
Finanzen der Kommunen Mangelverwaltung und Investitionsstau
Die Steuereinnahmen steigen. Weil die Ausgaben noch schneller zunehmen, rechnen Kommunen unter dem Strich aber mit einem deutlichen Minus. Für Investitionen fehlt oft das Geld. Der Städte- und Gemeindebund spricht von einer dramatischen Lage.
"Ich kann jeden verstehen, der sagt: 'Das ist keine Straße mehr, das ist eine Zumutung'", sagt Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz und blickt auf die Schlaglochlandschaft unter seinen Füßen. Immer wieder muss sich der Remscheider Oberbürgermeister bei seinen Bürgerinnen und Bürgern dafür rechtfertigen.
"Ich finde es ganz, ganz fürchterlich", sagt Anneliese Winterhoff aus dem Fenster ihres Autos. Mehrmals die Woche muss die Remscheiderin über die Schlaglöcher fahren. "Ich hab mir schon die Federn vorne am Auto gebrochen und reparieren lassen müssen", sagt sie. Die Straße soll in den nächsten drei Jahren saniert werden, antwortet ihr der Oberbürgermeister: "Früher schaffen wir nicht."
Remscheid fehle es an Personal und Geld für solche Sanierungsprojekte, sagt SPD-Politiker Mast-Weisz. Die nordrhein-westfälische Stadt hat mehr als 600 Millionen Euro Schulden und einen Investitionsstau.
Kein Geld für neue Rathaus-Toiletten
Der Oberbürgermeister muss deshalb ständig priorisieren - auch in seinem eigenen Haus. Die Toiletten im Remscheider Rathaus sind teilweise seit den 1950er-Jahren nicht mehr saniert worden und sehen dementsprechend aus. Für seine Mitarbeiter sei das eine Zumutung, sagt Mast-Weisz selbst. Er müsse aber entscheiden: "Stecke ich das Geld in eine Schule oder stecke ich es hier rein?"
Remscheid schleppt seit Jahrzehnten Altschulden mit sich herum. Zuletzt aber sei die Stadt auf einem guten Weg gewesen, sagt Stadtkämmerer Sven Wiertz. In den Jahren vor der Corona-Krise habe die Stadt Schulden abbauen können, damit sei es aber inzwischen vorbei: "Wir sind wieder in der Situation, dass wir zusätzliche Schulden machen", sagt der Kämmerer.
Deutlich höhere Kosten für Kommunen
Wie viele andere Kommunen auch wird Remscheid von verschiedenen Seiten belastet. Die Stadt muss sich um die Unterbringung von Geflüchteten kümmern. Wie sich der Bund an diesen Kosten beteiligen wird, soll erst im November geklärt werden. Hinzu kommen künftig voraussichtlich deutlich höhere Personalkosten. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten von Bund und Kommunen. Außerdem sind die Kosten für Bauprojekte, zum Beispiel für neue Schulgebäude, stark gestiegen.
Zwar steigen aufgrund der Inflation gleichzeitig auch die Steuereinnahmen, unter dem Strich erwartet der Städte- und Gemeindebund aber ein deutliches Minus. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, sieht die Kommunen in einer "dramatischen Lage". Man müsse sich ehrlich machen und überlegen, was sich der Staat noch leisten könne, so Landsberg. Er bringt unter anderem ins Spiel, die geplante Erhöhung des Kindergeldes oder die Einführung des Bürgergeldes auszusetzen. "Ich wünsche mir einfach mehr Realismus", so Landsberg.
Oberbürgermeister fordert Lösung für Altschulden
Remscheids Oberbürgermeister Mast-Weisz wünscht sich vor allem Hilfe beim Abbau seiner Altschulden. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es, man wolle "den Kommunen bei der Lösung der Altschuldenproblematik helfen". Getan hat sich seitdem aber nichts, stattdessen hat sich die Finanzlage der Kommunen verschärft.
Doch auch der Bund ist finanziell längst nicht mehr in der komfortablen Situation der vergangenen Jahre, als er sogar zu negativen Zinsen Kredite aufnehmen konnte. Diese Niedrigzinsphase habe der Bund ungenutzt gelassen, kritisiert Mast-Weisz. Jetzt müsse die Bundesregierung die Altschuldenproblematik eben unter schwierigeren Rahmenbedingungen lösen, so die Forderung des Oberbürgermeisters.