
Corona-Impfstart in Deutschland Ein erster Schritt
Bundesweit haben Tausende Menschen die ersten Impfungen gegen das Coronavirus erhalten. Doch trotz der Erleichterung über den Impfstart wird die Forderung laut, dass es mit dem Impfen wesentlich schneller gehen müsste.
Am 27. Januar dieses Jahres wurde in Bayern die erste Corona-Infektion bundesweit nachgewiesen. Das Virus hatte Deutschland erreicht. Genau elf Monate später rückten Hunderte Teams in sämtlichen 16 Bundesländern aus, um beim offiziellen EU-weiten Impfstart Tausende Menschen gegen die neuartigen Erreger zu impfen.
Gemäß der Impfstrategie standen zunächst Bewohner in Alten- und Pflegeheimen ab 80 Jahre im Fokus, ebenso Ärzte, Pfleger und medizinisches Personal. Zu den ersten, die in Deutschland den Wirkstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer erhielten, zählten eine 101-Jährige in Berlin, eine 95 Jahre alte Frau in Nordrhein-Westfalen und eine Krankenschwester in Frankfurt am Main.
Der "Schlüssel aus der Pandemie"
Der Impfstart gebe Hoffnung und Zuversicht, twitterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu Beginn der bislang größten Impfaktion in Deutschland: "Dieser Impfstoff ist der entscheidende Schlüssel, diese Pandemie zu besiegen. Er ist der Schlüssel dafür, dass wir unser Leben zurückbekommen können."
Bundesweit zeigten sich Politiker und Ministerpräsidenten zufrieden und erleichtert mit dem Auftakt der Corona-Impfungen. Von einem "Meilenstein" sprach Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann, von einem "Lichtblick" Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.
Bundesinnenminister Horst Seehofer warnte allerdings davor, die geltenden Corona-Beschränkungen nun zu rasch zu lockern. Die Maßnahmen, die im Oktober beschlossen worden waren, seien aus seiner Sicht unzureichend gewesen, sagte er der "Bild am Sonntag". Im November hatte bundesweit ein Teil-Lockdown gegolten, erst Mitte Dezember wurde er nochmals verschärft. Die Auflagen gelten bis vorerst zum 10. Januar.
Seehofer gab daher den Ministerpräsidenten eine Mitverantwortung für die hohen Infektionszahlen, da einige "den Ernst der Lage" unterschätzt hätten. "Die Bürgerinnen und Bürger haben die zweite Corona-Welle in diesem Ausmaß nicht zu verantworten."
Ein Schnellstart und Verzögerungen
Der Landkreis Halberstadt im Harz wollte allerdings nicht bis zum offiziellen Startschuss warten. Hier wurden schon am Samstag die ersten Bewohner und Mitarbeiter eines Pflegeheims geimpft. Edith Kwoizalla, 101 Jahre alt, war somit die erste Deutsche, die das Vakzin gespritzt bekam. Angesichts der dramatischen Lage bei der Ausbreitung der Pandemie habe man keine Zeit verlieren wollen, hieß es von den Betreibern des Altenheims. Die vorgezogene Premiere traf Spahn und den Ministerpräsidenten des Bundeslandes, Reiner Haseloff, doch etwas überraschend. Er sei per SMS von Spahn über den vorgezogenen Impfstart informiert worden, sagte Haseloff heute.
Zu Verzögerungen kam es dafür in Bayern: In acht oberfränkischen Landkreisen und den dazugehörigen kreisfreien Städten musste der Impfstart verschoben werden. Der Grund waren Bedenken, ob bei dem Transport des Impfstoffes die notwendige Kühltemperatur beständig eingehalten werden konnte.
Mutationen machen Impfen zum "Wettlauf gegen die Zeit"
Auch am ersten Tag der Impfkampagne wurde die Frage laut, ob in Sachen Impfen nicht mehr getan werden könne. Der wichtigste Faktor dabei: die Zeit. Der Impfstart sei zwar gut gelaufen, sagte der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. "Das Problem aber ist, dass wir mit dem vorhandenen Impfstoff nur fünf Millionen Menschen bis Ende März impfen können. Das ist bei Weitem nicht so viel, wie wir impfen könnten", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Vor allem dadurch, dass das Virus bereits Mutationen gebildet hat, werde das Impfen "zum Wettlauf gegen die Zeit". Lauterbach forderte daher, dass die Unternehmen Biontech und Pfizer ihre Produktionskapazitäten erhöhen sollten, damit die Menschen schneller geimpft werden könnten.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte in der "Bild am Sonntag", dass es einfach zu wenig Impfstoff gebe. Auch er plädierte dafür, bei der Herstellung des Vakzins mehr Tempo zu machen.
Sonderrechte für Geimpfte?
Eine andere Frage, die Diskussionen aufwirft, sind drohende Unterschiede im Umgang mit bereits geimpften Personen und Menschen, die noch keine Impfung bekommen haben. Solche möglichen Sonderrechte lehnt Bundesinnenminister Horst Seehofer klar ab. Eine Unterscheidung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften komme einer Impfpflicht gleich, und er sei gegen einen Zwang, betonte er in der "BamS"
Seehofer lehnte auch Sonderrechte von Unternehmen wie Airlines und Konzertveranstaltern ab. "Ich kann davor nur warnen", sagte er der "BamS". Eine Sonderbehandlung für Geimpfte spalte die Gesellschaft. "Des einen Privileg ist die Benachteiligung des anderen."
Auch Lauterbach sprach sich klar gegen Sonderrechte für Geimpfte aus: "Privilegien für die Geimpften sind weder kontrollierbar noch gut zu rechtfertigen." Zudem sei nicht nachgewiesen, dass Geimpfte andere Personen nicht doch noch anstecken können.
Schon vor dem Impfstart hatte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek allerdings die Sorge geäußert, dass sich gewisse Vorzugsbehandlungen wohl kaum verhindern ließen. Etwa, indem Restaurants oder Kultureinrichtungen von Gästen einen Impfnachweis oder negativen Corona-Test verlangen könnten.
Ein weiteres Beispiel scheint das Reisen zu sein. Der Chef der Lufthansa, Carsten Spohr, sagte der "Welt am Sonntag", auf Langstreckenflügen müssten Passagiere künftig wohl geimpft sein oder sie müssten einen negativen Corona-Test vorweisen können.
150.000 Impfdosen geliefert
Rund 150.000 Impfdosen waren am Samstag an die Bundesländer geliefert worden. Bis Ende des Jahres soll die Zahl laut Spahn auf 1,3 Millionen Dosen ansteigen. Bis Ende März, so hofft der Gesundheitsminister, sollen es bis zu zwölf Millionen Impfdosen werden. Und bis zum Sommer könne dann allen Bürgern ein "Impfangebot" gemacht werden, vorausgesetzt auch die Wirkstoffe anderer Unternehmen wie dem US-Konzern Moderna werden in der EU zugelassen.
Das Ziel der Bundesregierung ist eine sogenannte Herdenimmunität. Dafür müssen sich 60 bis 70 Prozent aller Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus impfen lassen.