US-Abgeordneten vor dem Großangriff der militant-islamistischen Hamas von Ägypten gewarnt worden. "Wir wissen, dass Ägypten die Israelis drei Tage vorher gewarnt hat, dass sich ein solches Ereignis zutragen könnte", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses, Michael McCaul, nach einer Geheimdienstunterrichtung. "Es gab eine Warnung, ich denke die Frage ist, auf welcher Ebene."

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu dementierte zuvor Medienberichte, denen zufolge Israel von Ägypten gewarnt wurde. Israelische Medien hatten berichtet, der ägyptische Geheimdienstchef Abbas Kamel habe Netanyahu zehn Tage vor dem Terroranschlag gewarnt, dass "etwas Ungewöhnliches, eine schreckliche Operation" im Bereich des Gazastreifens zu erwarten sei.

Verteidigungsminister Boris Pistorius rechnet derzeit nicht damit, dass Israel von Partnern wie Deutschland in den kommenden Monaten militärische Hilfe anfragen wird. Aktuell gebe es keine Anzeichen dafür, dass Israel sich bei Partnern um Waffen und Ausrüstung für den Kampf gegen die Hamas bemühen werde, sagte der SPD-Politiker am Randes eines NATO-Verteidigungsministertreffens. Im Fall der Fälle werde man sich dann aber selbstverständlich mit den Partnern dazu beraten.

ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann sieht in der Bildung einer Notstandsregierung in Israel eine "bedeutende politische Wende". Allerdings gehe es dabei eindeutig nur um Kriegsführung. "Es werden keine anderen Gesetz verabschiedet, beispielsweise die höchst umstrittene Justizreform", so von der Tann. Es gehe darum eine breite Mehrheit für weitreichende politische und militärische Entscheidungen zu haben - wie etwa eine Bodenoffensive.

Notstandsregierung in Israel gebildet - Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv

tagesschau, 11.10.2023 17:00 Uhr

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat sich Berichten zufolge mit Oppositionspolitiker Benny Gantz auf die Bildung einer Notstandsregierung geeinigt. Gantz teilte mit, es werde ein fünfköpfiges Kabinett für das "Kriegsmanagement" gebildet, dem Netanyahu, Verteidigungsminister Joav Galant und er selbst sowie zwei weitere Mitglieder als Beobachter angehören.

Die Regierung werde keine Gesetze oder Beschlüsse verabschieden, die nicht mit dem Konflikt mit der Hamas in Verbindung stehen, solange die Kämpfe andauerten. Gantz war von 2020 bis 2022 israelischer Verteidigungsminister.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat ein Verbot aller Organisationen gefordert, die in Deutschland und im Ausland eindeutige Verbindungen zu Terrorgruppierungen wie der Hamas haben. Auch sollten Mitglieder solcher Gruppierungen aus Deutschland ausgewiesen werden, wenn die Rechtsgrundlage dafür gegeben sei, sagte Schuster dem "Spiegel". "Alle, die sich mit der Hamas gemein machen, haben ihr Recht verwirkt, in einem demokratischen Land wie Deutschland zu wirken", sagte Schuster. "Wenn radikale Palästinenser auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln die Hamas für ihre Verbrechen feiern, dann ist das eine konkrete Gefahr - und die richtet sich nicht nur gegen Israel, sondern gegen alles Jüdische."

Finanzhilfen Deutschlands und der EU an palästinensische Organisationen auszusetzen, hält der Zentralratsvorsitzende für eine gute Maßnahme. Dass durch den möglichen Wegfall humanitärer Hilfe in den Palästinensergebieten der Terror eher gefördert werde, glaubt Schuster dagegen nicht: Ein "nicht unerheblicher Teil" der Finanzmittel für humanitäre Projekte werde zweckentfremdet und von den Palästinensern für militärische Ziele ausgegeben. "Die humanitäre Hilfe unterstützt damit in Teilen den Terrorismus."

Ein 57 Jahre altes Flugzeug des österreichischen Bundesheeres konnte wegen eines technischen Defekts nicht wie geplant zu einer Rückholmission nach Israel starten. Das teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Transportmaschine vom Typ C-130 "Hercules" hätte nach Zypern fliegen sollen, um von dort im Pendelverkehr Österreicherinnen und Österreicher aus Israel auszufliegen. Es werde "mit Hochdruck" an einer Alternative gearbeitet, hieß es aus dem Ministerium.

Das Außenministerium teilte zudem mit, dass ein österreichisch-israelischer Staatsbürger beim Angriff der militant-islamistischen Hamas getötet wurde. Seine Familie habe das Ministerium darüber informiert, hieß es in Wien. Zwei weitere Doppelstaatsbürger würden noch vermisst. "Wir verurteilen den barbarischen Terror der Hamas auf das Schärfste", so das Außenministerium.

Die Hamas bombardiert weiter Israel, das mit Gegenschlägen auf den Gazastreifen antwortet. Auf beiden Seiten gibt es immer mehr Tote - vor allem Zivilisten. Im Gazastreifen sind 180.000 Menschen obdachlos. Essen, Wasser und Strom werden knapp.

Das einzige Großkraftwerk im Gazastreifen ist nach Angaben der palästinensischen Elektrizitätsgesellschaft wegen Treibstoffmangels abgeschaltet worden. Zuvor hatte die Stromgesellschaft bereits mitgeteilt, ihre reguläre Produktion einstellen zu müssen. Man werde dann auf Solarenergie umstellen, um zehn Stunden Strom pro Tag zu liefern, hieß es von der Gesellschaft.

