
Gesetzentwurf des Kabinetts Mit höheren Löhnen gegen Pflegenotstand
Stand: 19.06.2019 11:59 Uhr
Mit besserer Bezahlung will die Bundesregierung der Personalnot in der Pflegebranche entgegenwirken. Ein Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil sieht einen verbindlichen Tarifvertrag oder höhere Mindestlöhne vor.
Das Bundeskabinett hat ein Gesetz für höhere Löhne in der Alten- und Krankenpflege auf den Weg gebracht. Ziel ist es, dass möglichst in der gesamten Pflegebranche künftig Tariflöhne gezahlt werden. Alternativ sollen die geltenden Mindestlöhne in der Pflege angehoben und in Ost und West vereinheitlicht werden.
Damit will die Bundesregierung der Personalnot entgegenwirken und die Pflegebranche attraktiver machen. Kritiker des Entwurfs monieren eine unklare Finanzierung und warnen vor Mehrkosten für Pflegebedürftige.
Geteiltes Echo auf Gesetzentwurf zur Pflegereform
nachtmagazin 23:58 Uhr, 20.06.2019, Thomas Kreutzmann, ARD Berlin
Tarifvertrag oder höherer Mindestlohn
Der Entwurf sieht Änderungen im Arbeitnehmerentsendegesetz vor. Es erlaubt der Regierung unter Umständen, einen zwischen zwei Tarifparteien ausgehandelten Tarifvertrag per Verordnung auf die ganze Branche auszuweiten. Für die Pflegebranche ist eine eigene Regelung erforderlich, weil die kirchlichen Einrichtungen ein eigenes Arbeitsrecht haben.
Außerdem soll eine ständige Kommission eingerichtet werden, die künftig Arbeitsbedingungen und Mindestlöhne in der Pflege festlegen soll. Auch bisher hatten Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter schon sogenannte Pflegekommissionen zur Findung von Mindestlöhnen gebildet. Die wurden aber, nachdem man sich einig war, jedes Mal wieder aufgelöst.
Fast 40.000 Stellen unbesetzt
Momentan gilt im Westen und Berlin ein Mindestlohn von 11,05 Euro pro Stunde, im Osten von 10,55 Euro. Im Bereich Alten- und Krankenpflege arbeiten rund 1,6 Millionen Menschen. Es sind aber fast 40.000 Stellen unbesetzt - bei einer wachsenden Zahl von Menschen, die auf Pflege angewiesen sind.
Die Regierung will deshalb den Beruf attraktiver zu machen, unter anderem über eine bessere Bezahlung. Das Gesetz muss noch durch Bundestag und Bundesrat. In Kraft treten soll es zum Jahresende.
Kritik an unklarer Finanzierung
Zur Finanzierung hatte Heil am Wochenende dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" gesagt, dies sei erst einmal Aufgabe der Pflegeversicherung. Ob auch Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt verwendet werden könnten, hänge davon ab, wie stark die Lohnerhöhungen in der Altenpflege zu Buche schlagen.
Patientenschützer warnen vor einer Kostenexplosion für die Pflegebedürftigen. Durch das Gesetz drohe Pflegeheimbewohnern ein "Anstieg der Eigenanteile um bis zu 400 Euro monatlich", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Nachrichtenagentur AFP. Das Vorgehen der Bundesregierung nannte Brysch "unverantwortlich".
Kritik kam auch vom Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter. Er warf Heil vor, die grundgesetzliche Tarifautonomie einschränken zu wollen.
Zustimmung von Gewerkschaften
Große Zustimmung kommt hingegen von den Gewerkschaften. Die Bundesregierung habe erkannt hat, dass man die gesellschaftlich so relevante Altenpflege nicht dem Markt überlassen dürfe, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Ähnlich äußerte sich Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund: Es sei allerhöchste Zeit, "denn viele Pflegende sind so am Limit, dass sie aus ihrem Beruf flüchten und sich die Personalnot in der Pflege immer weiter verschärft".