
Merkels Sommer-PK Die Gegenwartsmanagerin
Stand: 28.08.2020 16:18 Uhr
Krisen sind der Kanzlerin nicht fremd, aber diese ist auch für Merkel anders. Und so bestimmt die Corona-Pandemie ihre Sommer-PK - inklusive persönlicher Erfahrungen. Stichwort: Videokonferenz.
Eine Analyse von Wenke Börnsen, tagesschau.de
Als Angela Merkel ihre Erfahrungen mit Videokonferenzen erwähnt, kommt der Moment, in dem wohl gerade viele in Deutschland etwas sagen könnten. Wackelige Technik, Bücherregale, Kinder oder Katzen im Hintergrund - in der Corona-Pandemie machen viele Menschen so ihre Erfahrungen mit digitalen Treffen.
Traditionelle Sommerpressekonferenz der Kanzlerin
tagesthemen 21:45 Uhr, 28.08.2020, Stephan Stuchlik, ARD Berlin
Bei der Bundeskanzlerin funktioniert offenbar die Technik. Sie findet: "Es läuft besser als gedacht." Videokonferenzen mit zehn bis 15 Personen seien sehr intensiv und nicht unbedingt schlechter als Präsenztreffen, bei größeren Runden oder ganz neuen Themen wie der Wiederaufbaufonds werde es hingegen sehr statisch, berichtet sie fast im Plauderton. Als weiteren Nachteil macht Merkel aus: "Man weiß nie, wer alles zuhört."
Corona, Corona, Corona
Das trifft auch auf diese Sommer-PK der Kanzlerin zu. 41 Journalisten sitzen auf Abstand im Saal, wie viele zugeschaltet sind, weiß wohl niemand. Den eingereichten Fragen nach zu urteilen, sehr viele. Man könne ja nur noch die Fragen vorlesen und sie müsse nicht mehr antworten, schlägt Merkel nach einer guten Stunde vor, weil die Zeit läuft und der Berg an Fragen nicht kleiner wird. Es war einer der wenigen heiteren Momente in diesen 90 Minuten.
Dass es weitgehend ernst zuging, liegt an der Corona-Pandemie. Krisen sind Merkel nicht fremd, aber diese ist anders. Bei der Bankenkrise etwa habe man gewusst, wenn die Banken rekapitalisiert seien, sei sie vorbei. "Bei der Pandemie wissen wir nicht, wie lange das noch dauert." Es sei ernst, es bleibe ernst - "nehmen Sie es auch weiterhin ernst", wiederholte sie ihre Worte aus dem Frühjahr. Eine Botschaft wohl auch an die Ministerpräsidenten, bei denen sie sich zuletzt nicht durchsetzen konnte. Parteifreund Rainer Haseloff aus Sachsen-Anhalt etwa.
Merkel bleibt die Mahnerin, die Vorsichtige - Herbst und Winter könnten noch schwieriger werden als der Sommer, wo das Leben weitgehend im Freien fast normal weitergehen konnte. "Kein Mensch weiß, wie der Winter wird." Und wann wird es wieder wie früher? Gar nicht, bis es ein Medikament oder Impfstoff gebe. Deswegen: "Drücken wir mal die Daumen für die Impfstoffentwicklung."
Drei Schwerpunkte
Sie sagt wenig Neues zur Pandemie, aber einiges ist doch bemerkenswert. Gleich zu Anfang nennt sie drei Schwerpunkte für die kommenden Monate: So müsse alles dafür getan werden, damit Kinder nicht zu den Verlierern der Corona-Krise würden, die Wirtschaft müsse am Laufen gehalten werden - und schließlich gehe es darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt so weit wie möglich zu bewahren.
Eindringlich warnt sie vor einer Spaltung der Gesellschaft, denn die Pandemie belaste die Menschen ungleich. "Sie macht ganze Gruppen der Bevölkerung besonders verwundbar", sagt Merkel und zählt auf: ältere und pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige, Familien mit Kindern in beengten Wohnverhältnissen, Studierende, die ihren Nebenjob verlören, Arbeitsuchende, Kleinunternehmer sowie Künstler. "Auf sie alle müssen wir besonders achten", appelliert die Kanzlerin.
Ruhestand? Keine Zeit
Doch nicht nur die Pandemie macht diese Sommer-Pk zu einer besonderen. Nächstes Jahr ist Bundestagswahl - und es kann ihr egal sein. Zum Glück? "Alles hat seine Zeit" - es ist einer diesen typischen Merkel-Sätze. Sie empfinde es aber nicht als Nachteil, schließlich habe sie nun mehr Zeit für den Kampf gegen Corona. Nein, hier spricht keine amtsmüde Kanzlerin, die die Monate bis zum Ruhestand zählt. Eher die Gegenwartsmanagerin. "Ich bin voll beschäftigt mit der Ist-Zeit", sagt sie denn auch auf die Frage nach Plänen für die Zeit danach. Auch ihre Traumreise durch die Rocky Mountains habe sie noch nicht gebucht. Im Übrigen sei sie sicher, dass ihr schon was einfällt für den Ruhestand. Kurzes Lächeln. Nächste Frage.
Merkel arbeitet den Fragenkatalog routiniert ab: Klimapolitik, Lieferkettengesetz, Wirecard, dann wieder ins Ausland: Krise in Belarus, Beziehungen zu Russland, Türkei-Konflikt, Syrien, der Rücktritt des japanischen Premiers. Nordstream II, Nawalny. Themenhopping at its best.
Wenn Merkel mal persönlich wird
Weil es selten ist, dass Merkel mal persönlich wird, gehören diese Momente zu den spannenderen Passagen der Pressekonferenz. Etwa, als sie über ihre Erfahrungen in der Quarantäne spricht. "14 Tage können ganz schön lang werden - auch wenn man gut beschäftigt ist", sagt sie rückblickend. Und wie froh sie gewesen sei, dass die Tests negativ gewesen seien. Oder als sie gefragt wird, was sie in dieser Corona-Zeit am meisten vermisse: die spontane Begegnung, antwortet sie. "Dass man immer gucken muss, wie verhalte ich mich jetzt, also diese Spontaneität in Begegnungen mit anderen Menschen, die vermisse ich am meisten."
Natürlich wird Merkel auch nach ihrem Satz "Wir schaffen das" gefragt. Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren saß sie an der gleichen Stelle und sagte mit Blick auf die hohe Zahl an Flüchtlingen diese drei Worte. Es wurde ein Satz für die Geschichtsbücher. Ob dieser Satz nicht auch für die Corona-Krise passe? "Jede Krise hat ihre eigene Sprache", antwortet sie. Es ist wieder so ein typischer Merkel-Satz.
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