Als Reaktion auf den Terrorüberfall der Hamas hat Israel den Gazastreifen mit rund zwei Millionen Palästinensern abgeriegelt. Die humanitäre Situation im Gazastreifen war schon vorher sehr schwierig - auch aufgrund stundenlanger Stromausfälle.

Am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen haben sich nach ägyptischen Angaben Konvois mit Hilfsgütern gestaut. Die ägyptischen Fahrzeuge mit Treibstoff, Baumaterial und Nahrungsmitteln dürften die Grenze nicht überqueren, sagte ein Sicherheitsbeamter der Nachrichtenagentur AP. Auf der ägyptischen Seite seien in der Stadt Al-Arisch auf der Sinai-Halbinsel Dutzende palästinensische Familien gestrandet.

Israel hat den Gazastreifen komplett abgeriegelt. Der Grenzübergang ist der Einzige zwischen Ägypten und dem Gazastreifen und wurde geschlossen, nachdem Israel Ziele in der Gegend beschossen hatte. Am Dienstag wurde er wegen einer Bombendrohung geräumt.

Nach dem blutigen Angriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel haben nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock bereits Tausende Deutsche das Land verlassen. Darunter seien auch 17 Schulklassen, sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag. Die Schulklassen seien auf unterschiedlichen Wegen zuerst aus Israel gebracht worden, da es keine Direktverbindungen gegeben habe. Manche seien mit Bussen nach Jordanien gebracht worden und von dort aus nach Deutschland geflogen. Andere Schulkinder seien über Island ausgereist.

Man habe auch den anderen deutschen Staatsbürgern immer wieder deutlich gemacht, dass man über Umwege mit internationalen Fluggesellschaften ausreisen könne, sagte Baerbock auf die Frage des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt, warum es so lange gedauert habe, Deutsche aus Israel herauszubringen. In den vergangenen Tagen seien etliche Tausend Deutsche über Umwege aus Israel ausgereist.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Luftangriffe Israels auf den Gazastreifen als "Massaker" bezeichnet und zugleich das Töten von israelischen Zivilisten durch die Terrormiliz Hamas verurteilt. "Wir sind entschieden gegen die Tötung von Zivilisten auf israelischem Territorium. Ebenso akzeptieren wir niemals das Massaker an Unschuldigen in Gaza, die unterschiedslos dem ständigen Bombardement ausgesetzt sind", sagte Erdogan in Ankara.

Er warnte Israel, seine Militärschläge wie bisher fortzusetzen. Israel dürfe nicht vergessen, dass es wie eine Terrororganisation behandelt werde, wenn es sich wie eine solche verhalte. Die Angriffe Israels auf Ziele im Gazastreifen nannte er unverhältnismäßig. Sie entbehrten jeder moralischen Grundlage. Das palästinensische Volk dürfe nicht insgesamt bestraft werden.

Mit Informationen von Uwe Lueb, ARD Istanbul

Neun Mitarbeiter der Vereinten Nationen sind nach UN-Angaben seit Samstag im Gazastreifen durch israelische Luftangriffe getötet worden. Das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bestätigte der Nachrichtenagentur dpa: "Neun UNRWA-Mitarbeiter wurden getötet, drei Lehrer wurden verletzt." Außerdem seien bisher 30 UNRWA-Schülerinnen und Schüler ums Leben gekommen. Acht weitere wurden demnach verletzt.

Der Bundestag hat mit einer Schweigeminute der Opfer des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf israelische Dörfer und Städte gedacht. Zu Beginn der Plenarsitzung sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: "Wir verurteilen die menschenverachtenden Terrorakte gegen Israel auf das Schärfste." Dieser Terror sei durch nichts zu rechtfertigen und müsse sofort beendet werden. "Alle Geiseln müssen umgehend freigelassen werden", forderte Bas.

An dem Gedenken im Bundestag nahmen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, teil. Dem Botschafter sagte Bas die uneingeschränkte Solidarität des Bundestages zu: "Wir stehen fest an der Seite unserer israelischen Freundinnen und Freunde." Am Donnerstag will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung im Bundestag auf die Situation in Israel eingehen.

Mitglieder des Deutschen Bundestages, Bundespräsident Frank Walter Steinmeier und der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, legen vor einer Bundestagssitzung in Berlin eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des andauernden Konflikts zwischen Israel und der palästinensischen Islamistengruppe Hamas ein.

Mit einer Schweigeminute gedenkt der Bundestag der Opfer des Hamas-Angriffs auf Israel.

Die USA sind nach Angaben von Verteidigungsminister Lloyd Austin zu einer umfassenden Unterstützung Israels bereit. "Wir werden in engem Kontakt mit unseren israelischen Partnern bleiben und sicherstellen, dass sie alles haben, was sie zum Schutz ihres Landes benötigen", sagte Austin bei einem Treffen der internationalen Kontaktgruppe zur Koordinierung von Waffenlieferungen für die Ukraine in Brüssel.

Austin richtete auch deutliche Worte an Staaten wie den Iran. "Wie Präsident (Joe) Biden deutlich gemacht hat, sollte keine andere israelfeindliche Partei versuchen, diese verabscheuungswürdigen Angriffe auszunutzen", sagte er. Israel erleide eine schreckliche Tragödie. Das volle Grauen der Angriffe der Hamas werde immer deutlicher und erschreckender.

