
Debatte über Exit-Strategie Leere Stadien wohl noch für viele Monate
Stand: 14.04.2020 11:41 Uhr
Wann werden die Corona-Beschränkungen wieder gelockert - und wie? Die Debatte ist vor dem Treffen von Merkel und den Ministerpräsidenten in vollem Gange. Schon jetzt ist absehbar: Fußballstadien dürften noch lange leer bleiben.
Vor dem möglicherweise entscheidenden Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten am Mittwoch fordern immer mehr Politiker Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck plädierten dafür, Schulen und auch Kitas nach und nach wieder zu öffnen - aber begleitet von Vorsichtsmaßnahmen. Die SPD-Ministerpräsidenten wollen mögliche Lockerungen an eine Reihe von Indikatoren knüpfen.
Die nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina hatte gestern für einen "realistischen" Zeitplan zurück zur Normalität plädiert. Die einflussreichen Wissenschaftler empfahlen, Schulen "sobald wie möglich" wieder zu öffnen - angefangen bei Grundschulen sowie Unter- und Mittelstufen.
Die Leopoldina nannte allerdings auch zahlreiche Voraussetzungen, damit das öffentliche Leben wieder normaler ablaufen kann: Die Zahl der Neuinfektionen müsse sich auf niedrigem Niveau stabilisieren. Kliniken bräuchten genug Reserve. Schutzmaßnahmen wie Hygiene, Abstandsregeln und auch das Tragen von Schutzmasken müssten eingehalten werden. Dann könnten auch Einzelhandel und Gastgewerbe wieder öffnen, Menschen wieder reisen.
Kommt die Mundschutz-Pflicht?
Für den öffentlichen Personenverkehr empfehlen die Wissenschaftler eine Mundschutz-Pflicht. "Immer dann, wenn das Zwei-Meter-Abstandsgebot nicht eingehalten werden kann, muss Mundschutz getragen werden", sagte der Präsident der Leopoldina, Gerald Haug, in den tagesthemen.
Diesen Vorschlag unterstützt auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Der "Passauer Neuen Presse" sagte sie zu einer möglichen Maskenpflicht: "Alle Vorsichtsmaßnahmen wie die Abstands- und Hygienegebote müssen weiterhin strikt eingehalten werden - und zusätzlich muss ein Mund-Nase-Schutz im öffentlichen Raum getragen werden."
Auszeit für den Fußball kann lange dauern
Im Fußball rechnet der Präsident der Leopoldina allerdings über einen deutlich längeren Zeitraum mit Geisterspielen. "Es wird sicherlich viele Monate dauern, es kann bis zu eineinhalb Jahre sein", sagte Haug in den tagesthemen auf die Frage, wie lange auf Besuche in Fußballstadien verzichtet werden sollte. Er verwies darauf, dass die Corona-Pandemie erst ende, wenn ein Impfstoff gegen das Virus gefunden sei. Bis dahin sei es "sicherlich klug", nicht ins Fußballstadion zu gehen. Ob es bis zur Öffnung der Stadien für die Fans wirklich eineinhalb Jahre dauere, müsse man abwarten. Es gebe auch "optimistischere Prognosen", wann ein Impfstoff bereitstehen könnte.
Prof. Gerald Haug, Präsident Leopoldina, zur Studie der weiteren Corona-Maßnahmen
tagesthemen 21:45 Uhr, 13.04.2020
Die Deutsche Fußball Liga hat für den Freitag eine außerordentliche Mitgliederversammlung angesetzt. Dann soll über eine mögliche Fortsetzung der Saison in den Bundesligen im Mai entschieden werden. Die DFL plant vorerst mit Geisterspielen, um zumindest große Teil der noch ausstehenden TV-Gelder und Sponsoren-Einkünfte in Höhe von rund 750 Millionen Euro zu retten.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hält Bundesligaspiele vor Zuschauern im Herbst für nicht ausgeschlossen. Sollte sich die Corona-Krise im Sommer in die richtige Richtung entwickeln, könnten in der kommenden Fußball-Saison wieder Fans in die Arenen gelassen werden. "Ich hoffe sehr, dass wir dann insgesamt eine Gesundheitssituation hinbekommen, wo das auch wieder möglich ist", sagte Herrmann dem BR. Allerdings seien alle Planspiele vom weiteren Vorgehen im Kampf gegen Covid-19 abhängig.
