Richard Tice, Vorsitzender der Reform UK Partei

Großbritannien Reform UK - eine Gefahr für die Konservativen?

Stand: 03.02.2024 19:44 Uhr

Eine rechte Partei befindet sich in Großbritannien im Aufwind. Reform UK fordert Migrationsneutralität statt Klimaneutralität - und setzt den Tories unter Premier Sunak mit scharfer Kritik zu.

Von Tabea Huser, tagesschau.de

Im Vereinigten Königreich wird im Laufe der nächsten zwölf Monate gewählt. Nach mehr als 13 Jahren bahnt sich ein Regierungswechsel an. Umfragen zufolge liegt die Labour-Partei konstant seit mehr als einem Jahr deutlich vor den Konservativen unter Rishi Sunak.

Bei den Tories brodelt es. Insbesondere der äußerst rechte Flügel der Partei ist unzufrieden mit Sunak. Und ausgerechnet auf der rechten Seite des Parteienspektrums macht den Tories mit Reform UK nun eine weitere Partei zunehmend Konkurrenz.

Reform UK konnte im vergangenen Jahr ihre Umfragewerte auf nahezu zehn Prozent verdoppeln. Wegen des britischen Mehrheitswahlrechts wird zwar nicht damit gerechnet, dass die Partei bei den nächsten Parlamentswahlen mehr als ein oder zwei Sitze gewinnt. Aber sie könnte die Tories viele Stimmen kosten und in manchen Wahlkreisen den Ausschlag zugunsten von Labour geben.

Denn Reform UK hat sich zum Ziel gesetzt, die Konservativen zu "zerstören". Das bekräftigte der Parteivorsitzender, Richard Tice, erst vor wenigen Wochen: Er wolle sicherstellen, dass die Tories "nie wieder eine Mehrheit erreichen".

Namenswechsel während der Pandemie

Mit Slogan wie "Let's make Britain great" oder "Let's save Britain" wirbt Reform UK um Wähler. "Reform UK ist eine klassisch rechtspopulistische Partei", sagt von Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin - sie siedele sich rechts der Konservativen an.

Die Partei ist kein neuer Akteur in Großbritannien: Sie wurde 2019 unter dem Namen Brexit Party gegründet. Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage trat der Partei kurz nach der Gründung bei, nachdem er zuvor die United Kingdom Independence Party (UKIP) im Streit über deren Ausrichtung verlassen hatte. Ziel der Partei war es, den weichen Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May zu stoppen.

Nach dem Wahlsieg Boris Johnsons und dem Vollzug des harten Brexit zog sich Farage aus der Politik zurück. Seine Brexit Party änderte während der Corona-Pandemie den Namen und benannte sich in Reform UK um. Seit März 2021 ist der Unternehmer Richard Tice Vorsitzender der Partei.

Einflussfaktor Nigel Farage

"In der britischen Debatte um Reform dreht sich trotzdem fast alles um Farage", sagt von Ondarza. Bei jeder Pressekonferenz der Partei werde die Frage gestellt, ob Farage in die Politik zurückkehre. Im öffentlichen Diskurs habe er einen großen Einfluss - auch neben seiner eigenen Sendung beim rechtskonservativen TV-Kanal GB News.

Im Dezember nahm Farage an einer Reality-TV-Show im australischen Dschungel teil. Nach einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov gehörte Farage im vierten Quartal des vergangenen Jahres zu den fünf populärsten Politikern in Großbritannien. Dabei saß Farage nie als Abgeordneter im britischen Unterhaus. Mehrere Versuche, ein Mandat zu erlangen, scheiterten.

Ob Farage in die politische Arena zurückkehrt, ist offen. Seit Wochen kokettiert der Reform-Mitgründer damit, in die konservative Partei einzutreten. Laut von Ondarza gehen die Spekulationen so weit, dass Farage versuchen könnte, Parteivorsitzender der Tories zu werden. Anfang Oktober tauchte er auf auf dem Tory-Parteitag in Manchester auf und zog damit alle Scheinwerfer auf sich.

Der britische Politikwissenschaftler Mark Garnett von der Lancaster University hält dieses Szenario für unwahrscheinlich. Farage habe es bereits mit seiner Brexit-Kampagne in die Geschichtsbücher geschafft. Anders als Donald Trump wolle Farage nicht an die Spitze. Er genieße aber die öffentliche Aufmerksamkeit, wie Garnett sagt.

Rechte Stimmen könnten aufgespalten werden

Gefährlich kann die Reformpartei für die Konservativen dennoch werden. Am rechten Rand buhlen sie mit den Tories um die Gunst der Wählerschaft. Beobachter halten es für möglich, dass die Partei die rechten Stimmen aufspaltet.

"Wenn Reform UK bei der anstehenden Unterhauswahl in einem Großteil der Wahlkreise antritt, kann das die Tories eine Menge an Abgeordneten kosten", sagt von Ondarza. Hätte Labour beispielsweise 35 Prozent der Stimmen in einem Kreis, die Konservativen 25 und Reform 15, würde der Wahlkreis an Labour gehen, obwohl Reform und Konservativen zusammen mehr Stimmen haben.

Vorbehalte gegen Sunak

Reform UK verlangt eine Ende der Klimaneutralität und fordert stattdessen eine Migrationsneutralität. Demnach sollen nur noch so viele Menschen zuwandern, wie Auswanderer das Land verlassen.

Zu potenziellen Wählern zählen Brexit-Befürworter, das traditionelle rechte Spektrum und ehemalige Labour-Wähler aus der Arbeiterklasse. "Die Menschen, die das moderne Großbritannien ablehnen", sagt Mark Garnett. Reform UK spreche Menschen an, die denken, dass die "politische Elite woke und zu liberal" sei.

Sunak komme bei vielen Menschen im rechten Spektrum nicht gut an - auch, weil er sehr vermögend ist, wie Garnett sagt. Der Premierminister finde keinen wirklichen Zugang zu den Bürgern. Dazu komme die sogenannten cost-of-living crisis und die Inflation.

"In der Funktion, die Konservativen unter Druck zu setzen, wird die Reformpartei durchaus Erfolg haben", glaubt von Ondarza. Der Einfluss von der rechtspopulistischen Partei auf die Politik der Tories sei groß, da die Konservativen die rechten Wählerstimmen brauchen, um gegen Labour eine Chance zu haben.

"Das kurzfristige Ziel von Reform UK ist es, die Konservativen so zu bedrängen, dass sie mehr Rechts-außen-Politik übernehmen", sagt von Ondarza. "Im britischen Mehrheitswahlrecht gibt es keinen Platz für zwei Parteien links oder rechts der Mitte".

Erster Stimmungstest in Wellingborough

Vor der Wahl des Unterhauses könnte die für Mitte Februar angesetzte Nachwahl im mittelenglischen Wellingborough zeigen, wie groß der Einfluss von Reform UK ist: Ein Wahlkreis, in dem viele Menschen für den Brexit gestimmt haben. Die Tories müssen dort um einen eigentlich sicheren Sitz bangen.

"Nachwahlen sind traditionell Wahlen, in denen Regierungen abgestraft werden", sagt von Ondarza. Die Wahlbeteiligung sei meist niedrig. An der Zusammensetzung im Parlament werde sich nichts ändern. In Welllingborough kann Reform UK einen ersten Achtungserfolg erzielen - und die Konservativen weiter in die Krise stürzen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Februar 2024 um 05:21 Uhr.