Mitglieder von "Omas gegen Rechts" an einem Tisch.
Mittendrin

"Omas gegen Rechts" in Sachsen Für Freiheit im Leben und Denken

Stand: 13.02.2024 11:34 Uhr

Während in den Großstädten Zehntausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen, waren demokratische Proteste in sächsischen Kleinstädten bisher oft in der Unterzahl. Eine Gruppe überzeugter Omas will das ändern.

Von Fabian Held, MDR

Zwei Mannschaftswagen der Polizei trennen den malerischen Marktplatz von Waldheim in zwei Lager. Auf der einen Seite stehen Demonstrierende der AfD. Seit mehr als zwei Jahren gehen sie hier fast jeden Montag "spazieren", erst um gegen Corona-Maßnahmen zu protestieren, jetzt gegen die aus ihrer Sicht falsche Wirtschaftspolitik. Im Schlepptau haben sie Anhänger der "Freien Sachsen", auch Männer in rechtsextremer Szenekleidung sind zu sehen.

Auf der anderen Seite stand lange kaum jemand. Das rechte Lager war meist in der Überzahl oder ganz allein. Doch es tut sich etwas - und das liegt auch an einer Altersgruppe, die bislang nicht als wahnsinnig politisch galt: ältere Frauen. Genauer: Omas.

Im benachbarten Döbeln hat sich eine Ortsgruppe der "Omas gegen Rechts" gebildet, die jetzt in Mittelsachsen auf die Straße geht. Vor allem, um für etwas zu sein, betonen die Frauen immer wieder. Für Demokratie vor allem, für Freiheit im Leben und Denken.

#mittendrin in Döbeln: Omas gegen rechts

Fabian Held, MDR, tagesthemen, 12.02.2024 23:30 Uhr

Der Gegenprotest war meist unterlegen

"Wir sind nochmal viele heute, das freut mich", sagt Ute Behrisch, ein Schild mit der Aufschrift "Omas gegen Rechts" in der Hand. Etwa 15 Omas und ein Opa haben sich heute zusammengefunden, sie begrüßen sich herzlich.

Es sei in Waldheim vielleicht sogar noch wichtiger als in Döbeln, die Proteste zu unterstützen, sagt Behrisch. Denn in der 8.000-Einwohner-Stadt sei die Lage noch schwieriger, eben weil der Protest gegen Rechtsextreme meist unterlegen war.

Kennengelernt haben sich die Omas bei einer Demo im benachbarten Döbeln Mitte Januar. Es war die Zeit der großen Massenproteste, als Reaktion auf Recherchen das Netzwerks "Correctiv" über ein Geheimtreffen in Potsdam.

Für viele Menschen in Deutschland war das die Initialzündung, um auf die Straße zu gehen. Auch die Frauen von "Omas gegen Rechts" beschreiben, wie froh sie waren, Gleichgesinnte zu finden und gemeinsam etwas tun zu können.

Sie erkennen sich an ihren Schildern und Plakaten

"Ich hab von einer Freundin das Plakat bekommen, hab es umgehangen, weil ich mich als Oma fühlte, weil ich Oma bin", beschreibt Andrea Wendler das Gefühl auf der Demo im Januar. "Ich bin los und hab die anderen Plakate und die dazugehörigen Omas getroffen. Es war wie ein Stein im Wasser. Wellenförmig wird es immer größer und immer mehr und man wird immer stärker."

An ihren Schildern und Plakaten erkennen sich die Omas. Sie beschließen, eine Ortsgruppe zu gründen. Von der Bundesvereinigung bekommen sie Tipps. Etwa, dass Kekse immer gut ankommen. Backen gegen den Faschismus quasi.

Lokale Medien beginnen zu berichten und so wächst die Gruppe nach und nach an. Mehr als 30 Frauen sind jetzt schon dabei. Nicht alle kennen sich untereinander. Aber jede neue Oma werde herzlich aufgenommen, sagen sie.

