Hauptgebäude der Medienholding "Rossija Sewodnja" am Smolensker Boulevard in Moskau.

Nach Angriff auf die Ukraine Schwere Zeiten für russische Staatsmedien

Stand: 01.03.2022 19:03 Uhr

Die EU will die Verbreitung russischer Staatsmedien stoppen, auch in den Sozialen Netzwerken sind viele Kanäle gesperrt. Einem Bericht zufolge laufen ihnen auch Mitarbeiter davon, weil sie nicht von einer Invasion schreiben dürfen.

Von Pascal Siggelkow, Redaktion ARD-faktenfinder

Der Angriff Russlands auf die Ukraine wird auch für die russischen Staatsmedien immer folgenreicher: Die von Russland finanzierte Nachrichtenagentur Ruptly, Teil des RT-Netzwerks, hat am Standort Berlin offenbar mit massiven Personalabgängen zu kämpfen. Mindestens drei leitende Redakteure hätten bis gestern gekündigt, sagte ein Mitarbeiter von Ruptly gegenüber Reuters. Insgesamt wurden demnach gestern die Profile von 26 Mitarbeitern von der Website entfernt.

Die russischen Medien und der Krieg

Demian von Osten, ARD Moskau, tagesschau extra 00:25 Uhr

"Sondereinsatz" statt Invasion

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters beschwerten sich einige Mitarbeiter in einer internen Telefon-Konferenz unter anderem darüber, dass sie daran gehindert werden, die Invasion als solche zu bezeichnen. Die russischen Staatsmedien seien angewiesen, von einem "Sondereinsatz" des Militärs zu schreiben. Dieses Wording ist auch aktuellen Artikeln der staatlichen Nachrichtenseite RT DE zu entnehmen, wo Russlands "Militäroperation" als "Reaktion auf die ukrainischen Angriffe auf die Volksrepubliken im Donbass" bezeichnet wird.

Die Nachrichtenchefin von Ruptly, Ekaterina Mavrenkova, habe daraufhin gesagt, dass die Mitarbeiter sich nicht an bestimmten Wörtern aufhängen sollten. "All diese Wörter, die wir benutzen, verzerren die Realität in keinster Weise", sagte Mavrenkova nach Angaben von Reuters. "Bei all diesen sprachlichen Feinheiten gibt es Möglichkeiten, das Bild objektiv darzustellen, ohne auf eine Seite zu fallen."

Ruptly spricht von "Ende der Medienfreiheit"

Auf Anfrage von tagesschau.de wollte Julia Lysenko, administrative Leiterin von Ruptly, die Berichte von Reuters dagegen nicht bestätigen. "Was wir in den letzten Tagen erlebt haben, ist ein koordinierter und direkter Versuch, Vielfalt in der Nachrichtenlandschaft zu verbieten", so Lysenko. Politiker hätten versucht, die Geopolitik als Vorwand zu benutzen, um das Ende der Medienfreiheit in Europa herbeizuführen. "Dies setzt die Mitarbeiter ungerechtfertigt und immens unter Druck."

Ruptly wurde eigenen Angaben zufolge 2013 von der russischen Dachorganisation "ANO TV Novosti" gegründet, die wiederum 2005 von einer russischen staatlichen Nachrichtenagentur gegründet worden war. Zu Ruptly gehören zudem die Nachrichtenseiten "Redfish" und die Produktionsfirma "Maffick Media". Beide richten sich mit ihren Formaten vor allem an ein junges Publikum in den Sozialen Netzwerken.

In den vergangenen Tagen hatten RT-Mitarbeiter weltweit aufgrund des russischen Angriffs zum Teil öffentlich ihre Kündigung mitgeteilt. "Einige unser Mitarbeiter verlassen uns," sagte die Geschäftsführerin von RT DE, Dinara Toktosunowa, nach Angaben von Reuters in einer Telefonkonferenz mit allen Angestellten.

Bereits in der Vergangenheit hatte es Berichte gegeben, wonach die Rekrutierung neuer Mitarbeiter für den geplanten TV-Sender von RT DE nicht vorankommt. Mehr als 200 Stellen würden regelmäßig ergänzt, schreibt RT noch immer auf der eigenen Website.

EU will alle Kanäle von RT und Sputnik verbieten

Hinzu kommt, dass die EU alle Kanäle der beiden russischen Staatsmedien RT und Sputnik nach Angaben von Binnenmarktkommissar Thierry Breton verbieten will. Dies gelte für die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, digitales Fernsehen oder Video-Pattformen, sagte Breton dem französischen Radiosender RTL. Ziel sei, den Zugang der beiden "russischen Propagandaorgane" zum gesamten europäischen Markt einzuschränken. Breton zufolge sollten die Maßnahmen bereits heute in Kraft treten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Verbot von RT und Sputnik am Sonntag angekündigt. Damit solle Desinformation und Kriegspropaganda in Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine bekämpft werden.

Auch Soziale Netzwerke verbannen russische Staatsmedien

Auch der Facebook-Konzern Meta und die Video-App TikTok hatten bereits den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik in der EU beschränkt. Heute folgte die Videoplattform YouTube. "Aufgrund des andauernden Krieges in der Ukraine sperren wir mit sofortiger Wirkung YouTube-Kanäle, die mit RT und Sputnik in Europa verbunden sind", teilte ein Firmensprecher mit. Es werde eine Weile dauern, bis die Maßnahmen technisch umgesetzt werden.

Im vergangenen September hatte YouTube bereits die deutschsprachigen Kanäle von RT gesperrt und entfernt. Damals hatte der Google-Dienst dem Staatssender im Kontext von Falschinformationen zur Corona-Pandemie wiederholte Verstöße gegen die Richtlinien von YouTube vorgeworfen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 01. März 2022 um 10:00 Uhr.