
tagesthemen mittendrin Der Uferstreit von Duisburg
Stand: 21.08.2020 13:24 Uhr
Im Süden von Duisburg entsteht auf einem alten Bahngelände ein komplett neues Stadtviertel. Weil jedoch auch ein nahes Seeufer bebaut werden soll, regt sich Widerstand bei den Anwohnern.
Von Marion Kerstholt, WDR
Christel Kolanowski ist waschechte Wedauerin. Sie ist in dem südlichen Duisburger Stadtteil "gezeugt, geboren, aufgewachsen," sagt sie. Sie wohnt in der Straße "Am See". Duisburg-Wedau liegt nämlich direkt am Masurensee, einem Teil der "Sechs-Seen-Platte", einem wichtigen Naherholungsgebiet der Stadt.
Auf der anderen Seite grenzt Wedau an ein 90 Hektar großes Bahngelände. Anfang des letzten Jahrhunderts wurde hier ein Rangierbahnhof gebaut. Den dafür benötigten Schotter holte man aus Baggerseen, die dann zur Sechs-Seen-Platte erweitert wurden.
Die Brache des Rangierbahnhofes soll nun bebaut werden. Die ersten Arbeiten haben schon begonnen. 3000 Wohnungen, Supermärkte, Geschäfte und ein Technologiezentrum werden entstehen und sollen Duisburg ein moderneres Gesicht geben.
"Das ist eine der Keimzellen für die weitere Entwicklung Duisburgs. Duisburg war immer ein weißer Fleck auf der Landkarte von Wohnungsbauinvestoren. Nicht zuletzt wegen des Images, aber auch weil solche Flächen nie angegangen worden sind," sagt Bernd Wortmeyer, Geschäftsführer der Duisburger Wohnungsbaugesellschaft GEBAG, die das Bauprojekt durchführt.
Häuser bis 30 Meter ans Wasser
Allerdings sollen auch Häuser bis an den nah gelegenen Masurensee gebaut werden. Bis zu 30 Meter ans Wasser heran. Bisher gibt es dort einen Park. 120 Jahre alte Bäume, dazwischen ein paar Strandstücke. Dieser Park soll nun weg. Stattdessen ist eine betonierte Promenade geplant, davor eine Fläche aus Holzdielen bis ans Wasser heran.
"Wir wollen ein Wohnquartier schaffen, das über sehr hohen Freizeitwert verfügen wird", sagt Bernd Wortmeyer, "und zu einem hohen Freizeitwert gehört auch die Anbindung an einen See, insbesondere, wo er ja da ist."
Die geplante Bebauung des Ufers des Masurensees kritisieren die Anwohner besonders. Auch Christel Kolanowski. "Wenn soviel Häuser hierhin kommen, das ganze Grün kommt weg, dann bleibt von unserer Gartenstadt ja nicht mehr viel über."
Grillwiese als Problem
Allerdings gibt es mit dem bisherigen Uferpark auch ein Problem. Denn viele Besucher am See halten sich nicht an die Regeln. Sie lassen Müll liegen, schütten Asche auf die kaum noch vorhandene Wiese. Die Wedauer stört das. Doch die Stadt habe sich jahrelang nicht um die Probleme gekümmert, erzählen sie. Nun hat sie doch gehandelt, wegen fehlender Corona-Abstände. Die Grillwiese ist jetzt per Bauzaun gesperrt. Mit der neuen Promenade hofft die Stadt auch das Müllproblem in den Griff zu bekommen, weil einfach nicht mehr soviele Leute am See sitzen können.
Aber mit dem neuen Bauprojekt würde die Stadt auch Menschen wie Gaby Schlüter vertreiben. Seit 25 Jahren kommt sie her, erzählt sie. In diesem Sommer jeden Tag, denn in ihrer Wohnung in der Duisburger Stadtmitte ist es einfach zu heiß. "Ich bedauere das sehr, dass so eine Oase zerstört wird für Bankirai-Platten und eine Uferpromenade, dass man hier lang defilieren kann. Diese Ersatzbäume finde ich einen Hohn gegen diesen schönen alten Baumbestand. Dass man den so wegkloppt. Da stehen mir die Tränen in die Augen. Muss ich ehrlich sagen."
tagesthemen mittendrin: Streit um Wohnungsbauprojekt "6-Seen-Wedau"
tagesthemen 21:45 Uhr, 21.08.2020, Marion Kerstholt, WDR
Uferpark wird dringend gebraucht
Die Bürgerinitiative "Rettet die Sechs-Seen-Platte" setzt sich für die Erhaltung des Parks ein. Denn der werde gerade in Duisburg dringend gebraucht. "Wir haben jetzt den dritten Hitzesommer nacheinander," sagt Hendrik Thomé, einer der Gründer der Initiative. "Die Menschen brauchen dringend diese Flächen, um sich an heißen Sommertagen zu erfrischen und hier ihre Freizeit zu verbringen. Und das muss man stadtplanerisch aufgreifen und darf nicht nur darauf setzen, dass man mit 3000 neuen Wohneinheiten sehr viel Geld in die Stadtkasse spülen kann."
Insgesamt fehlt der Bürgerinitiative eine umfassende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Sie haben Angst, dass die Wohnungen am Wasser zum Anlageobjekt werden.
Planänderungen kaum möglich
Am See verhandelt derzeit jeder für sich allein, wie es weitergeht. Roger Theyssen und seine Frau betreiben am Ufer seit fünf Jahren eine Stand-Up-Paddling-Station. An diesem Tag haben sie den Brief der Stadt bekommen, dass sie weg müssen, erzählt er. "Wir haben hier quasi aus wenig sehr viel gemacht. Wir sind ziemlich traurig."
Ende nächsten Jahres ist für sie Schluss. Dabei hat Theyssen immer wieder dafür gekämpft, bleiben zu können. "Ich glaube, es hat irgendein Architekt mal einen Plan gemacht, hat grade Linien gezogen und dann ist dieser Plan natürlich auch durch den Rat der Stadt gegangen und es ist immer schwer, wenn es schon so weit ist, sozusagen hier noch kleine Veränderungen vorzunehmen."
Vielleicht bekommen sie einen anderen Platz am See. Aber Theyssen und seine Frau möchten auch nicht die anderen Duisburger vom knapper werdenden Ufer verdrängen.
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