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Verbraucherschutz Klagen gegen große Konzerne sollen einfacher werden

Stand: 07.07.2023 17:48 Uhr

Wer gemeinschaftlich gegen ein Unternehmen klagt, soll es künftig leichter haben. Ob bei annullierten Flügen oder unrechtmäßigen Vertragsklauseln: Das erweiterte Verbandsklagerecht sieht unter anderem schnellere Entschädigungen vor.

Der Bundestag ermöglicht eine neue Form der Verbandsklage, mit der Verbraucherinnen und Verbraucher gegen Unternehmen vorgehen können. Verfehlungen sollen so künftig weniger kompliziert aufgearbeitet werden. Ein entsprechendes Gesetz wurde im Plenum verabschiedet - mit den Stimmen der Ampelparteien. Union und AfD stimmten dagegen. Die Linksfraktion enthielt sich. Ein von ihr eingebrachter Entschließungsantrag wurde mehrheitlich abgelehnt. 

Verbände sollen künftig diese Klage nutzen können, wenn sie mindestens 50 betroffene Konsumentinnen und Konsumenten vertreten. Außerdem sollen auch kleine Unternehmen dabei gegen größere Konzerne profitieren können. Der Verbraucherzentrale Bundesverband kündigt bereits an, zügig von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen zu wollen.

Ergänzung der Musterfeststellungsklage

Die Verbandsklage ergänzt die bestehende Musterfeststellungsklage. Zentraler Unterschied ist, dass Geschädigte ihre Erstattungen direkt nach einer erfolgreichen Klage erhalten sollen. Die Musterfeststellungsklage wurde 2018 infolge des VW-Dieselskandals eingeführt: Seitdem können Verbraucherinnen und Verbrauchern gemeinsam gegen Unternehmen klagen.

Europas größter Autobauer hatte 2020 als Folge der Klage mühsam einen Vergleich mit Verbraucherschützern ausgehandelt. An geschädigte Kundinnen und Kunden wurden Beträge zwischen 1350 und 6250 Euro ausgezahlt.

Leichtere juristische Aufarbeitung ermöglichen

Mit dem neuen Gesetz soll eine EU-Richtlinie verspätet in deutsches Recht umgesetzt werden. Verfehlungen von Unternehmen sollen so künftig leichter juristisch aufgearbeitet werden. Dies könnte zum Beispiel zur Anwendung kommen, wenn Flüge annulliert werden und zahlreiche ähnliche Entschädigungsansprüche bestehen. Gewährleistungsansprüche wegen fehlerhafter Produkte könnten ebenfalls Gegenstand einer Klage sein, ebenso Ansprüche von Bankkunden bei unwirksamen Vertragsklauseln.

FDP und Grüne uneins über Zeitspanne

Knackpunkt in den vorherigen Beratungen im Bundestag war der Zeitpunkt, bis zu dem sich solchen Klagen angeschlossen werden kann. Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte gefordert, dass Verbraucher sich auch nach einem Urteil noch anschließen können.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) forderte unter Verweis auf die nötige Planbarkeit für Unternehmen, dass dies bis spätestens zum Prozessbeginn der Klage geschehen sein müsse. Der Kompromiss besagt nun, dass Verbraucher bis drei Wochen nach Ende der mündlichen Verhandlung vor Gericht Zeit haben.

Kritik aus Union und Wirtschaft

Die Bundesregierung verspricht sich durch die Neuregelung neben mehr Verbraucherschutz auch eine Entlastung der Justiz. Sie rechnet nach eigenen Angaben mit jährlich 15 Klagen von Verbänden gegen Unternehmen, damit würden 22.500 Individualklagen entfallen. Der CDU-Abgeordnete Martin Plum zweifelte dies auf Twitter an.

Unionsabgeordnete kritisierten unter anderem den "späten Zeitpunkt, bis zu dem man der Klage beitreten kann". Insgesamt sei das Risiko "zwischen Verbänden und Unternehmen eklatant ungleich verteilt", sagte Günter Krings. Unternehmensvertreter hatten im Gesetzgebungsverfahren ebenfalls wiederholt Kritik geäußert.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft begrüßte das finale Gesetz jedoch als "Kompromiss, der viele sinnvolle Regelungen zur Rechtssicherheit enthält".