Die Niederlande werden mit einer Militärmaschine rund 200 Bürger aus Israel abholen. Der Airbus sollte am Nachmittag in Tel Aviv landen, teilte das Verteidigungsministerium in Den Haag mit. Die Rückkehr der Maschine zum Luftwaffenstützpunkt in Eindhoven ist noch für den Abend geplant. Im Laufe der Woche soll ein weiterer Flug folgen. Die Maschine, die sonst als Frachtflugzeug genutzt wird, hat Platz für etwa 270 Passagiere.

Das Außenministerium kann nicht angeben, wie viele Niederländer sich noch in Israel befinden und zurückkehren wollen. Da die Sicherheitslage in Israel nach den Terrorangriffen der Hamas sich deutlich verschlechtert hatte, rief das Ministerium alle Niederländer in dem Land auf, sich zu melden.

Die Zahl der bei Luftangriffen Israels im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist auf mindestens 1.050 gestiegen. Rund 5.200 Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit.

Die Zahl der Toten in Israel durch die Hamas-Großangriffe ist nach Armeeangaben auf mehr als 1.200 gestiegen. Mindestens 3.000 Menschen seien verletzt worden. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen.

Nach dem Verbot palästinensischer Unterstützer-Demonstrationen in Berlin haben die Veranstalter der Polizei Rassismus vorgeworfen und juristische Schritte angekündigt. Die für heute in Neukölln angemeldete Demonstration sei von der Polizei "mit rassistischer Begründung" untersagt worden, schrieb die Initiative Palästina Kampagne im Internet. Die "angeblichen Aktionen einer Minderheit" würden benutzt, "um einer ganzen Gemeinschaft das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verweigern", hieß es in einer Mitteilung. Das Verbot der Polizei verstoße gegen das Grundgesetz. "Wir werden rechtliche Schritte einleiten, um unsere Rechte in Zukunft durchzusetzen."

Die Initiative hatte seit Montag zu der Demonstration mit 250 angemeldeten Teilnehmern aufgerufen. Die Polizei teilte am Dienstagabend mit, die "Demo in Solidarität mit Palästina" sowie Ersatzveranstaltungen würden untersagt. Die Demonstrationen seien eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dabei gehe es um die aktuelle Lage im Nahen Osten und Straftaten bei ähnlichen früheren Demonstrationen, etwa am Wochenende.

Am Samstag hatte das pro-palästinensische Netzwerk Samidoun den Angriff auf Israel gefeiert, indem es Süßigkeiten auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln verteilte.

Außenpolitiker der Ampelkoalition haben sich grundsätzlich offen für deutsche Militärhilfen an Israel zur Abwehr des Hamas-Angriffs gezeigt. "Vorrangig geht es jetzt zunächst um die Unterstützung bei der medizinischen Versorgung, eventuell auch um die Lieferung von medizinischer Ausrüstung", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, dem "Handelsblatt".

"Wenn Israel eine Lieferung von militärischer Ausrüstung wünscht, dann werden wir uns dem nicht verschließen." Schmid verwies darauf, dass auch in der Vergangenheit bereits Waffen nach Israel geliefert worden seien. "Es gibt derzeit jedoch keine solche konkrete Forderung aus Israel", fügte der SPD-Politiker hinzu.

Ähnlich äußerte sich der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrich Lechte. "Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson, das ist keine Floskel", sagte Lechte. Zuvor hatte auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter eine militärische Unterstützung für Israel nicht ausgeschlossen. "Wenn Israel uns um Unterstützung bittet, sollten wir selbstverständlich prüfen, was möglich ist", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Europaausschusses.

Bei den Kämpfen mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas sind nach Angaben der israelischen Armee mindestens 169 Soldaten getötet worden. "Seit heute Morgen informieren wir die Familien von 169 israelischen Soldaten, die im Kampf gefallen sind", sagte Armeesprecher Daniel Hagari vor Journalisten. Auch die Familien von 60 entführten und in den Gazastreifen verschleppten Menschen seien kontaktiert worden.

Die USA haben nach Worten von US-Finanzministerin Janet Yellen mögliche wirtschaftliche Folgen des Nahost-Konflikts in Israel und dem Gazastreifen im Blick. Derzeit sehe sie nicht, dass die Angriffe auf Israel große Auswirkungen auf die Wirtschaft hätten.

Das israelische Militär greift nach eigenen Angaben Ziele im Libanon an, nachdem eine seiner Stellungen im Norden des Landes mit Panzerabwehrraketen beschossen wurde. Einwohner der südlibanesischen Stadt Rmeish berichteten, dass israelische Granaten in der Nähe ihrer Stadt einschlugen.

Aus Sicherheitskreisen verlautete, dass israelische Artilleriegranaten den Raketenabschusspunkt bei Dhayra trafen. Der libanesische Sender al-Jadeed zeigte Bilder von weißen Rauchschwaden, die aus einem Waldgebiet in der Nähe einiger Häuser und landwirtschaftlicher Flächen in Dhayra aufstiegen.

