Olaf Scholz
Kommentar

Regierungserklärung von Scholz Ohne Empathie

Stand: 20.10.2022 17:18 Uhr

Neun Seiten Redemanuskript mit ein bisschen von allem, aber wenig Konkretem: Kanzler Scholz hat eine 08/15-Regierungserklärung gehalten. Das reicht nicht in diesen Zeiten.

Ein Kommentar von Uli Hauck, ARD Berlin

Es war mal wieder eine typische Olaf-Scholz-Regierungserklärung. Der Kanzler klebt neun Seiten lang an seinem Manuskript: ein bisschen Solidarität für die Ukraine, ein bisschen Russland-Kritik, ein bisschen Zuspruch für Bürgerinnen und Bürger, denen hohe Energiepreise drohen.

Aber Empathie, Herzenswärme, Politik-Erklärung und klare Ansagen vom neuen "Machtwort-Kanzler mit der Richtlinienkompetenz" fehlten. Stattdessen ein Ritt durch das politische Alltagsgeschäft mit viel Bekanntem und wenig Konkretem.

Für die Zweifler: Warum werden wir die Ukraine so lange unterstützen, wie das erforderlich ist? Warum liefern wir Waffen und bilden bis zum Frühjahr 5000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten aus? Warum sind Verhandlungen mit Putin schwierig bis unmöglich?

"Kernbotschaft war sicher, die Bevölkerung zu beruhigen", Andrea Römmele, Politikwissenschaftlerin, zur Regierungserklärung von Olaf Scholz

tagesschau24 19:00 Uhr

Scholz überlässt Populisten das Feld

Der Bundeskanzler hat keine Erklärungen geliefert. Dabei wäre das nötig, denn Linkspartei und AfD bespielen dieses Feld mit purem, weitgehend inhaltsfreiem Populismus. Sie sind gegen Russland-Sanktionen, gegen Waffenlieferungen für die Ukraine und gleichzeitig für Verhandlungen mit Putin. Ohne zu erklären, wie und warum Putin dann ohne jeglichen Druck zu Zugeständnissen bereit sein soll. AfD und Linke lassen unter den Tisch fallen, dass Putin den Gashahn zugedreht hat. Es ist ein billiger Populismus, eine Vereinfachung der Situation, die bei manchen Menschen trotzdem verfängt. Scholz setzt dem inhaltlich nichts entgegen.

Für die Besorgten: Was heißt es denn konkret, wenn der Kanzler sagt, dass keine Familie, keine Rentnerin, kein Student und kein Unternehmen Angst vor zu hohen Energiepreisen haben soll? Es ist schön, dass der Kanzler sagt, dass wir nicht schwach sind, dass die Gasspeicher gut gefüllt sind.

Oppositionschef Friedrich Merz hat aber einen Punkt, wenn er kritisiert, dass die weiteren Entlastungen so lange auf sich warten lassen.

Ohne Erklärungen

Warum dauert es mit Strom- und Gaspreisbremse so lange? Der Kanzler bleibt schwammig, unkonkret. Warum sagt er nicht, dass man alles daransetzt, dass es aber kompliziert ist, eine rechtssichere Lösung hin zu bekommen. Warum appelliert er nicht, selbst voranzugehen und selbst Energie einzusparen.

Klimawandel, Corona, Ukraine-Krieg, Energiepreise, Inflation - Deutschland ist schon länger im Dauerkrisenmodus. Die Menschen sind erschöpft, genervt, ungeduldig. Da braucht es Empathie, Erklärungen, klare Ansagen und keine vom Blatt abgelesene 08/15-Regierungserklärung des Bundeskanzlers.

Uli Hauck, Uli Hauck, ARD Berlin, 20.10.2022 18:11 Uhr
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