
Menschenrechtsbeauftragte verzichtet Amtsberg sagt Katar-Reise mit Faeser ab
Die Menschenrechtsbeauftragte Amtsberg hat ihre Teilnahme an einer Katar-Reise mit Innenministerin Faeser abgesagt. Offene und kritische Gespräche vor Ort seien derzeit schwierig. Zuvor hatte Faeser die WM-Vergabe kritisiert.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, verzichtet auf ihre ursprünglich geplante Mitreise mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag nach Katar. Die jüngsten Entwicklungen hätten verdeutlicht, wie schwierig es im Vorfeld der Fußball-WM sei, mit der katarischen Regierung über die Menschenrechtslage in dem Land zu sprechen, erklärte Amtsberg. Daher habe sie sich entschlossen, die Reise zu einem späteren Zeitpunkt zu unternehmen.
Faeser hatte zuvor mit Kritik an dem WM-Ausrichter empörte Reaktionen des Emirats und anderer Golf-Monarchien hervorgerufen. Die auch für Sport zuständige Bundesinnenministerin hatte dem ARD-Magazin Monitor mit Blick auf das WM-Gastgeberland und die dortige Menschenrechtslage gesagt: "Für uns als Bundesregierung ist das eine total schwierige Vergabe." Es wäre besser, "dass das nicht in solche Staaten vergeben wird", fügte sie hinzu.
Am Freitag - in Katar war da schon Wochenende - hatte das Emirat nach Angaben des Außenministeriums in Doha den deutschen Botschafter einbestellt. Kurz darauf wiesen die Golf-Monarchien in einer gemeinsamen Erklärung Faesers Äußerungen als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" Katars zurück.
Amtsberg begründet Verzicht mit Gesprächsumfeld
Amtsberg erklärte wörtlich: "Die Entwicklungen an diesem Wochenende haben mir verdeutlicht, wie schwierig es in der derzeitigen Situation im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft ist, mit der katarischen Regierung die von mir geplanten offenen und auch kritischen Gespräche über die Menschenrechtslage in Katar zu führen."
Als Menschenrechtsbeauftragte sei dieses Gesprächsumfeld für sie jedoch entscheidend. "Katars wachsende Rolle als regionaler und globaler Akteur zur Kenntnis nehmend, bleibt der internationale Druck und unser Bemühen für den Schutz der Menschenrechte auch nach der WM zentral", fügte die Regierungsbeauftragte hinzu.
Innenministerium hält an bisheriger Reiseplanung fest
Einfacher ist die ohnehin schon komplizierte Reise von Bundesinnenministerin Faeser und DFB-Präsident Bernd Neuendorf dadurch nicht geworden. An der Planung der Treffen mit Premierminister Scheich Chalid bin Chalifa Al Thani und FIFA-Präsident Gianni Infantino am Dienstag wird aber festgehalten. Das bestätigte das Bundesinnenministerium.
Faeser und Neuendorf hatten sich bei der Ankündigung der Reise klar positioniert: Gesprochen werden soll über die Menschenrechte, die Lebensbedingungen ausländischer Arbeiter - jene Themen, die kurz vor dem Anpfiff der Endrunde (20. November bis 18. Dezember) in Deutschland bewegen.
Im Zuge der Energiekrise hat die Bundesregierung aber auch neue Verbindungen nach Doha geschaffen, vor Faeser waren Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz im Emirat. Um Menschenrechte ging es dabei nur am Rande.
Tweet von Ex-Außenminister Gabriel sorgt für Kritik
Kurz vor der WM reagieren die Gastgeber zunehmend dünnhäutiger - und offensiver. Staatsoberhaupt Tamim bin Hamad Al Thani sprach zuletzt gar von einer "beispiellosen Kampagne", die "noch kein Gastgeberland jemals erlebt" habe.
Für Kritik und Aufregung in Deutschland sorgte der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit einem Pro-Katar-Tweet. Darin kritisierte er die "deutsche Arroganz" gegenüber dem Emirat. "Auch wir haben Jahrzehnte gebraucht, um ein liberales Land zu werden", schrieb Gabriel. Fortschritt komme nicht über Nacht, sonder Schritt für Schritt.
"Dass die WM nicht nach Katar gehört, das wissen wir alle"
Der DFB hat sich in diesem Spannungsfeld klar aufgeteilt. Neuendorf wird auch während der WM als Delegationschef zu politischen Themen agieren, Bundestrainer Hansi Flick und dessen Nationalspieler konzentrieren sich vorrangig auf das sportliche Abschneiden.
Unpolitisch sind die Profis aber längst nicht mehr. "Dass die WM nicht nach Katar gehört, das wissen wir alle. Dass die WM nicht in den Winter gehört, sondern in den Sommer, dass wissen wir auch", sagte Abwehrspieler Nico Schlotterbeck im ZDF-Sportstudio. "Als die WM nach Katar vergeben worden ist, da war ich sehr jung, da hatte ich keinen Einfluss auf irgendwas, natürlich ist es ein Dilemma."
Menschenrechtsverstöße werden regelmäßig angeprangert
Der WM-Gastgeber steht regelmäßig wegen Menschenrechtsverstößen in der Kritik. Dabei geht es vor allem um die Situation von Bauarbeitern, die größtenteils aus Südasien stammen. Menschenrechtsorganisationen beschäftigen sich mit dem Problem, das in allen arabischen Golfstaaten virulent ist, seit Jahren.
Neben Bauarbeitern werden weibliche Hausangestellte besonders häufig in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gezwungen. Die Regierung in Doha verweist auf zahlreiche Reformen und kritisiert die Kritiker.
Neuendorf fordert Entschädigungsfonds für Arbeiter
FIFA-Präsident Infantino hat inzwischen einen Nebenwohnsitz in Katar bezogen - auch als Zeichen seiner nach eigenen Angaben engen Verbindung zum arabischen Raum. Das Ergebnis der Gespräche von Faeser und Neuendorf mit dem FIFA-Präsidenten wird spannend. Neuendorf hatte den Weltverband zur Einrichtung eines Entschädigungsfonds für ausländische Arbeiter aufgefordert, noch verläuft die Diskussion schleppend.
Teamsport ist in dem arabischen Land nicht sehr verbreitet. An einem DFB-Projekt für Fußballerinnen, das die deutsche Delegation am Dienstag besuchen will, nehmen Frauen aus verschiedenen Staaten der Region teil. Ob und welches Mitglied der Bundesregierung während der WM womöglich in Katar auf der Tribüne sitzen wird, ist noch offen.