Die radikale Hisbollah-Miliz im Libanon reklamiert den Raketenangriff auf Ziele im Norden Israels für sich. Dies sei eine Reaktion auf israelische Angriffe in dieser Woche, bei denen drei ihrer Kämpfer ums Leben kamen, teilte die militante Organisation mit.

Das israelische Militär hatte zuvor mitgeteilt, eine seiner Stellungen sei vom Süden des Libanons aus angegriffen worden. Der Angriff habe sich in der Nähe der israelischen Stadt Arab al-Aramsche, gegenüber dem libanesischen Dorf Dhayra, ereignet. Aus libanesischen Sicherheitskreisen verlautete, die Hisbollah habe zwei Präzisionsraketen auf Israel abgefeuert.

Entwickelt sich der Krieg zwischen Hamas und Israel zum Flächenbrand in Libanon

Simon Riesche, ARD Kairo, Morgenmagazin, 11.10.2023 05:00 Uhr

Papst Franziskus hat die Freilassung der Entführten nach Angriffen auf Israel gefordert. Mit Schmerz und Sorge beobachte er die Lage in Israel und Palästina, sagte der Papst bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz. "Ich bitte darum, dass die Entführten sofort freigelassen werden." Die radikalislamische Hamas, die am Samstag mit Raketenangriffen auf Israel und Entführungen begonnen hatte, nannte Franziskus dabei nicht ausdrücklich.

Wer angegriffen werde, habe das Recht, sich zu verteidigen, führte der Papst weiter aus. "Doch ich bin sehr besorgt wegen der totalen Blockade, in der die Palästinenser in Gaza leben, wo es auch viele unschuldige Opfer gegeben hat." Terrorismus und Extremismus nährten Hass, Gewalt und Rache und fügten sowohl Israelis als auch Palästinensern Leid zu, sagte Franziskus. "Der Nahe Osten braucht keinen Krieg, sondern Frieden." Dieser Friede müsse auf Gerechtigkeit, Dialog und dem Mut zur Geschwisterlichkeit aufgebaut werden.

Kritik am Zentralrat der Muslime nach Reaktionen auf Angriffe der Hamas

Hanno Neustadt, MDR, tagesschau24, 11.10.2023 09:00 Uhr

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat Israel ermahnt, nicht gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen vorzugehen. "Israel hat das Recht zur Selbstverteidigung, aber das muss in Einklang mit dem internationalen Recht, dem Völkerrecht geschehen und einige der Entscheidungen stehen im Widerspruch dazu", sagte Borrell nach einer Krisensitzung der EU-Außenminister in Muscat, der Hauptstadt des Oman.

Borrell betonte, Zivilisten müssten geschützt werden. "Das heißt: keine Blockade von Wasser, Nahrung oder Elektrizität der Zivilgesellschaft in Gaza, die Öffnung humanitärer Korridore, um sicherzustellen, dass Menschen den Bombardierungen in Gaza entkommen können", sagte er.

Eine große Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten setzte sich Borrell zufolge dafür ein, die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Behörden aufrechtzuerhalten. Man müsse klar unterscheiden zwischen der Hamas als terroristischer Organisation, der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Zivilbevölkerung. Hilfszahlungen würden überprüft, um sicherzustellen, dass man nicht indirekt Terroristen unterstütze, aber die Hilfe müsse fortgesetzt werden. "Nicht alle Palästinenser sind Terroristen. Eine kollektive Bestrafung aller Palästinenser wäre ungerecht und unproduktiv, sie wäre gegen unsere Interessen und gegen den Frieden", sagte Borrell.

Die Bundeswehr ist nach den Worten von Verteidigungsminister Boris Pistorius grundsätzlich darauf vorbereitet, sich an der Evakuierung von Menschen aus Israel zu beteiligen. "Wir stehen jederzeit bereit zu tun, was zu tun ist, wenn die Lage in Israel und die außenpolitische Einschätzung von Kanzleramt und Auswärtigem Amt das hergeben", sagte Pistorius in Berlin. "Bislang gehen Zivilflüge in ausreichender Zahl wieder raus. Alle hatten und haben die Möglichkeit, sich in die allen bekannte Elefand-Liste einzutragen", so Pistorius. Die Organisation der Evakuierungen liege aber in den Händen des Auswärtigen Amtes.

Pistorius bot seinem israelischen Amtskollegen Joav Unterstützung aus Deutschland an. Die Bundesregierung habe dieses Angebot auch gegenüber dem israelischen Militärattaché gemacht, sagte der SPD-Politiker nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses. "Beide haben bislang gesagt, dass sie keine Unterstützung brauchen militärischer oder technischer Art. Es geht um politische Unterstützung", sagte Pistorius. Diese stehe außer Frage. "Und sobald wir humanitär helfen können, steht das Angebot im Raum, wird aber bislang nicht abgefragt."

Dem einzigen Kraftwerk im Gazastreifen und derzeit einzigem Stromlieferanten geht nach palästinensischen Angaben in zehn bis zwölf Stunden der Treibstoff aus. Das teilte der Vorsitzende der Palästinensischen Energiebehörde, Thafer Melhem, mit. Das einzige Kraftwerk werde am Nachmittag abgeschaltet, so die Behörde.

Nach den Großangriffen der Hamas am Samstag hatte Israel die Energieversorgung des Gebiets eingestellt. Alle Grenzübergänge des Gazastreifens sind geschlossen, sodass es unmöglich ist, Treibstoff für das Kraftwerk oder die Generatoren einzuführen, auf die Bewohner und Krankenhäuser seit langem angewiesen sind.

