
Friedensnobelpreis Eine richtige Entscheidung
Stand: 09.10.2020 15:01 Uhr
Die Entscheidungen des Nobelpreiskomitees waren manchmal umstritten. Das gilt für den diesjährigen Friedensnobelpreis nicht. Diese Anerkennung für das Welternährungsprogramm ist richtig.
Ein Kommentar von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom
Diese Entscheidung tut gut. Sie hilft den Blick zu weiten in diesen schwierigen Zeiten. Weg von den durchaus gravierenden Problemen vor der eigenen Haustür, hin zu denen, deren Leiden unvergleichlich größer sind. Leiden, die in der täglichen Diskussion zuhause über die Folgen der Coronavirus-Pandemie bei vielen in Vergessenheit geraten sind.
Weltweit, schätzt die UNO, könnte die Zahl der Hungernden durch die Pandemie auf 820 Millionen Menschen ansteigen. 820 Millionen - das ist die deutsche Bevölkerung fast mal zehn. Menschen von ganz jung bis ganz alt, alle mit der Sorge, ob sie morgen noch genug zu essen bekommen.
Jammern in Europa wirkt da klein
Das Jammern in Europa über mögliche Maskenpflicht, Quarantäne und eventuell kürzere Kneipenöffnungszeiten wirkt da plötzlich sehr, sehr klein. Danke, liebes Nobelkomitee. Die heutige Entscheidung hilft, einiges wieder in die richtige Relation zu rücken.
Und es hilft, an die Arbeit einer Organisation zu erinnern, die für Millionen Menschen die letzte Rettung ist. Eine Arbeit, die in Europa in Sonntagsreden gerne als wichtig gelobt, auf der Alltagsagenda der Politik dann aber ganz schnell ganz nach unten rutscht. Die Auszeichnung dient hoffentlich als Weckruf, der nicht morgen schon vergessen ist.
Auf jeden Fall ist der Friedensnobelpreis eine angemessene Anerkennung für die 17.000 Mitarbeiter des Welternährungsprogramms, von denen viele täglich in den schwierigsten Gegenden der Welt den Ärmsten ein Stück Hoffnung geben. Sie sollten jetzt endlich die Unterstützung bekommen, die sie verdienen.
Ziel: Bis 2030 den Hunger besiegen
Die internationale Gemeinschaft hat sich verpflichtet, bis 2030 den weltweiten Hunger zu besiegen. Höchste Zeit, dass wir darüber wieder reden. Und die Verantwortlichen in den Regierungen sich an ihr gegebenes Versprechen erinnern.
Kaum jemand erwartet, dass das Ziel in den nächsten zehn Jahren noch erreicht werden kann. Aber an einer schnellen, spürbaren Trendwende sollten alle mit dem notwendigen Engagement arbeiten. Denn möglicherweise bald 820 Millionen Menschen, die an Hunger leiden, können uns nicht egal sein.
Nährboden für politische Konflikte
Zudem ist Hunger nicht nur ein grausames persönliches Schicksal. Es ist auch - und darauf weist das Nobelkomitee ebenfalls hin- Nährboden für politische Konflikte. Deren Auswirkungen - Stichworte Flucht und Migration - schon lange nicht mehr nur regional sind.
Die Voten des Nobelpreiskomitees waren in der Vergangenheit manchmal umstritten. In diesem Jahr gilt: Der Nobelpreis für das Welternährungsprogramm ist eine richtige Entscheidung zur richtigen Zeit.