Die Politik bestimmt den Fahrplan
Bundeskanzlerin Merkel hatte die Studie der Leopoldina als "sehr wichtig" für das weitere Vorgehen bezeichnet. Merkel und die Ministerpräsidenten beraten dann am Mittwoch darüber, wie nach dem 19. April verfahren wird.
Leopoldina-Präsident Haug verwies darauf, dass die Stellungnahme der Wissenschaftler nur eine Empfehlung sei. "Der Fahrplan muss ganz klar von der Politik kommen", sagte der Klimaforscher in den tagesthemen.
Lob für die Disziplin der Deutschen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schrieb die Erfolge in den letzten Tagen bei der Corona-Bekämpfung der großen Disziplin in der Bevölkerung zu. Diese Disziplin sei auch in der Zukunft noch erforderlich, sagte er im ARD-Morgenmagazin. E sei nicht in der Lage, ein konkretes Datum für die Rückkehr in die Normalität zu nennen. Die nächsten Tage würden mehr Klarheit bringen. Es werde sehr differenzierte Vorschläge geben, um das Alltagsleben schrittweise wieder hochzufahren.
Grüne fordern stufenweise Öffnung der Schulen
Die Grünen-Chefs Baerbock und Habeck schlagen einen stufenweisen Rückkehr in den Schulalltag vor. "Abschlussklassen sollten als erste wieder in die Schulen", heißt es in einem Brief an die Parteimitglieder. Auch die Klassen eins bis sechs sollten Priorität haben, weil die Betreuung der jüngeren Schüler besonders wichtig sei. "Kitas sollten schrittweise geöffnet werden", so Baerbock und Habeck - erst für Kinder mit einem Elternteil in sogenannten systemrelevanten Berufen, dann auch für andere, vor allem an Orten mit geringen Infektionszahlen. Sowohl für Schüler als auch Kita-Kinder schlagen die beiden vor, Gruppen aufzuteilen, um sie zu verkleinern.
Die Leopoldina hatte empfohlen, Kitas bis zu den Sommerferien im Notbetrieb zu lassen, und nur Fünf- bis Sechsjährige mit höchstens fünf Kindern im Raum auf den Übergang in die Grundschule vorzubereiten.
Justizministerin warnt vor Diskriminierung
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht versicherte, dass nach der Corona-Krise alle freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wieder zurückgenommen werden. "Als Justizministerin werde ich darauf hinwirken, dass die Einschränkungen keinen Tag länger aufrechterhalten werden als unbedingt nötig ist, um Leben und Gesundheit zu schützen", sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Gleichzeitig sprach sie sich gegen eine Isolation der Älteren und chronisch Kranken aus. Sie warnte vor Diskriminierung: "Das Gegeneinander-Ausspielen von Generationen ist sicher nicht der richtige Weg."
SPD-Länderchefs setzen auf Indikatoren
Die SPD-Ministerpräsidenten wollen mögliche Lockerungen der Corona-Regeln an eine Reihe von Indikatoren knüpfen. Das sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer der "Allgemeinen Zeitung Mainz". Zu den Indikatoren gehören für die SPD-Ministerpräsidenten demnach eine niedrige Rate der Neuansteckungen, eine ausreichende Kapazität des Gesundheitssystems, die ausreichende Nachverfolgung von Infizierten und den Kontaktpersonen, die Ausweitung von Tests und ausreichend Schutzausrüstung.
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