Es kostet mehr Kraft in der Kleinstadt

"Ich bin mit Leib und Seele Oma, ich freue mich sehr, meine Enkelkinder begleiten zu dürfen", beschreibt Behrisch ihren Antrieb. "Und ich hab aber große Angst, dass die nicht in so einem freien, demokratischen Land aufwachsen, wie wir es jetzt haben."

Behrisch ging schon einmal für die Demokratie auf die Straße. 1989 war das - und die Proteste in Leipzig mündeten in der Wiedervereinigung. Vielleicht ist es auch diese Erfahrung, die die Freiheit noch bedeutender macht.

Denn - da sind sich die Omas ziemlich einig - es kostet schon mehr Kraft, in der kleinen Stadt auf die Straße zu gehen. Leipzig, wo auch unter der Woche mal 10.000 Menschen zur Demo gegen Rechtsextremismus zusammen kommen, ist eine Stunde mit dem Auto entfernt. Und in der ländlichen Region zwischen den beiden sächsischen Metropolen Leipzig und Dresden, in den kleinen Tälern und Städtchen, kennt jeder jeden.

"Manchmal ein bisschen verlassen gefühlt"

"Immer, wenn man seine politische Meinung nach außen trägt, muss man natürlich auch damit rechnen, dass man angefeindet wird und dass andere anderer Meinung sind", beschreibt Manuela Luci das Gefühl in der Kleinstadt. "Da muss man auch stark sein, um das vertreten zu können."

"Wir haben uns manchmal ein bisschen verlassen gefühlt", sagt Cornelia Schubert, ebenfalls engagierte Oma. Seit drei Jahren lebt sie wieder in Döbeln, nun steht sie am Rande einer Kundgebung der rechtsextremen Kleinstpartei "Freie Sachsen" auf dem Markt von Döbeln. Jede Woche ist die rechtsextreme Kleinstpartei hier. Sie will Unterschriften sammeln, um an der Kommunalwahl im Juni teilzunehmen.

Ein ehemaliger Dresdner Radiomoderator verbreitet Verschwörungserzählungen, ein ehemaliger NPD-Stadtrat klatscht, aber ansonsten nimmt kaum jemand Notiz vom Stand und den Parolen. Viele Menschen gehen einfach vorbei. Schubert aber bleibt stehen und schimpft gegen die Kundgebung an. Später wird sie erstmals an einem Treffen der "Omas gegen Rechts" in Döbeln teilnehmen.

Die Schilder wippen auf und ab

In Waldheim stehen sich 200 Menschen bei den beiden Demos gegenüber. Es wird laut, als die Teilnehmenden der AfD-Veranstaltung zu einem sogenannten "Spaziergang" aufbrechen. Das Aufgebot der Polizei bildet eine Trennlinie, zu Diskussionen oder Gesprächen zwischen den Lagern kommt es nicht.

Andrea Wendler steht zwischen den anderen Omas und bewegt sich im Takt der Musik einer Brassband, die für Stimmung sorgt. Die "Omas gegen Rechts"-Schilder wippen auf und ab.

Wie reagiert man eigentlich, wenn auf der anderen Seite ein Bekannter oder Verwandter steht? Wendler sagt, ihr sei das noch nicht passiert. Und Angst habe sie davor auch nicht: "Ich glaube immer noch, dass man diejenigen, die man dann kennt, ansprechen kann. Das ist dann hier so nahe und so dicht."

An diesem Abend bleibt es in Waldheim ruhig. Solche Demos, so beschreiben es Teilnehmer, sind auch immer ein wenig Selbstbestärkung. Dass man nicht allein ist.

Auch die "Omas gegen Rechts" aus Döbeln wollen mit diesem Gefühl weiter auf die Straßen von Mittelsachsen gehen. Um für etwas zu sein: Demokratie und Freiheit.