Schüler betreten den Eingang zum Rheingau Gymnasium. (Archivbild: August 2020)

Corona-Studie Kehrtwende der Kultusminister

Stand: 05.08.2021 15:15 Uhr

Die Kultusministerkonferenz hat nun doch Zwischenergebnisse eines Studienprojekts zu Corona in Schulen veröffentlicht. Zuvor hatte es Kritik gegeben, weil die Berichte nicht publiziert werden sollten.

Pünktlich zum Ende der Sommerferien in mehreren Bundesländern wird erneut über die Risiken in Schulen im Hinblick auf die Ausbreitung des Corona-Virus diskutiert. Dabei geht es immer wieder um die Frage, inwieweit ein vollständiger Präsenzunterricht vertretbar ist.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hatte sich im Juni dazu klar positioniert und erklärt, man sei sich "darin einig, dass alle Schulen mit Beginn des neuen Schuljahrs 2021/22 dauerhaft im Regelbetrieb (regulärer Schulbetrieb mit allen Schulfächern und Unterrichtsstunden) besucht werden". Hintergrund sei, dass sich das Infektionsgeschehen "in den vergangenen Wochen positiv entwickelt" habe. Dabei gehe "von Kindern und Jugendlichen keine treibende Kraft in der aktuellen Situation aus".

Teilweise war erbittert über die Schließungen von Schulen gestritten worden. Mehrere Bildungspolitiker hatten sich dagegen gesperrt und behauptet, Schulen seien sicher. Um die Debatte auf eine sachliche Basis zu stellen, hatte die KMK daher ein Studienprojekt beauftragt. Fachleute der Universität Köln und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung sollten analysieren, welche Effekte Schulschließungen hatten und wie die internationale Forschungslage sei.

Zwischenberichte werden nicht veröffentlicht

Die Forschenden lieferten - wie angekündigt - bald erste Zwischenergebnisse. Diese waren für die Öffentlichkeit jedoch nicht zugänglich. Über das Portal "Frag den Staat" wollte ein Bürger von der Hamburger Schulbehörde, die das Forschungsprojekt für die KMK koordiniert, die Ergebnisse bekommen. Die Antwort der Behörde lautete, der Kultusministerkonferenz seien "die ersten Berichte des Forschungskonsortiums lediglich als Vorab-Zwischenergebnisse über den aktuellen Arbeitsstand übermittelt" worden. Diese seien "rein für den internen Gebrauch bzw. zur laufenden Information der Kultusministerkonferenz als Auftraggeberin der Studie bestimmt und können daher nicht zur Verfügung gestellt werden".

Damit gab sich der Bürger nicht zufrieden und beharrte auf einer Veröffentlichung, woraufhin sich die Hamburger Schulbehörde darauf berief, dass solche Informationen nicht der Herausgabepflicht unterliegen, "deren Bekanntmachung die Beziehungen zu einem anderen Land oder zum Bund gefährden würde". Es handele "sich vorliegend um eine Studie, deren Auftraggeberin nicht allein die Freie und Hansestadt Hamburg sondern vielmehr die Kultusministerkonferenz (KMK) ist". Daher würde die "isolierte Herausgabe der angefragten Informationen" die "Beziehungen zu den anderen Ländern voraussichtlich belasten". Auch auf Anfrage von tagesschau.de erklärte die Hamburger Schulbehörde, sie sei nicht zuständig.

Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz antwortete am 26. Juli auf die Anfrage von tagesschau.de, warum die Zwischenberichte nicht veröffentlicht würden, die "Studienergebnisse sollen als wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Zum genauen Veröffentlichungszeitpunkt der Artikel in den Fachzeitschriften kann keine Prognose abgegeben werden, weil sie zuvor einem Peer-Review-Verfahren unterzogen werden. Die Kultusministerkonferenz als Zuwendungsgeber erhält zu den unterschiedlichen Arbeitspaketen Abschlussberichte. Zurzeit liegen der KMK weder die wissenschaftlichen Artikel noch die Abschlussberichte vor".

Kehrtwende

Wenige Tage später erschienen dann plötzlich die Zwischenberichte auf der Seite der Kultusministerkonferenz - am Ende in der Rubrik "Entscheidungen zur Corona-Krise". Eine Pressemitteilung habe es dazu nicht gegeben, bestätigte ein Sprecher der KMK auf erneute Anfrage von tagesschau.de. Er erklärte weiter:

Zur Veröffentlichung der Zwischenergebnisse war mindestens ein Präsidiumsbeschluss der KMK erforderlich, dieser erfolgte auf einer ohnehin angesetzten außerordentlichen Sitzung am 30.07.2021. Die technische Umsetzung der Veröffentlichung erfolgte am Dienstag, 03.08.21, nach Abstimmung des Protokolls der Sitzung mit dem Präsidentschaftsland Brandenburg.

Zum Inhalt der Zwischenberichte wolle die KMK keine Stellung nehmen, das Gremium habe diese "zur Kenntnis genommen und in ihre Entscheidungen - neben anderen (öffentlich diskutierten) Studienergebnissen einfließen lassen", so der Sprecher.

"Effektive Instrumente"

In den nun veröffentlichten Zwischenberichten stellen die Fachleute unter anderem fest, "dass Kinder für die Übertragung von SARS-CoV-2 empfänglich sind und zu dieser beitragen". Zudem ergebe sich aus den Übersichtsarbeiten, "dass Schulschließungen effektive Instrumente zur Eindämmung der Epidemie sind, allerdings nicht als Einzelmaßnahme".

Die Auswirkung der Schließung oder teilweisen Schließung lasse sich nicht direkt aus den Infektionen ableiten, die dem schulischen Umfeld zugeschrieben werden, sondern es müssten auch die indirekten Effekte beachtet werden: "Dazu gehört eine Verringerung der Infektionen bei Kindern oder Schulpersonal durch weniger öffentliche Verkehrsmittel und andere Freizeitkontakte sowie weniger Infektionen im Allgemeinen, da die Eltern zu Hause bleiben. Darüber hinaus werden Schulschließungen als Zeichen der Ernsthaftigkeit der Epidemie wahrgenommen und können persönliche Einschränkungen verstärken."

Evidenzlage dürftig

Inwieweit es zu Übertragungen in Schulen kommt, können die Fachleute kaum seriös beantworten: Die Evidenzlage sei "dürftig und Studien generell von geringer Qualität". Es sei aber klar, dass eine Übertragung auch in Schulen stattfinde, sowohl von Personal auf Personal, von Personal auf Schülerschaft und umgekehrt, als auch zwischen Schülerinnen und Schülern.

Die Frage, ob Schulen bei bestimmter regionaler oder nationaler Infektionsdynamik geschlossen oder wieder geöffnet werden sollten, lasse sich aber nicht pauschal und eindeutig beantworten. Man müsse "abwägen zwischen den negativen Auswirkungen für Kinder - die von der COVID-19-Erkrankung als solcher weniger betroffen sind - und den schützenden Effekten für das Schulpersonal und die Bevölkerung durch die reduzierte Übertragung".

Zudem sei eine fortlaufende Beobachtung der Infektionssituation an Schulen entscheidend, weil eine Impfung im Kindesalter bisher nicht zugelassen sei und Infektionen in Schulen entsprechend auch noch zu erwarten seien, wenn in anderen Bevölkerungsgruppen ein Effekt von hohen Impfraten bereits eintrete. Die Diskussionen um die Schulen dürften also auch im Herbst weitergehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 22. November 2020 um 22:15 Uhr.