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Bundesnachrichtendienst Wie geheim muss ein Geheimdienst sein?

Stand: 28.06.2022 12:51 Uhr

Der BND arbeitet im Geheimen. Seine Erkenntnisse teilt der Dienst nur der Bundesregierung und wenigen ausgewählten Parlamentariern mit. Ist diese Geheimhaltung noch zeitgemäß?

Die Playmobil-Figur eines Spions neben dem Schreibtisch, Star-Wars-Poster an der Wand im Büro. Dazu Zahlenrätsel und Bildchen von den Wachhunden. Jeden Mittwoch gibt es außerdem Fotos vom Essen aus der Kantine in Berlin-Mitte. Auf Instagram gibt der Bundesnachrichtendienst (BND) seit rund einem Jahr seltene Einblicke in die ansonsten verschwiegene Behörde. Der Name des Nutzeraccounts "bndkarriere" verrät, worum es dabei geht: Der deutsche Auslandsgeheimdienst wirbt in sozialen Netzwerken um Personal.

Dafür lüftet der BND die übliche Geheimniskrämerei - zumindest ein kleines bisschen. Seine eigentliche Arbeit allerdings, die heimliche Beschaffung und Auswertung von Informationen aus Kriegs- und Krisengebieten, über Terrornetzwerke, fremde Regierungen und Armeen, über Waffen- und Drogenhandel, Migration und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bleibt weiterhin Verschlusssache.

Ehemalige BND-Mitarbeiter fordern mehr Transparenz

Inzwischen gibt es jedoch eine Diskussion darüber, wie geheim der BND tatsächlich sein muss. Und ob es nicht hin und wieder sinnvoll sein kann, Erkenntnisse des Dienstes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zum Beispiel Lagebilder oder Analysen zum Kriegsgeschehen in der Ukraine.

Zuletzt regten dies ehemalige BND-Mitarbeiter vom Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland, einem Verein altgedienter Nachrichtendienstler, in einem offenen Brief an. Sie forderten unter der Überschrift "Mehr Transparenz und Profil wagen!", dass der BND die Möglichkeit bekommen sollte, in öffentlichen Berichten "auf globale Gefährdungen und Risikofaktoren" hinzuweisen, "ohne dabei schutzwürdige außenpolitische Interessen oder Geheimhaltungsbelange zu berühren". Ähnlich wie dies etwa beim Verfassungsschutz mit seinen Jahresberichten der Fall sei.

Nichts soll an die Öffentlichkeit dringen

Der BND verfasst pro Jahr mehrere Tausend Berichte für die Bundesregierung. Zudem trägt der BND-Präsident wöchentlich im Kanzleramt, wo die Fachaufsicht über den Dienst liegt, bei der Nachrichtendienstlichen Lage (ND-Lage) vor. Es gibt Befragungen der Amtsleitung in den Ausschüssen und Gremien des Bundestages, und sogar einzelne Unterrichtungen für Abgeordnete. Doch all das geschieht hinter verschlossener Tür. Alles ist geheim, nichts soll an die Öffentlichkeit dringen.

"Zu operativen Aspekten seiner Arbeit und etwaigen Erkenntnissen äußert sich der BND grundsätzlich nur gegenüber der Bundesregierung und den zuständigen geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages", so lautet meist die gebetsmühlenartige Antwort des Dienstes bei Presseanfragen.

Andere Geheimdienste veröffentlichen Informationen

In anderen Ländern werden nachrichtendienstliche Erkenntnisse und Bewertungen durchaus veröffentlicht. Etwa in den USA, wo in den vergangenen Jahren beispielsweise Analysen zu den Auswirkung des Klimawandels auf die nationale Sicherheit oder zum möglichen Ursprung des neuen Corona-Virus von den Geheimdiensten präsentiert wurden.

Und auch im Vorfeld des aktuellen Krieges in der Ukraine hat die US-Regierung Informationen der Geheimdienste wie etwa Satellitenbilder mehrfach heruntergestuft und über Medien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Geheimdienstchefs traten zudem in öffentlichen Sitzungen des US-Senats auf und erläuterten die Einschätzung zu Wladimir Putins Absichten und dem Kriegsverlauf.

