Grippeimpfung
FAQ

Bevorstehende Krankheitssaison Grippeimpfung - ja oder nein?

Stand: 10.09.2020 06:27 Uhr

In der Corona-Pandemie können andere Infektionen zu zusätzlichen Risiken führen - für den Einzelnen und für das Gesundheitssystem. Eine Grippeimpfung wird deshalb dieses Jahr besonders empfohlen. Aber für wen?

Einen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt es noch nicht. Das Robert Koch-Institut (RKI) erwartet ihn frühestens Anfang kommenden Jahres - und dann auch nicht direkt für alle. Es sei aber wichtig, einen guten allgemeinen Gesundheitszustand in der Bevölkerung zu erhalten, heißt es. Um bei wieder steigenden Zahlen von Covid-19-Infektionen das Gesundheitssystem zu entlasten. Ein umfassender Impfschutz nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) könne dazu beitragen. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht dabei die Grippeimpfung.

Wer sollte sich gegen Grippe impfen lassen?

Die Hauptrisikogruppe für Covid-19 ist die gleiche wie bei der Influenza: Menschen über 60 Jahre und Patienten mit Grunderkrankungen. Diesen Menschen empfiehlt die STIKO deshalb in diesem Jahr ganz besonders die Grippeschutzimpfung. Darüber hinaus sollte sich medizinisches Personal in Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen sowie Schwangere impfen lassen. So kann die Gefahr von Superinfektionen minimiert und das Gesundheitssystem entlastet werden.

Sollten sich alle impfen lassen?

Tatsächlich haben jüngst verschiedene Politiker und Mediziner dazu aufgerufen, dass nicht nur die Risikogruppen sich impfen lassen. Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte beispielsweise eine möglichst lückenlose Grippeimpfung des pädagogischen Personals. Die in den kalten Monaten zu erwartende Grippewelle dürfe nicht den Betrieb von Kitas und Schulen gefährden. Und das könne nur gewährleistet werden, wenn sich sowohl Kinder als auch das Personal impfen ließen.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte: "Jeder, der sich und seine Kinder impfen lassen will, sollte das auch tun." Gleichzeitig eine Grippewelle und die Corona-Pandemie könne das Gesundheitssystem nur schwer verkraften. Ähnlich äußerte sich SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

Eine Grippeimpfung von Kindern empfiehlt die STIKO bisher nicht. Lediglich für Kinder, die wegen Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Komplikationen haben. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie wiederum rät dazu, Kinder zu impfen, weil sie "das Influenza-Virus maßgeblich übertragen".

Besteht bei Kindern ein höheres Übertragungsrisiko?

Der Berliner Sprecher beim Verband der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, hält die Aufrufe alle Kinder zu impfen für sehr unglücklich. Zum einen, weil die Impfdosen dafür nicht ausreichen würden. Zum anderen, weil "wie schon bei Corona der Anschein erweckt wird, dass Kinder Superspreader seien. Das sind sie aber nicht", sagt er. Kinder seien ganz normale Infektionsträger.

"Zwar würden wir es grundsätzlich begrüßen, wenn die gesamte Bevölkerung und auch alle Kinder gegen Grippe geimpft werden könnten", sagt der Kinderarzt im Gespräch mit tagesschau.de. Denn auch bei gesunden Menschen könne eine Grippe in seltenen Fällen tödlich verlaufen. Doch der Impfstoff reiche nicht einmal für die Risikogruppen aus. Diese und das medizinische und pädagogische Personal müssten deshalb Priorität haben.

Was Eltern außerdem wissen müssen: Für Kinder, die keiner Risikogruppe angehören, muss die Impfung zunächst selbst bezahlt werden. Viele Krankenkassen erstatten die Kosten zwar hinterher, allerdings nicht alle.

Droht ein Engpass beim Grippeimpfstoff?

Wenn alle Menschen, die einer Risikogruppe angehören, sich impfen ließen, wären das etwa 40 Millionen. Es werden in dieser Saison voraussichtlich allerdings nur rund 26 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erwartet 21 Millionen von den Herstellern, darüber hinaus habe das Bundesgesundheitsministerium weitere Millionen Imfdosen beschafft, die sukzessive bis Dezember zur Verfügung stehen würden. Laut PEI-Prognose wird das auch bei größerem Andrang ausreichen.

Doch der Widerspruch bleibt, dass 26 Millionen Impfdosen nicht für 40 Millionen Menschen ausreichen. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahren zeigt allerdings, dass nur etwa ein Drittel oder weniger Menschen aus der Risikogruppe sich impfen lassen. Selbst wenn es in dieser Saison mehr Andrang gäbe, würden wohl doch nicht alle zur Impfung gehen, so offenbar die Einschätzung. Gesundheitsexperte Lauterbach sieht das anders. Er hat bereits vor Lieferengpässen gewarnt und angemahnt, dass es "unbedingt noch zusätzlichen Impfstoff brauche".

Auch die STIKO hat sich gegen eine Impfempfehlung für die Gesamtbevölkerung ausgesprochen, da der Impfstoff dafür nicht ausreiche.

Hilft die Grippeimpfung bei Corona?

Zumindest könne die Grippeimpfung einen positiven Effekt auf das Risiko bei einer Infektion mit dem Coronavirus haben, sagt Ärztepräsident Reinhardt. Zwar führe die Grippeimpfung nicht zu einer spezifischen Immunisierung gegen Corona, könne aber das Immunsystem derart stärken, dass eine Infektion mit dem neuartigen Erreger harmloser verlaufe. Jede Impfung sei "ein Trainingsprogramm für das Immunsystem", sagte Reinhardt.

Wogegen sollte man sich noch impfen lassen?

Auch von einer Pneumokokken-Impfung war in Zusammenhang mit den Risiken einer Corona-Infektion die Rede. Zwar schützt auch die laut RKI nicht vor Covid-19. Allerdings können Infektionen mit Pneumokokken zu schweren Lungenentzündungen und Blutvergiftungen führen. Bei Influenza-Erkrankungen seien bakterielle Superinfektionen durch Pneumokokken bekannte Komplikationen. Gleiches könne bei Corona auftreten, weshalb eine Impfung auch hier helfen könnte, schätzt das RKI.

Da der Pneumokokken-Impfstoff momentan akute Mangelware ist, sollen zurzeit vorrangig Menschen geimpft werden, die ein besonders hohes Risiko für diese Erkrankung haben. Dazu zählen Kinder in den ersten beiden Lebensjahren und ältere Menschen ab 60 beziehungsweise Menschen mit chronischen Krankheiten der Lunge oder des Herzens sowie Diabetes oder bestimmte neurologische Krankheiten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 8. September 2020 um 10:43 Uhr.