Menschen im Gazastreifen - 130.000 sollen auf der Flucht sein

L. Goudkamp / A. Harouda, BR, Morgenmagazin, 11.10.2023 06:00 Uhr

Im Norden Israels ist eine Stellung des israelischen Militärs nach dessen Angaben vom Libanon aus beschossen worden. Panzerabwehrfeuer sei dazu genutzt worden, teilt das Militär mit. Der Angriff habe sich in der Nähe der israelischen Stadt Arab al-Aramsche, gegenüber dem libanesischen Dorf Dhayra, ereignet. Über mögliche Opfer macht das Militär keine Angaben. Auch wer für den Angriff verantwortlich ist, lässt es offen.

Die Hamas ist nach Einschätzung von ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann gut auf eine drohende Bodenoffensive der israelischen Armee vorbereitet. "Sie ist wahrscheinlich mittlerweile gut ausgestattet." Es sei ein schwieriges Terrain mit vielen Häusern und vielen Tunneln. Die Hamas habe auch viele Drohnen, mit denen sie die Gegend gut überblicken könne.

Eine Bodenoffensive dürfte viele weitere zivile Opfer fordern. Der Gazastreifen ist sehr dicht besiedelt. "Da leben mehr als zwei Millionen Menschen auf engstem Raum, die auch nicht wirklich weg können. Die Hamas weiß das auch zu nutzen, aber in jedem Fall trifft das gerade die Zivilbevölkerung sehr hart", so von der Tann.

"Die Hamas hat viele Tunnel", Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, zu Lage in Israel und im Gazastreifen

Morgenmagazin, 11.10.2023 06:00 Uhr

Helfer im Gazastreifen können Verschütteten nach Angaben der Behörden wegen pausenloser israelischer Luftangriffe stellenweise keine Hilfe leisten. Wegen der Intensität der Angriffe könnten Krankenwagen und Retter Gegenden im Gazaer Stadtteil Karama nicht erreichen, aus denen Berichte über Menschen unter Trümmern vorlägen, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Gaza, Ejad Basum. Außerdem seien Straßen schwer zerstört und den Einsatzkräften fehle es an Gerät. Schwere Angriffe würden auch aus Chan Junis im Süden und aus Dschebalija im Norden des Gazastreifens gemeldet.

In Gaza ist Rettern zufolge eine große Zahl von Menschen unter zerstörten Gebäuden eingeschlossen. In Gaza gebe es keinen sicheren Ort mehr, sagte der Journalist Hassan Dschabar, nachdem ein Angriff auf Rimal drei seiner Kollegen den Tod gebracht hatte.

Die EU-Inselrepublik Zypern hat ihre Flughäfen für die Evakuierungen von Menschen aus Israel zur Verfügung gestellt. Wie die Direktion des größten Flughafens der Insel in der Hafenstadt Larnaka mitteilte, seien allein am Dienstag 30 Flüge von und nach Israel eingeplant gewesen, berichtete das Nachrichtenportal der Zeitung "Philenews". Zudem könne der Flughafen von Paphos im Westen der Insel benutzt werden.

Nach ihrer Ankunft würden die Menschen, falls notwendig, medizinisch versorgt und in Hotels untergebracht. Anschließend reisten sie weiter in ihre Herkunftsländer, berichtete der zyprische Rundfunk (RIK). Es gebe aber auch Fluggäste, die von Zypern nach Israel zurückfliegen, hieß es. Die zyprische Polizei habe die Sicherheitsmaßnahmen in und um die Flughäfen sowie um Hotels und anderen Einrichtungen der Insel erhöht, hieß es weiter. Zypern ist für Israelis ein beliebtes Reiseziel.

Von Mittwoch an soll auch eine Maschine des österreichischen Bundesheeres zwischen Larnaka und dem Flughafen von Tel Aviv pendeln, um Österreicher aus Israel zu evakuieren. Dies hatte ein Heeressprecher der Nachrichtenagentur dpa mitgeteilt.

Der führende Hamas-Vertreter Chalid Maschal ruft für Freitag zur Unterstützung der Palästinenser zu Protesten "auf den Plätzen und in den Straßen der arabischen und islamischen Welt" auf. Dies geht aus einer aufgezeichneten Aufnahme hervor, die die Nachrichtenagentur Reuters sehen konnte.

Bei neuen israelischen Angriffen auf den Gazastreifen sind in der Nacht in dem Palästinensergebiet nach Hamas-Angaben mindestens 30 Menschen getötet worden. Hunderte weitere Menschen seien zudem verwundet worden, teilte das Medienbüro der Hamas-Regierung der Nachrichtenagentur AFP mit. Es habe in der Nacht mehrere hundert israelische Luftangriffe gegeben. Bei den israelischen Angriffen seien dutzende Wohnhäuser, Fabriken, Moscheen und Geschäfte getroffen worden, erklärte das Medienbüro weiter.

Am Mittwoch wurde zudem nach Angaben eines AFP-Korrespondenten die mit der radikalislamischen Hamas verbundene Islamische Universität in Gaza bombardiert. Dabei wurden laut einem Universitätssprecher mehrere Gebäude des Komplexes zerstört.

