
Wahl von McCarthy Das Chaos wird Methode
McCarthy wollte den Spitzenjob im US-Kongress so dringend, dass er Demütigung um Demütigung hingenommen hat. Die vergangenen vier Tage waren die Vorschau auf noch mehr Chaos, noch mehr Erpressung und noch mehr Willkür.
In der Stunde seines Triumphes zitierte Kevin McCarthy seinen Vater. Er habe immer gesagt, es sei nicht wichtig, wie man etwas anfange. Es sei wichtig, wie man es zu Ende bringe. Das lässt nur einen Schluss zu: McCarthy ist stolz darauf, wie er das, was er angefangen hat, in der Nacht zu Ende gebracht hat. Wie er die letzten Kritiker auf seine Seite gezogen hat. Und wie er sich in der 15. Abstimmung nach vier langen Tagen zum Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses hat wählen lassen.
Ob er das wirklich glaubt? Nein, wer auf diese vier Tage stolz ist, lebt ganz offensichtlich in seiner ganz eigenen Welt.
Traumjob könnte zum Albtraum werden
McCarthy wollte diesen Job so dringend, dass er Demütigung um Demütigung hingenommen hat. So dringend, dass er sich und diesen Job klein und schwach gemacht hat. So klein und so schwach, dass der Traumjob zum Albtraum werden könnte. Nicht nur für McCarthy selbst, sondern auch für die Amerikanerinnen und Amerikaner.
Denn diese vier Tage haben keine lebendige Demokratie gezeigt, wie einige Republikaner immer wieder behauptet haben. Sie waren die Vorschau auf noch mehr Chaos, noch mehr Erpressung und noch mehr Willkür.
Man muss sich nur anschauen, wer da tagelang die Wahl blockiert hat. Viele von den 21 Abgeordneten - Männer und Frauen - haben die Präsidentschaftswahl 2020 nicht anerkannt. Sie halten den Sturm aufs Kapitol für legitim. Und sie sind Populisten, das heißt, sie halten sich für die wahren Vertreter des Volkes. Ihnen die Demokratie anzuvertrauen, ihnen demokratische Prozesse in die Hand zu geben, ist, wie die sprichwörtlichen Brandstifter in die Freiwillige Feuerwehr aufzunehmen.
Hardliner werden sich nicht einreihen
Dazu kommt eine Menge an persönlichen Eitelkeiten. Einige haben es so sichtbar genossen, alle Kameras auf sich gerichtet zu haben. Viele rechtsextreme Meinungsmacher haben sie für ihre vermeintliche Revolte gegen das vermeintliche Establishment gefeiert. Extreme Meinungen bringen extrem viel Geld beim Spendensammeln. All das lässt ahnen, dass diese konservativen Hardliner sich nicht einreihen werden - obwohl sie unter den 222 Abgeordneten tatsächlich nur eine Minderheit sind.
Konstruktive Arbeit ist von dieser Fraktion also nicht zu erwarten. Es wird viele Untersuchungsausschüsse geben, und Präsident Joe Biden wird sich gegen eine Vielzahl von Angriffen wehren müssen. Und für die Freunde und Partner der USA wird es mal wieder anstrengend, vor allem, wenn es ums Geld geht. Viele Republikanerinnen und Republikaner, nicht nur die besonders konservativen, wollen, dass die Regierung in Washington weniger Geld ausgibt.
Neue Blockade der Republikaner?
Womöglich werden sie die Regierung mal wieder in den Shutdown treiben. Im Winter 2018/2019 stand das Land 35 Tage lang still, ein Drama für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staates, ob Steuerbehörde oder Nationalpark. Und sollten sich die Republikaner im Herbst weigern, die Schuldenobergrenze anzuheben, wird die Weltwirtschaft erzittern.
Andererseits: Die USA haben einen Präsidenten Donald Trump überstanden, die Zwischenwahlen haben gezeigt, dass viele Amerikaner sich nach Normalität sehnen. Aus europäischer Perspektive darf die Widerstandsfähigkeit dieses Landes nicht unterschätzt werden. Es ist noch immer da, und es wird bleiben.
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