
Dialog zur Pflege mit Merkel "Die Isolation ist manchmal unerträglich"
Stand: 19.11.2020 19:14 Uhr
Die Corona-Pandemie trifft die Pflege besonders hart: Kanzlerin Merkel hat sich in einem Online-Dialog die Sorgen von Pflegekräften und Pflegebedürftigen angehört.
Von Birgit Schmeitzner, ARD-Hauptstadtstudio
Sich mit Bürgern treffen, aber corona-konform - das heißt für Angela Merkel: Videokonferenz. Eineinhalb Stunden lang spricht die Bundeskanzlerin online mit Pflegekräften, Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen. Sie sitzt in Berlin, die anderen sind auf einem großen Bildschirm dazugeschaltet. Ein Thema kommt dabei immer wieder zur Sprache: Es fehle an Personal.
Auf jeden Fall mehr Personal
Wie zum Beispiel in einer Sozialstation in der Region Paderborn. Merkel fragt: "Wenn Sie einen Wunsch frei hätten - was würden Sie sich am meisten wünschen? Leute, oder? Personal."
Der Pflegeleiter Alper Demir bejaht das: "Ja, auf jeden Fall mehr Personal. Aber auch ein Ende der Pandemie." Denn sollten die Covid-19-Fälle steigen, wisse er nicht mehr, wie er den Dienst aufrechterhalten solle.
"Die Isolation, die Langeweile"
Von den zugeschalteten Heimbewohnern kommt viel Dankbarkeit. Die Betreuung sei gut, manchmal sogar liebevoll. Das erzählt der 92-jährige Paul Abele aus Baden-Württemberg. Er klagt aber auch, dass Corona den Alltag sehr verändert habe: "Die Isolation, die Langeweile, das ist manchmal unerträglich."
Die Pflegekraft Ann-Sophie Bruchner aus dem Heim in Oberkochen ergänzt, man habe sich einiges einfallen lassen: Im Speisesaal seien zum Beispiel die Fenster geöffnet, damit die Angehörigen von draußen Kontakt aufnehmen könnten. Bruchner wünscht sich mehr Wertschätzung für ihren Berufstand, er sei doch systemrelevant: "Wir sind jeden Tag da, wir geben jeden Tag alles, wir haben den Beruf ausgewählt, weil uns die Menschen am Herzen liegen."
Das gilt auch für die pflegenden Angehörigen, drei sind in der Runde dabei, rund fünf Millionen gibt es bundesweit, viele pflegen ohne Hilfe.
Merkel: Politik bereits einiges getan
Die 73-jährige Sylvia Weygoldt aus dem Schwarzwald erzählt davon, wie sie zuerst ihre Mutter versorgt habe und jetzt ihren Ehemann. Beide seien dement. Diese Zeit wolle sie mit Haltung durchleben. Das ist ein Moment, in dem die Bundeskanzlerin persönlich wird und Weygoldt wünscht, sich "ab und zu auch was kleines Gutes für sich gönnen" zu können.
Ansonsten betont Merkel oft, was die Politik im Pflegebereich bereits getan habe: Es gebe neue Zuschläge für Pflegekräfte und Pflegemindestlöhne, in der Ausbildung bekomme man eine Vergütung, statt Schulgeld zahlen zu müssen. Alles Punkte, um den Beruf attraktiver zu machen und den Personalmangel zu lindern.
Digitales Lehren und endlich WLAN
Es komme aber auch noch auf andere Dinge an, auf die Infrastruktur zum Beispiel - dies taucht als Bitte auch immer wieder auf. Die Mutter eines körperlich behinderten Jungen aus dem Landkreis Rostock bittet darum, dass Bund und Länder mehr dafür tun, dass sich die Schulen auf digitales Lehren umstellen.
WLAN sei ein Anfang, das sieht auch Friede Valentin so, die in einem Seniorenstift in Bopfingen lebt. Sie findet, es wäre "ein Segen, wenn Corona veranlassen würde, dass wir WLAN bekommen." Endlich ein Zugang zum Internet, um so mit ihren Kindern und Enkeln Kontakt halten zu könnten. Das iPad dafür habe sie schon, erzählt sie.