Das israelische Militär bestätigte seinerseits neue Angriffe auf den Gazastreifen. Dabei hätten israelische Kampfflieger unter anderem "fortgeschrittene Luftaufklärungssysteme" der radikalislamischen Hamas zerstört. Die Hamas habe über Jahre ein hochwertiges Kameranetz entwickelt, das in Wasserbehältern auf Dächern versteckt über den ganzen Gazastreifen verteilt worden sei. Zudem seien im Nordosten des Gazastreifens rund 80 mit der Hamas in Verbindung stehende Ziele angegriffen worden, darunter auch eine Waffenfabrik.

Die Hamas töteten bei einem Musikfestival im Süden Israels am Wochenende mindestens 260 Zivilisten. ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann sprach mit einer Frau, deren 25-jährige Cousine Rahel dort von Terroristen getötet wurde. "Als sie die Raketen sahen, entschieden sie, zu fliehen. Sie wollten mit dem Auto nach Hause flüchten, doch die Hamas wartete schon an der Ausfahrt nach Tel Aviv und beschoss sie."

Ihre Cousine sei am Rücken verletzt worden. Ihr Freund fuhr weiter, die Gruppe versteckte sich. Rahel wurde bewusstlos. "Sie bat ihren Freund noch, sie in ihren letzten Momenten zu umarmen", berichtete die Frau. Die Gruppe habe neun Stunden an dem Ort ausgeharrt, bis sie gerettet wurde. Zwei Tage lang wusste die Familie nicht, ob Rahel lebt, oder nicht.

Sophie von der Tann, ARD Tel Aviv, mit Gespräch mit einer Augenzeugin eines Terroranschlages durch die Hamas

Morgenmagazin, 11.10.2023 08:00 Uhr

Angesichts der israelischen Vergeltungsangriffe auf den Gazastreifen sind in dem Palästinensergebiet nach UN-Angaben mehr als 260.000 Menschen aus ihren Häusern geflohen. "Mehr als 263.934 Menschen im Gazastreifen haben mutmaßlich ihre Häuser verlassen", erklärte das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) in Genf. "Diese Zahl dürfte noch steigen."

Die Nummer der Binnenvertriebenen im Gazastreifen sei die höchste Zahl seit 2014, erklärte das UN-Büro weiter. Fast 175.000 Betroffene hätten Zuflucht in 88 von den UN betriebenen Schulen gefunden. Rund 14.500 weitere Menschen kamen den Angaben zufolge in Schulen unter, die der Hamas-Regierung unterstehen. Rund 74.000 Flüchtende wurden von Verwandten oder Bekannten aufgenommen.

Auch Dänemark bietet seinen Staatsbürgern sowie Menschen mit ständigem Wohnsitz in dem nordeuropäischen Land an, sie aus Israel und den Palästinensergebieten auszufliegen. Die Evakuierung solle in den kommenden Tagen beginnen, teilte das dänische Außenministerium mit. Dazu würden Flugzeuge bereitgestellt.

Schätzungsweise etwa 1.200 Dänen und Däninnen halten sich nach Angaben des Ministeriums derzeit in Israel auf und 90 weitere in den Palästinensergebieten.

Bei den israelischen Luftangriffen im Gazastreifen ist nach palästinensischen Angaben der Bruder des ranghohen Hamas-Kommandeurs Mohammed Deif getötet worden. Abdul Fattah Deif sei während eines Luftangriffs in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ums Leben gekommen, berichteten Hamas-nahe Medien in dem Küstenstreifen. Auch weitere Angehörige von Deif sollen ums Leben gekommen sein.

Mohammed Deif hatte am Tag des in der israelischen Geschichte beispiellosen Massakers an Zivilisten durch Hamas-Terroristen am Samstag erklärt, eine "Militäroperation" gegen Israel habe begonnen. Deif gilt als "Phantom" und hat schon zahlreiche israelische Tötungsversuche überlebt. Er ist der Kommandeur des militärischen Hamas-Arms Al-Aksa-Brigaden.

Israelische Truppen haben nach Angaben des Militärs seit dem Wochenende mindestens 1.000 bewaffnete Palästinenser getötet, die vom Gazastreifen aus nach Israel eingedrungen seien. Zudem seien landesweit sämtliche Gemeinden in Israel verstärkt worden, zitiert die israelische Zeitung "Hayom" einen Militärsprecher weiter.

Eine Schülergruppe aus Ettlingen im Kreis Karlsruhe ist sicher aus Israel zurück in Deutschland. Das teilte das Landratsamt Karlsruhe mit. Die Jugendlichen seien am späten Dienstagabend gelandet und konnten nach sorgenvollen Tagen von ihren Familien wieder in die Arme geschlossen werden, wie es hieß. Die Erleichterung sei groß, sagte Landrat Christoph Schnaudigel. "Die Rückreise haben wir ohne Zögern direkt nach den Ereignissen in Israel eigenständig organisiert. Dabei habe man jederzeit auf die Expertise der israelischen Freunde vor Ort setzen können.

Den Angaben zufolge flog die elfköpfige Gruppe von Berufsschülern gemeinsam mit drei Begleitpersonen zuerst in die Türkei nach Antalya. Von dort reisten sie parallel in zwei Kleingruppen weiter nach Stuttgart. Die Schülerinnen und Schüler im Alter von 16 bis 19 Jahren waren seit Donnerstag auf einem Schüleraustausch in der israelischen Region Sha’ar HaNegev gewesen. Mit der Region hat der Landkreis Karlsruhe seit fast 30 Jahren eine Partnerschaft. Nach den überraschenden Angriffen der Terrororganisation Hamas waren die Jugendlichen und ihre Begleiter zunächst an einem anderen Ort in Israel in Sicherheit gebracht worden. Ein Krisenstab des Landratsamtes hatte sich seitdem darum gekümmert, die Gruppe nach Hause zu bekommen.

