
Bundesregierung zu Coronavirus "Lage hat sich deutlich verschärft"
Stand: 27.02.2020 14:34 Uhr
Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich das Coronavirus in Deutschland weiter ausbreiten wird. Der Krisenstab befasst sich daher mit der Tourismusmesse ITB. Von immer mehr ankommenden Fluggästen werden die Daten erfasst.
Die Bundesregierung stellt die Bevölkerung in Deutschland auf eine flächendeckende Verbreitung des Coronavirus ein. Es müsse damit gerechnet werden, dass sich die Epidemie auch hierzulande ausbreite, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesinnenminister Horst Seehofer. Beide Ministerien richteten einen gemeinsamen Krisenstab ein.
Seehofer erklärte, nach dem Auftreten des Virus in Europa und in Deutschland habe sich "die Lage deutlich verschärft". Die Regierung werde alles "Menschenmögliche" zum Schutz der Bevölkerung tun. "Es wird eine weitere Entwicklung nach oben geben", sagte der CSU-Politiker.
Aussteigekarten für Fluggäste aus fünf Ländern
Es gehe vor allem darum, die Infektionsketten in und nach Deutschland zu unterbrechen, erklärte der Innenminister. Deshalb werden nicht mehr nur die Daten von landenden Fluggästen aus China in Deutschland erfasst. Auch ankommende Fluggäste aus Südkorea, Japan, dem Iran und Italien müssten nun ihre Daten abgeben, kündigte Spahn an. Entsprechende Aussteigekarten sollen sicherstellen, dass alle Reisenden schnell kontaktiert werden können, wenn sich herausstellt, dass ein Fluggast infiziert ist.
Solche Aussteigekarten sollten auch im grenzüberschreitenden Zug- und Busverkehr ausgefüllt werden, ergänzte Seehofer. Hier hoffe er auf eine Selbstverpflichtung der Transportunternehmen. Im Schiffsverkehr werde dies angeordnet. Für das Unterbrechen der Infektionsketten sei so ein Schritt unverzichtbar.
Bundesregierung stellt Krisenstab vor
tagesschau 20:00 Uhr, 27.02.2020, Thomas Kreutzmann, ARD Berlin
Krisenstab befasst sich mit ITB in Berlin
Im Übrigen würden Asylbewerber auf das neue Coronavirus getestet, sagte Seehofer. Denn die meisten würden über vorbelastete Länder wie den Iran, den Irak oder Afghanistan einreisen. An diesem Freitag werde sich der Krisenstab mit dem Umgang mit Großveranstaltungen befassen - darunter auch die weltgrößte Tourismusmesse ITB, die in der kommenden Woche in Berlin stattfinden soll.
Abgewogen werden müssten Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Interessen, sagte Seehofer. "Man muss beurteilen, wie viele Leute da aus China und aus anderen Ländern kommen, die belastet sind." Die Experten müssten den Politikern dann Empfehlungen geben.
Die Messebetreiber hatten bereits mitgeteilt, dass Aussteller nicht auf das Messegelände dürften, die innerhalb der vergangenen 14 Tage in den jeweiligen Risikogebieten in China, Iran, Italien oder Südkorea waren, Kontakt zu einer infizierten Person hatten oder Anzeichen typischer Symptome wie Fieber, Husten oder Atembeschwerden haben.
Robert Koch-Institut mahnt zu Besonnenheit
Das Robert Koch-Institut (RKI) mahnte zu besonnenem Handeln. "Wir haben es mit einer schweren Krankheitsform zu tun", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz. "Wir sind dem aber nicht schutzlos ausgeliefert", ergänzte er.
Alle Menschen könnten etwas tun, um sich vor Ansteckungen zu schützen, etwa durch regelmäßiges Händewaschen oder Desinfizieren der Hände, wenn kein Waschbecken verfügbar sei. Zudem sollte die sogenannte Husten-Nies-Etikette eingehalten werden - also Abstand halten, Einwegtaschentücher benutzen und in die Armbeuge niesen, wenn kein Taschentuch zur Hand ist.
Impfstoff lässt auf sich warten
Ziel sei es, Zeit zu gewinnen, also die Verbreitung der Krankheit zu verlangsamen. Da das Virus sehr leicht übertragen werde, müsse alles versucht werden, es einzudämmen. Problematisch sei, dass es bislang keine Medikamente gebe, die nachweisbar helfen. Auch die Entwicklung eines Impfstoffes werde noch Monate dauern. Rein zeitlich sei es angesichts der aufwändigen Verfahren und sich anschließenden Tests kaum noch zu schaffen, noch in diesem Jahr ein Mittel auf den Markt zu bringen.
Wieler geht nicht davon aus, dass es in Deutschland Städte abgeriegelt werden müssen. Für "italienische Verhältnisse" gebe es keinen Anlass. Wie viele Menschen in Nordrhein-Westfalen unter häusliche Quarantäne gestellt werden, sei noch nicht abzusehen. In Bayern seien die Quarantänemaßnahmen sehr erfolgreich gewesen. Dort habe es 14 Infizierte gegeben, bis zu 240 Menschen aus deren Umfeld seien zeitweise zu Hause isoliert worden.
Neue Fälle in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und NRW
Nach dem ersten Ausbruch in Bayern gibt es in Deutschland mittlerweile auch bestätigte Infektionen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In Europa ist Italien am stärksten betroffen. Dort waren die Infektionszahlen zuletzt sprunghaft gestiegen.
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