In Großbritannien geht man derzeit ebenfalls erstaunlich offen mit Erkenntnissen der Dienste um. Das britische Verteidigungsministerium twittert täglich die nachrichtendienstliche Lageeinschätzung zur militärischen Situation in der Ukraine.

"Proliferationsbericht" wurde 2001 eingestellt

Hierzulande hingegen erfährt die Öffentlichkeit nur selten etwas über die Einschätzung des BND zur weltpolitischen Lage. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich bislang auf einige wenige Interviews der BND-Leitung in den Medien. Außerdem gibt es seit wenigen Jahren nun eine öffentliche Anhörung des ansonsten geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestages. Einmal jährlich werden dabei die Leiter der deutschen Geheimdienste von Bundestagsabgeordneten befragt. Übertragen per Livestream im Internet. Dabei haben die Spionagechefs nun auch die Gelegenheit, öffentlich Stellung zu nehmen.

Einen umfassenden Bericht zu den Aufklärungszielen des BND und seinen gewonnenen Erkenntnissen, vergleichbar mit dem jährlichen Verfassungsschutzbericht, gibt es allerdings nicht. Lediglich von 1997 bis 2001 gab es eine regelmäßige Veröffentlichung des BND zum Thema Verbreitung von Massenvernichtungswaffen - den "Proliferationsbericht". Die Publikation wurde jedoch eingestellt, nachdem die US-Dienste ihre Erkenntnisse zur Proliferation wesentlich umfangreicher und detaillierter in einem eigenen Bericht öffentlich machten.

Viele Informationen sind ohnehin zugänglich

Mehrere ehemalige Geheimdienstler regten kürzlich an, der BND könnte sich ein Beispiel an dem früheren Lagepapier "Soviet Military Power" nehmen, das der US-Militärgeheimdienst DIA von 1981 bis 1991 herausgab. Darin wurden die militärischen Fähigkeiten der Sowjetunion analysiert. Ähnliches könnte heute auch der BND zusammenstellen, ohne zu viel von seinen Methoden preiszugeben, so die Argumentation der Ex-Spione.

Ohnehin sind viele Informationen, die früher fast ausschließlich von Militärs und Geheimdiensten beschafft werden konnten, mittlerweile frei und einfach zugänglich. Durch Recherche in öffentlich verfügbaren Quellen, "Open Source Intelligence" (OSINT) genannt, in Sozialen Netzwerken beispielsweise. Ebenso sind Satellitenbilder von kommerziellen Anbietern inzwischen in passabler Qualität für nahezu jedermann erhältlich.

Damit ist eine Quelle oder die Beschaffung einer bestimmten Information oftmals nicht mehr entscheidend oder geheimhaltungsbedürftig. Es geht vielmehr um die Interpretation und Analyse. Im BND heißt es dazu allerdings auch, es bestehe durchaus das Risiko, dass durch selektive Veröffentlichungen der Eindruck entstehen könnte, der Dienst sei ein "politisches Werkzeug".

Mehr Transparenz für mehr Akzeptanz

Die Debatte um eine Lockerung der Geheimhaltung ist in den USA schon seit einigen Jahren im Gange. Eine der Befürworterinnen der "Declassification" (auf Deutsch "Herunterstufen") ist Avril Haines, die aktuelle Geheimdienstdirektorin der Biden-Regierung. Sie warnte in einem Brief an US-Abgeordnete vor einigen Monaten, dass sich eine zu große Geheimhaltung sogar negativ auf die nationale Sicherheit auswirken könnte.

Geheimdienstliche Informationen müssten schneller und flexibler weitergegeben werden können, so Haines. Und zwar zwischen den Behörden und Dienststellen, aber auch in Bezug auf die Öffentlichkeit. Um damit Teil des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses zu sein - und um die Akzeptanz und das Verständnis für die Arbeit der Dienste in der Bevölkerung zu erhöhen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. April 2022 um 15:40 Uhr.