Fahrgäste mit Mund-Nasen-Bedeckungen steigen am Bahnhof Friedrichstraße in Mitte in eine S-Bahn.

Öffentlicher Nahverkehr Studie sieht kein erhöhtes Risiko in Bus und Bahn

Stand: 10.05.2021 19:33 Uhr

Die regelmäßige Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel birgt kein erhöhtes Risiko einer Corona-Infektion. Zu diesem Ergebnis kommt eine ÖPNV-Studie, an der es jedoch Zweifel gibt.

Laut einer selbst in Auftrag gegebenen Studie ist die Gefahr einer Coronavirus-Infektion im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) nicht höher als etwa im eigenen Auto. Das teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit, der die Charité Research Organisation um die Untersuchung gebeten hatte. Federführend mitfinanziert wurde die zwei Millionen Euro teure Studie von elf Bundesländern.

Die Forscher verglichen im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) das konkrete Ansteckungsrisiko von Fahrgästen in Bussen und Bahnen mit dem von Pendlerinnen und Pendlern, die regelmäßig mit Pkw, Motorrad oder Fahrrad unterwegs sind. Im Februar und März dieses Jahres wurden insgesamt 681 freiwillige Teilnehmer ohne bisherige Corona-Infektion im Alter von 16 bis 65 Jahren begleitet.

Zweifel an der Aussagekraft der Studie

Nach der rund fünfwöchigen Testphase wurden die Probanden in beiden Gruppen auf Antikörper getestet - ein Zeichen für eine durchgemachte Corona-Infektion. Das Ergebnis: Bei ungefähr gleich vielen Teilnehmern in jeder Gruppe konnten diese Antikörper nachgewiesen werden. Im ÖPNV waren demnach 325 Probanden unterwegs, von denen zwölf im Anschluss positiv getestet wurden. Im Individualverkehr waren es 314, von denen 14 positiv waren. Einige Probanden waren während der Studie ausgeschieden, etwa weil sie geimpft wurden.

Daraus schließen die Autoren, dass das Infektionsrisiko im Alltag mit der Nutzung des ÖPNV nicht steigt. Andere Experten halten die Studie hingegen für wenig aussagekräftig. Dafür seien die Fallzahlen zu gering, erläutert Veronika Simon aus der SWR-Wissenschaftsredaktion. "Für eine vernünftige Statistik ist das viel zu wenig. Denn selbst bei einer hohen Inzidenz von beispielsweise 200 würde man nach den fünf untersuchten Wochen in beiden Gruppe nur einzelne Covid-Fälle erwarten. Bei so kleinen Zahlen kann der Zufall eine riesige Rolle spielen."

Ort der Ansteckung unklar

Außerdem sei bei den festgestellten Infektionen unklar, wo sich die Probanten angesteckt haben. "Im Bus? Oder doch beim Nachbarn oder in der Schule? Was sagt das über die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr aus? Nichts!", meint Simon. Um diese Frage zu beantworten, brauche man größer angelegte Studien.

In der RMV-Region leben rund fünf Millionen Menschen in Großstädten, dem Rhein-Main-Ballungsgebiet und ländlicheren Gebieten in Hessen und Teilen von Rheinland-Pfalz. Während der Zeit der Untersuchung hatten die Busse und Bahnen des RMV den Angaben zufolge jedoch eine durchschnittliche Auslastung von nur 47 Prozent.

Verkehrsministerkonferenz: "Gute Nachricht"

Trotz der Zweifel an der Studie begrüßten mehrere Länder-Verkehrsminister das Ergebnis: "Wir haben nun wissenschaftliche Klarheit für die Fahrgäste, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Verhältnis zu anderen Verkehrsmitteln nicht mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko verbunden ist", teilte Baden-Württembergs Verkehrsminister, Winfried Hermann, mit. "Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die Einhaltung der Hygieneregeln, häufige Reinigung und Lüftung der Fahrzeuge einerseits sowie Abstand halten und Maske tragen andererseits wirkungsvolle Mittel zum Infektionsschutz sind", sagte der Grünen-Politiker.

Auch die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und Bremer Senatorin für Mobilität, Maike Schaefer, begrüßte das Studien-Ergebnis. "Die Ergebnisse sind eine gute Nachricht für die Stammkunden im ÖPNV, aber auch für die vielen Fahrgäste, die in den letzten Monaten aufgrund eines Unbehagens auf die Nutzung von Bus und Bahn verzichtet haben", sagte Schaefer. Natürlich sei der ÖPNV durch das Homeoffice auch weniger ausgelastet, so die Grünen-Politikerin.

Die Verkehrsunternehmen in Deutschland haben in der Corona-Krise hohe finanzielle Einbußen. Sie halten das Angebot nahezu vollständig aufrecht. Gleichzeitig ist die Auslastung deutlich zurückgegangen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Wissen am 03. März 2021 um 13:32 Uhr.