Tankrüssel verschiedener Treibstoffsorten an einer Tankstelle

Entlastung für CO2-Preis Wo bleibt das Klimageld?

Stand: 11.08.2023 16:39 Uhr

Klimaschädliches Heizen und Tanken wird teurer - das ist politisch gewollt. Im Gegenzug soll an jeden Bürger ein Klimageld ausgezahlt werden - doch die Mittel sind inzwischen anderweitig verplant.

Von Daniel Pokraka, ARD Berlin

Das Klimageld soll Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verknüpfen - und gilt damit als zentraler Baustein für die gesellschaftliche Akzeptanz von Klimapolitik. So sehen es Politiker weit über die Ampel-Parteien hinaus. Funktionieren soll der Mechanismus so: Der Staat verteuert den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 und gibt die Einnahmen den Bürgern zurück - und zwar allen gleich viel. Weil Menschen statistisch mehr CO2 ausstoßen, je mehr Geld sie haben, etwa durch mehr Flugreisen, größere Autos und größere Wohnungen, findet damit eine Umverteilung von oben nach unten statt.

Im Koalitionsvertrag festgelegt

Alle Ampel-Parteien hatten einen solchen Mechanismus 2021 in ihren Wahlprogrammen: Die Grünen als "Energiegeld", die FDP als "Klimadividende" und die SPD als "Pro-Kopf-Bonus", den sie "prüfen" wolle. Nach den Koalitionsverhandlungen war die Prüfung offenbar abgeschlossen; die Ampel verständigte sich auf den Begriff "Klimageld" und versprach dieses Instrument im Koalitionsvertrag.

Doch die Sache hat einen Haken: Während Teil 1 des Mechanismus - die Verteuerung des CO2-Ausstoßes - beschlossen ist, lässt Teil 2 - die Rückzahlung an die Bürger in Form eines Klimageldes - auf sich warten. Der Bund hat nämlich bisher rein technisch gar keine Möglichkeit, allen Bürgern etwas auszuzahlen. Allerdings verspricht das Bundesfinanzministerium: "Der Auszahlungsweg soll noch in dieser Legislaturperiode zur Verfügung stehen."

Mittel für Klimageld stehen nicht mehr bereit

Allerdings sind die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung inzwischen anderweitig verplant. Das zeigt der in dieser Woche von der Bundesregierung beschlossene Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds (KTF), einen milliardenschweren Topf außerhalb des eigentlichen Bundeshaushalts. Finanziert werden aus dem Fonds Investitionen, die dem Klimaschutz dienen sollen: in Gebäudesanierungen, in das Schienennetz der Bahn und viele weitere Projekte. Der Wirtschaftsplan des KTF verplant seine Einnahmen bis 2027.

Zwei Jahre früher, 2025, endet die Legislaturperiode, und sollte dann tatsächlich ein Auszahlungsweg für ein Klimageld vorliegen, stellt sich die Frage: Welche Summe kann dann noch als Klimageld pauschal an alle Bürger ausgezahlt werden - wenn alle Mittel aus dem KTF anderweitig verplant sind?

Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums stellt sich diese Frage jetzt noch nicht. Das Haus von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) verweist auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios darauf, dass der Auszahlungsmechanismus für ein Klimageld noch nicht bereitsteht ("Schritt 1"): "Erst dann stellt sich im Schritt 2 die konkrete Finanzierungsfrage." Haushaltsrechtlich liege bis dahin noch keine "Etatreife" vor.

Die Union spricht von "Vertrauensbruch"

Die Opposition lässt das nicht gelten. Andreas Jung, klimapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht von einem "Vertrauensbruch" durch die Ampelkoalition. Er weist darauf hin, dass das Klimageld im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. "Die Umsetzung steht in den Sternen und der Finanzierung wird jetzt der Boden entzogen", sagt Jung dem ARD-Hauptstadtstudio.

Kritik kommt auch von einer wichtigen Beraterin der Bundesregierung. Veronika Grimm ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den "Wirtschaftsweisen". Sie hält die Tatsache, dass im Wirtschaftsplan des KTF keine Reserve für ein Klimageld vorgesehen ist, für "nicht nachvollziehbar". Grimm sieht dadurch die gesellschaftliche Akzeptanz der Transformation hin zu mehr Klimaschutz gefährdet.

Grüne halten an Klimageld fest

Sollte das so kommen, wäre das politisch wohl vor allem für die Grünen ein Problem. Sie stellen mit Habeck den Bundeswirtschaftsminister und stehen - ob zu Recht oder zu Unrecht - ohnehin unter Verdacht, beim Klimaschutz die soziale Frage häufig nicht mitzudenken.

Entsprechend versucht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, Zweifel an der Einführung eines Klimageldes zu zerstreuen: "Das Klimageld ist ein zentrales Vorhaben der Ampel, wir brauchen es als sozialen Ausgleich." Finanzminister Lindner müsse zügig einen Auszahlungsmechanismus bereitstellen. Doch mit der Frage, ob dann überhaupt noch finanzielle Mittel für ein Klimageld da sind, wollen sich Audretsch und auch das Wirtschaftsministerium erst einmal nicht befassen.

Hans-Joachim Vieweger, ARD Berlin, tagesschau, 11.08.2023 15:57 Uhr