
Coming Out Es braucht eine Kirche ohne Angst
Das Coming Out von mehr als 100 Mitarbeitenden katholischer Einrichtungen ist eine Chance für die Kirche. Sie sollte aktiv auf Menschen zugehen, die nicht heterosexuell lieben.
40 Jahre undercover - so beschreibt eine katholische Religionslehrerin ihr Leben an der Seite ihrer Frau. 40 Jahre, in denen beide für katholische Organisationen tätig waren, in denen sie ihren Glauben mit voller Überzeugung gelebt und an andere weitergegeben haben.
Dabei bezeichnet die katholische Lehre ihre Beziehung als "nicht korrekt", ihre Neigung als "objektiv ungeordnet". Erst im vergangenen Jahr hat die Glaubenskongregation noch einmal klar gemacht, dass gleichgeschlechtliche Liebe nicht "auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden" könne.
Aber woher kennen die Herren in Rom die Pläne Gottes eigentlich so genau? Und kann es sich die katholische Kirche in Deutschland tatsächlich leisten, im 21. Jahrhundert einem Mitarbeitenden den Vertrag zu kündigen, nur weil sein ganz privater Lebensentwurf nicht zu den überlieferten Lehren der Kirche passt?
125 Mitarbeitende outen sich
Die 125 Menschen, die heute an die Öffentlichkeit gegangen sind, riskieren ihren Job, weil sie sich nicht mehr verstecken wollen. Lehrerinnen, Krankenpfleger, Ärztinnen, Erzieher. Einige von ihnen bezeichnen diesen Job als Berufung. Sie wollen bei einem katholischen Träger arbeiten, weil ihnen ihr Glaube wichtig ist.
Es ist erst wenige Tage her, da wurde sichtbar, welcher Abgrund sich auftut, wenn es um den Umgang der katholischen Kirche mit Sexualität geht: Bischöfe, vielleicht sogar ein Papst haben bewusst weggeschaut, als Kinder missbraucht wurden. Sie vertuschen Kriminalität, um ihr System zu schützen, und verurteilen gleichzeitig Menschen, die jahrzehntelang in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben.
Forderung nach Ende von Diskriminierung
Und trotzdem halten genau diese Menschen weiterhin zu ihrem Arbeitgeber Kirche. Mit einer Forderung, die eigentlich selbstverständlich sein sollte: Ein Ende der Angst und der Diskriminierung, als Arbeitnehmer und als Gläubige.
Das Manifest dieser Menschen ist eine riesige Chance für die katholische Kirche in Deutschland: Wenn sie nun endlich ihr Arbeitsrecht ändern, oder mehr noch: wenn sie aktiv auf Menschen zugehen würde, die nicht heterosexuell lieben, stünde sie plötzlich in der ersten Reihe, statt ewiggestrig hinterher zu hinken. Das Wort dafür hat sie schon: Nächstenliebe.
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