Mehr als 8000 Menschen leben in und um das Flüchtlingslager.
Reportage

Flüchtlingscamp auf Samos Ein Leben zwischen Holz und Plastikplanen

Stand: 22.12.2019 17:39 Uhr

Knapp 8000 Menschen leben in dem überfüllten Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Samos. Viele haben weder Strom noch warmes Wasser - aber die Hoffnung, bald auf das Festland gebracht zu werden.

Gut gelaunt und stolz kommt der kleine Sohn der Familie über einen verschlammten Weg zurück ins Camp. Weab ist vor drei Monaten mit dem Boot aus der Türkei zusammen mit seinen Eltern, seiner Oma und drei weiteren Verwandten aus dem Irak nach Samos geflüchtet. Nach den ersten Wochen Sonderunterricht für Flüchtlingskinder spricht er schon ein paar Brocken Griechisch und recht gut Englisch.

Nach ihrer Ankunft baute die Familie eine kleine Hütte in den Olivenwäldern hoch über dem Hauptort der Insel bei Vathi. Damals stand diese Hütte ganz am Rand des damaligen Camps. Jetzt sind Hunderte weitere Hütten in der Nachbarschaft entstanden: "Wir bleiben meistens im Zelt jetzt bei starkem Regen", erzählen der Vater und die Mutter, denn nur die Kinder hätten gute Schuhe. Draußen ist es jetzt sehr kalt geworden. Und mit Kleidern werden die Flüchtlinge hier nicht gut versorgt, es gibt nur Bettlaken.

Flüchtlingslager Samos

Seit etwa drei Monaten lebt die Familie im Flüchtlingslager auf der Insel Samos.

500 Euro investierte die Familie in Holz, Plastikplanen und sogar ein kleines Regal. Etwas Obst und andere Lebensmittel sind fein säuberlich eingeräumt. Die Frauen grinsen, als sie ihr Bett zeigen. Die Bettpfosten sind aus Baumstämmen selbst gemacht, statt einer Matratze liegt da eine alte Tür, als Auflage einige Schichten Pappkartons. "Gar nicht so unbequem, drauf zu schlafen", meinen die Irakerinnen. Das sei ihr neues Haus in Europa, sagen sie ironisch. Andere im Camp müssen fast ohne Geld klar kommen.

8000 Menschen in einem Lager für 650

Helfer und Campverwaltung sind überlastet. Knapp 8000 Menschen leben jetzt in und um das offizielle Flüchtlingslager - für 650 Bewohner wurde es eingerichtet. "Vor der Toilette, vor der Essensausgabe sind immer lange Schlangen", erzählt die Familie. Und mit ihren knapp 300 Euro, die sie monatlich als Unterstützung bekommen, können sie gerade mal Lebensmittel und ab und zu Kleidung für sich kaufen. Ein Kilo Tomaten kostet im Ort zwei Euro, berichtet die Großmutter.

Im wilden Camp wird unter einem Regenschutz aus Wellblech Brot gebacken, sogar ein kleiner Falafelstand ist mitten an einem schlammigen Hügel entstanden. Die Küchenutensilien in der Hütte der irakischen Familie sind blitzsauber - obwohl es für sie nur kaltes Wasser und das auch noch rationiert gibt.

Flüchtlingslager Samos

Zehn Meter nebenan kämpft ein junges Paar aus Syrien gegen Regen und Matsch in einem Notzelt an. Die irakische Familie führt uns zu den verängstigen Eltern aus Syrien, um zu zeigen, dass nicht alle Menschen im Camp so viel Glück haben wie sie selbst. Der syrische Vater hält sein einjähriges Kind auf dem Arm und zeigt ein Video, auf dem das Kind erbärmlich spucken muss. "Das Essen hier ist für unser kleines Kind nicht geeignet. Es gibt keine Milch, kaum gute Nahrung. Wir mussten ins Krankenhaus, weil es vier Kilo Gewicht verloren hatte. Fünf Tage waren wir im Hospital mit ihm. Aber sie konnten dort auch nicht wirklich helfen. Am Ende haben wir ein Entlassungspapier bekommen und wir mussten wieder ins Camp."

Gute Nachrichten von der Einwanderungsbehörde

Ähnliches erleben viele der knapp 8000 Flüchtlinge auf Samos. Der Bürgermeister der Insel warnt weiterhin vor einer schlimmen Katastrophe mit Toten. Der griechische Ministerpräsident wendet sich eindringlich an Europa und forderte Hilfe aus dem Ausland an. Und die Menschen im Camp selbst hoffen wenige Tage vor Weihnachten auf kleine Hilfen und gute Nachrichten ganz persönlich für sich selbst.

Die Familie aus dem Irak hat sie dieser Tage bekommen: Von der Einwanderungsbehörde heißt es, im Januar könnten sie alle aufs Festland gebracht werden. Die Kinder, die Eltern, die Oma, Tante und Onkel. "Inshallah", so Gott, will, sagen sie, sind sie Anfang nächsten Jahres dann hoffentlich alle gemeinsam in der griechischen Hauptstadt.

Michael Lehmann, Michael Lehmann, ARD Athen, 22.12.2019 16:59 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 22. Dezember 2019 um 20:00 Uhr.