Radarkuppeln (Radome) stehen auf dem Gelände der Bad Aibling Station bei Bad Aibling (Bayern). (Archivbild vom 06.08.2013 )
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BND weiter ohne eigenen Satelliten Im Weltraum blind

Stand: 06.07.2023 10:43 Uhr

Der BND soll eigene Spionagesatelliten bekommen, um unabhängiger von ausländischen Partnerdiensten und Firmen zu werden. Doch der Start verschiebt sich erneut. 

Wenn der Bundesnachrichtendienst (BND) in diesen Tagen verfolgt, was sich im Atomkraftwerk Saporischschja oder auf dem Parkplatz davor tut, wenn der Geheimdienst dazu Militäranlagen in Russland, China oder Nordkorea von oben analysieren möchte, dann sind Satellitenbilder von großer Bedeutung.

Doch der BND ist auf Hilfe angewiesen: Entweder muss die Bundeswehr mit ihren Aufklärungssatelliten helfen, oder aber ein ausländischer Partnerdienst oder ein kommerzieller Anbieter von solchen Bildern.

Immer wieder Verzögerungen

Der BND selbst ist nämlich blind im Weltraum: Der erste eigene Satellit sollte eigentlich schon seit 2022 um die Erde kreisen. Zuletzt hieß es, die Satelliten des Auslandsgeheimdienstes seien im Jahr 2024 endlich einsatzbereit.

Nach Recherchen von WDR und NDR verzögert sich der Start jedoch abermals. Der BND wird seine Satelliten wohl voraussichtlich erst 2025 ins Weltall schießen können, wie ein Regierungssprecher auf Anfrage bestätigte. Es handele sich "um ein Vorhaben mit hoher Planungskomplexität", heißt es allgemein. 

Für die Bundesregierung ist die erneute Verschiebung ein Rückschlag. Dabei war das Projekt bereits 2016 gestartet. Mehr als eine halbe Milliarde Euro soll der Bund dafür investiert und damit das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB beauftragt haben.

Doch irgendwas kam immer dazwischen. Vor zwei Jahren sprach BND-Chef Bruno Kahl einmal von einer "Verzögerung auf Produktionsseite". Klar ist: Die Zeit drängt. Das Weltall wird geopolitisch immer wichtiger.  

Teil der Nationalen Sicherheitsstrategie

In der jüngst vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie heißt es beispielsweise: "Eine wachsende Bedeutung für unsere Sicherheit kommt seit einigen Jahren auch dem Weltraum zu." Die militärische Nutzung des Weltraums habe für moderne Streitkräfte eine erhebliche Bedeutung gewonnen. "Die Bundesregierung wird dem Weltraum als strategische Dimension daher verstärkte Aufmerksamkeit widmen und ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet ausbauen."

Bislang verfügt in Deutschland nur die Bundeswehr über eigene Aufklärungssatelliten, und zwar sowohl über Radar- als auch Kommunikationssatelliten. Sie werden vom Weltraumkommando im nordrhein-westfälischen Uedem gesteuert und liefern Aufklärungsdaten aus Kriegs- und Krisengebieten. Durch solche Aufnahmen sollen auch Bundeswehrsoldaten im Einsatz geschützt werden.  

Optische Satelliten fehlen bisher

Mit den drei Radarsatelliten des SARAH-Systems der Bundeswehr, von denen der Erste im Juni 2022 mithilfe des US-Unternehmens SpaceX von Elon Musk ins All gebracht wurde, können auch bei einer geschlossenen Wolkendecke hochauflösende Bilder erzeugt werden. Noch präzisere Aufnahmen allerdings liefern - bei klarem Himmel - optische Satelliten, wie sie der BND nun im Zuge des GEORG-Projektes bekommen soll.

Solche Systeme können nicht nur dabei helfen, militärische Aufklärungsziele präziser und detaillierter zu fotografieren, sondern auch, den Geheimdiensten in anderen Situationen, bessere Lagebilder zu erstellen - zum Beispiel in Regionen, in denen es zu Naturkatastrophen, wie Überschwemmungen oder Erdbeben gekommen ist. Zu Beginn der Corona-Pandemie setzten westliche Geheimdienste zudem auf Satelliten, um herauszufinden, wie sich die Situation in China oder auch dem Iran entwickelt.

So konnte vom Weltall aus beobachtet werden, dass die Parkplätze vor chinesischen Krankenhäusern schon frühzeitig ungewöhnlich voll waren. Im Iran wiederum konnte man erkennen, dass offenbar Massengräber angelegt wurden, weil die Sterberate doch viel höher als öffentlich kommuniziert war. 

Auf Hilfe anderer Dienste angewiesen

In manchen Staaten sind die unterschiedlichen Spionagetechniken auf mehrere Behörden aufgeteilt. So verfügen die USA beispielsweise mit der National Security Agency (NSA) über einen Geheimdienst, der ausschließlich für die elektronische und technische Informationsbeschaffung zuständig ist, also das Überwachen von Telefonaten oder E-Mails. Daneben gibt es seit den 1990er-Jahren die National Geospatial Agency (NGA), die Spionagesatelliten betreibt und die Aufnahmen anderen Geheimdiensten und dem Militär zur Verfügung stellt. 

Mit den amerikanischen Partnern arbeitet der BND eng zusammen - immer wieder erwirbt der Dienst aber auch Bilder von kommerziellen Anbietern. Doch dieses Geschäft birgt Risiken: Wer Bilder von einer bestimmten Region und einem bestimmten Zeitpunkt bestellt, legt damit offen, für was man sich interessiert. Und das gegenüber ausländischen Firmen. Um die konkreten Aufklärungsziele zu verschleiern, können zwar viele Aufnahmen bestellt werden - das aber geht ins Geld.  

Keine einheitliche Meinung

Dennoch war die Anschaffung eigener Spionagesatelliten von Anfang an umstritten. Es soll vor allem der Wunsch des Bundeskanzleramtes unter Angela Merkel gewesen sein, den Dienst mit solcher Technik auszustatten. Als 2014 ganz genau verfolgte wurde, wer sich klandestin in der Ostukraine bewegte, soll es für mehrere Tage keine Lieferung mehr von privaten Anbietern gegeben haben. Deutschland war blind - das sollte nicht noch einmal passieren.  

Die damalige BND-Leitung soll allerdings eher skeptisch gewesen sein. Die Millionen wollte man lieber nutzen, um die bestehenden technischen Überwachungssysteme zu modernisieren. Es gebe zudem mehr als genug Satellitenbilder auf dem Markt. Das Problem sei die korrekte Auswertung. Dazu habe es aber an Personal gefehlt.  

Zeitweise sollen gehörlose Experten eingesetzt worden sein, die aufgrund der oft besonders geschulten Sehfähigkeit die Aufnahmen sehr genau analysieren konnten. Mittlerweile wird an technischen Lösungen geforscht, die dazu genutzt werden können, Satellitenbilder schneller und effektiver auszuwerten, etwa mithilfe von Künstlicher Intelligenz.  

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. Februar 2023 um 18:40 Uhr.