
Freiwilliger Wehrdienst Einsatzbereit in sieben Monaten
Konnte die Bundeswehr früher viele Soldaten aus dem Grundwehrdienst rekrutieren, setzt sie heute auf den freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz. Das Schnellprogramm soll junge Menschen für die Truppe begeistern.
Es ist 9:15 Uhr auf dem Standortübungsplatz Krähenberge. Für Darius Okra und Annalena Hampe beginnt bereits der dritte Tag der Geländeausbildung im Freien - fester Bestandteil der Grundausbildung beim freiwilligen Wehrdienst.
"Ein Einblick ohne jahrelange Verpflichtung"
Hampe ist eine von zehn angehenden Heimatschützern im Logistik-Bataillon 171 in Burg bei Magdeburg. Die 20-Jährige aus Niedersachsen hat sich bewusst für den freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz entschieden. Vorher habe sie im Sicherheitsdienst gearbeitet, doch das sei ihr zu langweilig geworden, sagt sie. "Und es war schon immer in der Planung, hierhin zu gehen."
Auch für Okra ist der Freiwilligendienst eine Art Schnupperkurs - ohne sich lange verpflichten zu müssen. Für ihn stand fest, dass er auf jeden Fall studieren möchte. "Es gibt über 20 verschiedene Studiengänge hier - da hab ich gedacht, ich gucke mir die Bundeswehr mal an." Okra entschied sich für den Heimatschutz. Das bedeutet: sieben Monate aktiver Dienst in Burg und dann noch einmal fünf Monate Reservistenzeit, verteilt auf sechs Jahre. "Das ist nicht zu kurz und nicht zu wenig, um mal einen Einblick in die Bundeswehr zu bekommen."
Gleich für die erste Übung muss alles ganz schnell gehen: Sie kriechen zum Alarmposten, eine Art Wache für das Lager. Die Rekruten harren in der Deckung aus, um den vermeintlichen Feind erspähen zu können. Der zeigt sich, gespielt von anderen Soldaten, in 40 Metern Entfernung.
Es folgen Schüsse aus Manövermunition: Platzpatronen, die für die Übungen eingesetzt werden. Auch Hampe hält die Stellung: "Die Tarnung ist sehr wichtig, da man ja selber nicht erschossen werden will oder die Gruppe auch schützen möchte."
Reserve von 100.000 Soldaten geplant
Für Kommandeur Michael Hinz hat das Programm eine besondere Bedeutung: "Wir haben bisher unsere freiwillig wehrdienstleistenden Soldaten für unterschiedlichste Aufgaben eingesetzt - aber eben auch mit der Zielrichtung den Einen oder Anderen auf Auslandseinsätze mitzunehmen. Beim freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz geht es uns darum, Kräfte für den Dienst in Deutschland zu gewinnen - Leute die sagen, 'wir wollen uns für den Staat und die Bundeswehr einsetzen, interessieren uns für den Bevölkerungs- und Heimatschutz.'"
Vor allem die staatliche Krisenvorsorge und bestehende Reservestrukturen sollen mit dem freiwilligen Wehrdienst gestärkt werden. 100.000 Soldatinnen und Soldaten sind zukünftig für eine Reserve geplant. Der Dienst soll den Rekruten eine Verwendung in den Streitkräften anbieten - nach der Grund- und Spezialausbildung möglichst in der Region, in der sie leben.

Beim Training im Gelände kommen die Rekruten an ihre Grenzen.
"Tierisch anstrengend"
Nach der ersten Übung folgt der zweite Einsatz: der Feuerkampf, ein Höhepunkt der Geländeausbildung. Jetzt müssen die Rekruten zeigen, was sie bisher gelernt haben. Für Hampe ein Kraftakt: Sie stolpert, kommt aber sofort wieder auf die Beine.
Besonders wichtig: Die Rekruten sollen sich und ihre Kameraden schützen und ihre Schüsse gezielt setzen. Jede falsche Bewegung könnte im Ernstfall tödlich sein. Für Hampe eine große Herausforderung: "Im ersten Moment ist man frustriert weil man hingefallen ist, oder man denkt, man schafft es nicht." Doch gerade auf den Willen, weiterzumachen, komme es nun an.
Auch Okra kommt an seine körperlichen Grenzen: "Es ist tierisch anstrengend", sagt er. "Wir werden körperlich sehr stark gefordert, aber es macht aber auch Spaß." Nach zehn Stunden Aktion im Feld gibt es noch eine letzte Lagebesprechung. Dann: die lang ersehnte Mahlzeit des Tages. "Die Ein-Mann-Packung soll für einen Tag die Verpflegung eines Soldaten stellen", erklärt Okra. "Heute gibt es Fleischbällchen mit Tomatensoße."
Zum Tagesausklang können sich die Rekruten im sogenannten Gruppennest miteinander austauschen. "Freunde fürs Leben habe ich hier auch schon gefunden", sagt Okra. "Wir sind 24 Stunden am Tag aufeinander, daraus haben sich schon richtig gute Freundschaften entwickelt."
Härteprüfung zum Abschluss
In der Nacht wechseln sich am Lagerfeuer Teams von Feuerwache und Alarmposten im Zwei-Stunden-Takt ab. Nach wenig Schlaf geht es am nächsten Morgen für die jungen Soldaten direkt weiter mit dem Abschluss der Geländeausbildung.
Die letzte Übung ist auch der wohl schwierigste Part: ein Hindernisparcours. Die Rekruten müssen mit Waffe über Holzbalken springen oder unter einem Stacheldrahtzaun hindurchkriechen. Für alle Rekruten ist diese Etappe kräftezehrend. Hier sind sie auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Hampe kämpft sich durch: "Ohne meine Kameraden hätte ich das nicht geschafft", sagt sie. Für einige Hindernisse stimme ihre Körpergröße nicht. Die letzten Tage waren eine prägende Erfahrung für sie: "Ich denke, ich gehe da schon als stärkerer Mensch raus als ich reingekommen bin."
Nach vier Tagen im Biwak, wenig Schlaf und zwei Durchgängen auf der Hindernisbahn "tut wirklich mein halber Körper weh", gibt Okra zu. Doch für ihn und Hampe steht trotz der Strapazen bereits fest: Sie möchten nach dem freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz erst einmal bei der Bundeswehr bleiben.