Die Zahl der bei Luftangriffen Israels im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist auf mindestens 950 gestiegen. Etwa 5.000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza mit. Das Gebiet ist dicht besiedelt. Die Hamas-Terroristen verschanzen sich oft in Wohnhäusern und benutzen Zivilisten als Schutzschilder.

Ein weitreichender Flächenbrand im Nahen Osten ist nach Ansicht des Sicherheitsexperten Christian Mölling unwahrscheinlich. Eine solche Ausweitung des Konflikts liege "in weiter Ferne" und sei "nicht sehr wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt." Jetzt gehe es für Israel erst einmal darum, dass weitere Angriffe und die Möglichkeit der Hamas, weiter in das Land einzudringen, verhindert würden, sagte der Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im ARD-Morgenmagazin. "Israel hat eigentlich kein Interesse daran, seine militärischen Kräfte über mehrere Fronten zu verteilen", so Mölling.

Es sei auch unwahrscheinlich, dass Israel den Iran angreifen würde. Teheran könnte in einer Schwächung Israels durch die Hamas dennoch einen Vorteil sehen. Der Iran versuche eine weitere Annäherung Israels und Saudi Arabiens, wie sie zuletzt mit Unterstützung der USA vorangetrieben worden war, zu verhindern, um nicht ins "Hintertreffen" zu geraten, so Mölling.

Allerdings müsse man aus Sicht der Golfstaaten die Nuancen betrachten: "Die Unterstützung der arabischen Staaten ist für die Palästinenser, nicht für die Hamas", so Mölling weiter. Die Frage sei, ob diese einen Unterschied machen können zwischen einer Terrororganisation auf der einen und dem palästinensischen Volk auf der anderen Seite - mit einer Hamas als organischer Bestandteil des Gazastreifens.

"Annäherung von Israel und Saudi-Arabien verhindern"

Morgenmagazin, 11.10.2023 07:00 Uhr

In Israel ist die Zahl der Toten durch die Angriffe der Hamas auf mindestens 1.200 gestiegen. Das gab der Sprecher der israelischen Verteidigungskräfte (IDF), Jonathan Conricus, bekannt. Die "überwältigende Mehrheit" der Todesopfer seien Zivilisten. Mehr als 2.700 Menschen seien verletzt worden, sagte er.

In der Nacht bombardierte Israels Luftwaffe mehr als 200 Ziele im Gazastreifen. Die Hamas beschoss unter anderem Tel Aviv.

Politisch motivierte Hacker - sogenannte Hacktivisten - nehmen nach eigenen Angaben gezielt israelische Internetseiten ins Visier. "Die Angreifer haben es geschafft, uns in den vergangenen Tagen für längere Zeit vom Netz zu nehmen", sagte der Chefredakteur der Zeitung "Jerusalem Post", Avi Mayer. "Das ist ein eklatanter Angriff auf die Pressefreiheit."

Mehr als 100 Websites in Israel wurden entwerder verunstaltet oder durch einfache Distributed-Denial-of-Service-Angriffe (DDoS), bei denen eine Website mit einer Flut gefälschter Daten überlastet wird, vorübergehend gestört, erklärten Sicherheitsanalysten.

Die ehemals als Twitter bekannte Online-Plattform X steht wegen ihrer Reaktion auf eine Fülle von Desinformationen und Hassinhalten zu den Großangriffen der Hamas auf Israel stark in der Kritik. EU-Digitalkommissar Thierry Breton wies X-Eigentümer Elon Musk in einem am Abend verbreiteten Brief darauf hin, dass falsche und manipulierte Bilder im Kurznachrichtendienst kursierten. Darunter sei zweckentfremdetes altes Material aus bewaffneten Konflikten, die nichts mit der aktuellen Gewalt in Nahost zu tun hätten.

Auf X machten auch Bilder die Runde, die ursprünglich aus Videospielen stammten, schrieb Breton. Der EU-Digitalkommissar ergänzte, Behörden seien auch auf "potenziell illegale Inhalte" gestoßen, die gegen EU-Gesetze verstoßen könnten. Er rief Musk auf, das Material "zeitnah, gewissenhaft und objektiv" zu löschen, wo dies gerechtfertigt sei.

Nach dem Großangriff auf Israel hat die militante Palästinenserorganisation Hamas erklärt, Raketen aus dem Südlibanon in Richtung Israel abgefeuert zu haben. Der bewaffnete Flügel der Hamas erklärte auf Telegram, mit dem "Raketenbeschuss" auf den Westen der Region Galiläa habe die Gruppe "ihre Pflicht erfüllt".

Zuvor hatte die israelische Armee auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) erklärt, dass Panzer als Reaktion auf den Raketenbeschuss "zwei Beobachtungsposten" der libanesischen Hisbollah bombardiert hätten. Einer ihrer Hubschrauber habe einen weiteren Beobachtungsposten der Hisbollah getroffen, was eine Reaktion auf eine "Panzerabwehrrakete, die vom Libanon auf ein Militärfahrzeug abgefeuert wurde", gewesen sei. Israel sei "auf alle Szenarien in allen Bereichen" vorbereitet, hieß es weiter.

