
Razzien in zehn Ländern Seehofer verbietet "Reichsbürger"-Gruppe
Stand: 19.03.2020 09:17 Uhr
Bundesinnenminister Seehofer hat erstmals eine "Reichsbürger"-Gruppierung bundesweit verboten. Ihre Ideologie ist ein Mix aus Esoterischem, Rassismus und Antisemitismus. Es gab Razzien in zehn Bundesländern.
Im Januar hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die Neonazi-Gruppe "Combat 18" verboten. Jetzt geht er gegen eine Gruppe vor, die der Verfassungsschutz der "Reichsbürger"-Szene zuordnet. Ihre Ideologie ist ein Mix aus Esoterischem, Rassismus und einer Begeisterung für das "Germanische".
Mehr als 400 Einsatzkräfte durchsuchten in den frühen Morgenstunden zeitgleich die Wohnungen von 21 führenden Mitgliedern des Vereins "Geeinte deutsche Völker und Stämme" und seiner Teilorganisation "Osnabrücker Landmark" in zehn Bundesländern.
Dabei wurden laut Bundesinnenministerium Schusswaffen, Baseballschläger, Propagandamaterialien sowie geringe Mengen Betäubungsmittel sichergestellt.
Bundesinnenminister Seehofer sagte:
"Wir haben es mit einer Vereinigung zu tun, die rassistische und antisemitische Schriften verbreitet und damit unsere freiheitliche Gesellschaft systematisch vergiftet. Auch die verbale Militanz und massive Drohungen gegenüber Amtsträgern und ihren Familien belegen die verfassungsfeindliche Haltung dieser Vereinigung. Wir setzen den Kampf gegen den Rechtsextremismus auch in Krisenzeiten unerbittlich fort."
Michael Stempfle, ARD Berlin, zum Verbot der Reichsbürger-Gruppe
tagesschau 12:00 Uhr, 19.03.2020
In den vergangenen Jahren sei die Gruppierung unter anderem durch "verbalaggressive Schreiben" aufgefallen. Darin sei den Adressaten "Inhaftierung" und "Sippenhaft" angedroht worden. Die Gruppierung soll rund 120 Mitglieder haben.
Bundesweit etwa 19.000 "Reichsbürger"
Sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland an. Einige dieser Gruppierungen berufen sich auf ein selbst definiertes "Naturrecht", andere auf das historische Deutsche Reich.
Viele unter ihnen behaupten, die Bundesrepublik sei in Wirklichkeit kein Staat, sondern ein Unternehmen. Sie erkennen Gesetze und Behörden nicht an und wehren sich teilweise gewaltsam gegen staatliche Maßnahmen. Bundesweit soll es nach Angaben des Verfassungsschutzes etwa 19.000 Mitglieder dieser Szene geben, deren Mitglieder als waffenaffin gelten.
Schwerpunkt zuletzt Berlin
Schwerpunkt der Aktionen der Kleingruppe "Geeinte deutsche Völker und Stämme" war zuletzt Berlin. So versuchte sie beispielsweise, das Rathaus im Bezirk Zehlendorf zu "übernehmen". Nach Angaben der Polizei setzten sich ihre Mitglieder zudem mit Vehemenz und Drohungen für eine vorzeitige Haftentlassung des wegen Volksverhetzung verurteilten Holocaust-Leugners Horst Mahler ein.
Im vergangenen September hatten Polizeibeamte in drei Bundesländern insgesamt vier Durchsuchungsbeschlüsse gegen Mitglieder der Gruppe vollstreckt. Jetzt wurde nach dpa-Informationen in Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen durchsucht.
"Combat 18" bereits verboten
Seehofer hatte im vergangenen Jahr mehrere Verbotsverfügungen angekündigt. Ende Januar hatte er dann die rechtsextreme Gruppe "Combat 18" verboten. Der Name der Vereinigung gilt als Codewort für "Kampftruppe Adolf Hitler". Mehrere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe haben gegen das Verbot gemeinsam Klage eingereicht.
Gegen Völkerverständigung
Das Verbot gegen die Vereinigung "Geeinte deutsche Völker und Stämme" stützt sich auf Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Paragraf 3 des Vereinsgesetzes. Zwecke und Tätigkeiten des Vereins laufen den Strafgesetzen zuwider, richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung.
Video
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 19.03.2020
- Alle Meldungen vom 19.03.2020 zeigen