Blick auf das Karama-Viertel in Gaza-Stadt nach einem israelischen Luftangriff.
reportage

Israel und Gazastreifen Angriffe auf beiden Seiten gehen weiter

Stand: 11.10.2023 13:55 Uhr

Die Hamas bombardiert weiter Israel, das mit Gegenschlägen auf den Gazastreifen antwortet. Auf beiden Seiten gibt es immer mehr Tote - vor allem Zivilisten. Im Gazastreifen sind 180.000 Menschen obdachlos. Essen, Wasser und Strom werden knapp.

Wieder Alarm rund um den Gazastreifen: Raketen der Terrororganisation Hamas treffen am Vormittag die 30.000-Einwohnerstadt Sderot, zwei Kilometer von Gaza entfernt. Fünf Häuser werden getroffen, ein Mensch verletzt. Die Wände eines neugebauten Hauses eingeknickt wie Pappkarton. Das Mobiliar bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die fünfköpfige Familie hatte Glück. Am Tag zuvor ist sie aus Sderot geflüchtet. Die Gemeinden rund um Gaza stehen unter Dauerbeschuss.

Anwohner Gal Naim ist kurz nach dem Raketeneinschlag zur Stelle. "Die Zerstörung ist katastrophal", sagt er. "Dieses Haus muss abgerissen und neu aufgebaut werden. Alle Wände sind kaputt, es sind nur noch Trümmer - kein Waschbecken, kein Fußboden. Alles wurde zerquetscht." Es gebe keine Fenster mehr, von der Druckwelle zerstört, so Naim. "Überall riecht es nach Schießpulver. Hier ist es nicht sicher. Das Dach kann mir jederzeit auf den Kopf fallen." Das Haus des 39-Jährigen wurde schon vor einigen Jahren von einer Rakete getroffen. Er blieb unverletzt.

Angriffe auf beiden Seiten gehen weiter

Bernd Niebrügge, ARD Tel Aviv, tagesschau, 11.10.2023 20:00 Uhr

"Sie zielen auf Menschen, Bäume, sogar Steine und Kinder"

Weniger Glück hatte der 60-jährige Abu Muath. Er lebt wenige Kilometer entfernt in Gaza-Stadt. In der Nacht hat Israel sein Viertel aus der Luft bombardiert, als Vergeltung für die Angriffe der Hamas. Das gerade neu eröffnete Parfümgeschäft seines Sohnes ist komplett zerstört. Es war eine wichtige Einkommensquelle für die Familie.

"Dieser gezielte Beschuss ist ungerecht, das haben wir noch an keinem anderen Ort gesehen - nicht mal in Hiroshima und Nagasaki. Sie zielen auf Menschen, Bäume, sogar Steine und Kinder. Nichts steht mehr. Sie können Ihr Haus nicht mehr vom Haus Ihres Nachbarn unterscheiden." Abu Muath steht in den Trümmern des Hauses. Über ihm das Surren der Drohnen, die Ziele auskundschaften.

Weg aus Gaza - aber wohin?

Auf beiden Seiten - in Israel und in Gaza - steigt die Zahl der Todesopfer. Der schmale Küstenstreifen, nur 40 Kilometer lang und zwölf Kilometer breit, ist von Strom, Wasser, Medizin und Lebensmittellieferungen abgeschnitten. Diesel, mit dem auch Notstromaggregate betrieben werden, reicht noch für zwölf Stunden, sagen Anwohner.

Mehr als 180.000 Menschen in Gaza sind obdachlos und auf der Flucht - wohin, wissen die meisten nicht. Nur eines wissen sie: weit weg, sollte Israel Truppen nach Gaza schicken, um die Hamas zu vernichten.

Julio Segador, ARD Tel Aviv: "Die Lage verschärft sich"

tagesschau24, 11.10.2023 15:00 Uhr

Ex-Geheimdienstchef: "Wir werden erst alles plattmachen"

Yamos Adlin, ehemaliger Chef des israelischen Geheimdienstes, sagte im israelischen Fernsehen, niemand werde einfach so Truppen in die Straßen Gazas schicken. "Habt Ihr euch mal die Straßen Gazas angeschaut? Das wäre ein Truppenkampf auf Ruinen. Klar, dass die Hamas nur auf die Soldaten wartet." Sie seien vorbereitet mit allen möglichen Sprengsätzen. "Wir werden erst alles plattmachen und dann werden die Truppen hineingehen. Sie haben es in unseren Ortschaften gemacht und der Krieg muss so enden, dass die Fahne Israels über den Ruinen Gazas wehen wird."

Gewalt beantwortet Israel mit Gegengewalt. Israels Premier Benjamin Netanyahu hat der Hamas unmissverständlich Rache geschworen - wie es scheint, ohne Rücksicht auf Verluste. Noch immer sollen sich laut Medienberichten 150 Geiseln in der Hand der Terroristen in Gaza befinden. Darunter auch mindestens zwei Deutsche.

Bettina Meier, ARD Tel Aviv, tagesschau, 11.10.2023 12:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 11. Oktober 2023 um 14:00 Uhr.