Kanadas Regierung will nach den Großangriffen der Hamas auf Israel Staatsbürger aus dem Land ausfliegen. In den kommenden Tagen solle eine Maschine der kanadischen Streitkräfte in Tel Aviv starten, schrieb Außenministerin Mélanie Joly auf der ehemals als Twitter bekannten Plattform X.

Für Staatsbürger, die den Flughafen der israelischen Stadt nicht erreichen könnten, würden andere Optionen geprüft. Unerwähnt blieben in Jolys Post indes jene Kanadier, die im Gazastreifen festsitzen sollen, nachdem Israel das von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Küstengebiet abgeriegelt hat.

Der palästinensische Gesandte bei den Vereinten Nationen bezeichnet die israelische Bombardierung des Gazastreifens und die vollständige Blockade der von der Hamas kontrollierten palästinensischen Enklave als "nichts weniger als Völkermord". "Diese eklatante Entmenschlichung und die Versuche, ein Volk in die Unterwerfung zu bomben, Hunger als Methode der Kriegsführung einzusetzen und seine nationale Existenz auszulöschen, sind nichts weniger als Völkermord", schreibt der palästinensische UN-Gesandte Riyad Mansour in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat. "Das sind Kriegsverbrechen."

Nach dem Angriff auf Israel hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein hartes Einschreiten gegen Sympathisanten und Unterstützer der Terrororganisation Hamas in Deutschland angekündigt. "Wir nutzen alle nachrichtendienstlichen und polizeilichen Mittel, um gegen Hamas-Unterstützer vorzugehen", sagte die Sozialdemokratin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Unsere Sicherheitsbehörden nehmen die islamistische Szene noch stärker ins Visier, um Reaktionen auf den Terror der Hamas sofort zu erkennen und jede Unterstützung zu unterbinden. Das gilt auch für das Sammeln von Spenden für die Hamas."

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einer ersten öffentlichen Reaktion auf die Angriffe der militanten Hamas gegen Israel den USA ein Scheitern im Nahen Osten vorgeworfen. "Das ist ein starkes Beispiel für das Scheitern der Politik der Vereinigten Staaten im Nahen Osten, die versucht haben, die Regulierung dort zu monopolisieren", sagte Putin in Moskau zum Auftakt eines Treffens mit dem irakischen Ministerpräsidenten Mohammed al-Sudani.

Putin, der selbst einen zerstörerischen Krieg gegen die Ukraine führt, rief die Konfliktparteien im Nahen Osten zur Rücksicht auf die Zivilbevölkerung auf. Die Zahl der Opfer unter den Zivilisten müsse möglichst auf Null sinken, sagte der Kremlchef, dem Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.

Israel wird nicht nur vom Gazastreifen aus angegriffen. Auch an seiner Nordgrenze zum Libanon ist es bereits zu Gefechten mit Bewaffneten gekommen. Die Sorge ist groß, dass es dort zu einer zweiten Front kommt. Moritz Behrendt berichtet aus Beirut.

Israel setzt in Nacht seine Vergeltungsschläge im gesamten Gazastreifen fort. Mehr als 70 Ziele seien in Daraj Tuffah, einem Stadtteil von Gaza-Stadt, getroffen worden, teilte das Militär mit. Der Stadtteil sei von der Hamas für direkte Angriffe auf Israel genutzt worden.

Hamas-Terroristen haben nach Informationen des ZDF beim Überfall auf Israel mindestens fünf Deutsche entführt. Wie das ZDF weiter berichtete, wurde eine Deutsche getötet. Von Seiten des Auswärtigen Amtes in Berlin gab es für diese Informationen keine Bestätigung. Die Entführungen und die mutmaßlichen Tötungen deutscher Staatsbürger sind der Grund dafür, dass der Generalbundesanwalt Ermittlungen gegen die Hamas aufgenommen hat.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat den Großangriff der Hamas auf Israel als "Brutalität" bezeichnet, "wie es sie seit dem Holocaust nicht mehr gegeben hat". Hunderte seien "massakriert" worden, Familien in ihren Häusern ausgelöscht, sagte Netanyahu in einem Telefongespräch mit US-Präsident Joe Biden. "Sie nahmen Dutzende von Kindern, fesselten sie, verbrannten sie und richteten sie hin. Sie haben Soldaten enthauptet." 

Das israelische Militär hat einem Medienbericht zufolge erste Munition aus amerikanischen Beständen erhalten. Ein erstes Transportflugzeug mit "hochentwickelter" amerikanischer Munition sei in der Nacht auf dem Luftwaffenstützpunkt Nevatim im Süden Israels gelandet, berichtete die israelische Internet-Zeitung "The Times of Israel" unter Berufung auf die israelischen Verteidigungskräfte (IDF). Die Munition ermögliche "bedeutende Angriffe und Vorbereitungen für weitere Szenarien".

US-Außenminister Blinken will nach dem Großangriff der Hamas nach Israel reisen. Die EU-Staaten sind laut Chefdiplomat Borrell mehrheitlich für die Zahlung von Hilfsgeldern an die Palästinenser. Die Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Oktober 2023 um 17:00 Uhr.