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Krieg gegen die Ukraine ++ Neuer Appell zur Evakuierung von Azovstal ++

Stand: 15.05.2022 23:45 Uhr

Frauen von Kämpfern im Stahlwerk von Mariupol haben erneut gefordert, ihre Männer in Sicherheit zu bringen. Die Ukraine hat nach eigenen Angaben eine Offensive in der Nähe von Slowjansk im Donbass abgewehrt. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.

15.05.2022 • 23:45 Uhr

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Ungeachtet schwerer russischer Angriffe kontrolliert die ukrainische Armee nach Angaben des regionalen Gouverneurs weiter rund zehn Prozent des ostukrainischen Gebiets Luhansk. Insbesondere die Außenbezirke der Städte Rubischne, Sjewjerodonezk und Lyssytschansk hätten die Russen bislang nicht einnehmen können, teilte Serhij Hajdaj mit. Moskau hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass prorussische Separatisten mit Hilfe der russischen Armee knapp elf Wochen nach Kriegsbeginn bis an die Verwaltungsgrenzen von Luhansk vorgedrungen seien. Hajdaj bezeichnete diese Aussagen damals als "Fantasie".

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die ukrainische Band Kalush Orchestra will ihren Sieg beim Eurovision Song Contest erst nach Kriegsende feiern. Rapper Oleh Psjuk sagte bei einer Online-Pressekonferenz: "Wir werden vielleicht nach dem Krieg eine große Feier haben, denn der Sieg ist großartig, den ESC zu gewinnen ist fantastisch, aber es passiert gerade so viel. Ich meine, Menschen die man kennt, werden in diesem Krieg getötet oder kämpfen darin oder verlieren ihre Jobs in der Ukraine. Das ist nicht wirklich die beste Grundlage für eine Feier."

Kalush Orchestra gewann den ESC in Turin mit dem Song "Stefania". Die sechsköpfige Band aus der Westukraine erhielt 439 Zuschauerstimmen, so viele, wie noch kein Beitrag bei einem ESC.

Der finnische Präsident Sauli Niinistö hat sich einen Tag nach seinem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu weiteren Details der Konversation geäußert. In dem Gespräch war es um Finnlands angestrebten NATO-Beitritt gegangen. Der Ton des gesamten Gespräches sei überraschend ruhig und sachlich gewesen, sagte Niinistö vor Journalisten in Helsinki. "Als ich mitteilte, dass wir mit der Regierung bereits eine Entscheidung bezüglich der NATO getroffen haben, stellte Putin fest, dass es aus seiner Sicht ein Fehler sei und dass niemand uns bedroht habe."

Niinistö sagte, er sei lange beunruhigt gewesen, weil Russland als mögliche Reaktion auf Finnlands NATO-Bestrebungen über militärische Gegenmaßnahmen gesprochen hatte. Mittlerweile habe diese Sorge aber abgenommen. "Allmählich bin ich zu der Ansicht gelangt, dass wir keine wesentlichen militärischen Operationen zu befürchten haben. Nach dem gestrigen Telefonat bin ich umso mehr dieser Meinung. Die Reaktionen, die ich gestern zu hören bekommen habe, waren deutlich milderer Natur als die bisherigen", sagte der Präsident.

In der ostukrainischen Stadt Sewerodonezk sind offiziellen Angaben zufolge zwei Menschen infolge von russischem Beschuss gestorben. Bei den Angriffen am Samstag sei ein Haus getroffen worden, teilte der Militärgouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, mit. Der Artilleriebeschuss sei auch in den vergangenen Stunden weitergegangen, schrieb Hajdaj im sozialen Netzwerk Telegram. Zuvor hatte er bereits über neun Verletzte infolge von Angriffen auf ein Krankenhaus gesprochen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Mehrere Ehefrauen der letzten ukrainischen Kämpfer in der Hafenstadt Mariupol haben katastrophale Zustände in dem von russischen Truppen belagerten Stahlwerk Azovstal geschildert. Ukrainische Medien zitieren Aussagen aus einem Interview, nach denen es pro Person nur noch ein Glas Wasser am Tag gibt. Die Frauen forderten erneut, die verschanzten Kämpfer in Sicherheit zu bringen - zuerst die Schwerverletzten. Deren Situation sei schrecklich: Manchen fehlten Arme oder Beine, es gebe kaum noch Medikamente oder Betäubungsmittel.

In dem Stahlwerk, das seit Wochen von Russen und prorussischen Separatisten beschossen wird, haben sich nach ukrainischen Angaben rund 1000 Verteidiger von Mariupol verschanzt. Rund 600 sollen verletzt sein, hieß es zuletzt. Die ukrainische Armee ist weit von Mariupol entfernt und hat derzeit keine Chance, die weitgehend von den Russen eingenommene Stadt zu befreien.

Die in Schweden regierenden Sozialdemokraten haben sich für einen Beitritt des Landes zur NATO ausgesprochen. Damit ebnen sie den Weg für ein Aufnahmegesuch, mit dem das skandinavische Land sich von seiner jahrzehntelangen Neutralität verabschieden würde.

Weite Teile der Opposition haben bereits ihre Zustimmung zu einem Nato-Aufnahmeantrag signalisiert. Die Minderheitsregierung von Ministerpräsidentin Andersson dürfte nun in Kürze das offizielle Beitrittsgesuch einreichen. Finnland hatte zuvor bereits erklärt, sich der Allianz anschließen zu wollen.

15.05.2022 • 16:17 Uhr

US-Haubitzen an der Front

Die Ukraine hat nach US-Angaben zahlreiche neue US-Haubitzen vom Typ M-777 an die Frontlinien gebracht. Das twittert die US-Botschaft in Kiew. 89 der 90 zugesagten Geschütze seien inzwischen geliefert. Die Lieferungen der M-777 waren als wichtig angesehen worden, weil sie eine lange Reichweite und eine hohe Treffgenauigkeit haben.

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, IW, Hüther, hat den Krieg Russlands gegen die Ukraine als ökonomischen Selbstmord bezeichnet. Den "Stuttgarter Nachrichten" sagte er, Präsident Putin raube seinem Land sämtliche Perspektiven. Russland werde außerdem politisch degradiert und erreiche seine militärischen Ziele nicht.

Hüther erklärte, Russland werde kurzfristig keinen Ersatz für die wegbrechenden Erdgasmärkte im Westen finden, weil es an den nötigen Pipelines fehle. Faktisch werde etwa Deutschland niemals wieder Gas aus Russland beziehen. Der aktuelle Schwenk zu Flüssigerdgas aus anderen Ländern werde nicht rückgängig gemacht werden, da der Aufbau der Importinfrastruktur so teuer sei, sagte Hüther.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat sich optimistisch gezeigt, dass die türkischen Bedenken hinsichtlich eines NATO-Beitritts Schwedens und Finnlands rasch ausgeräumt werden können. Die Türkei habe klargemacht, dass es nicht ihre Absicht sei, einen Beitritt Finnlands und Schwedens zu dem Bündnis zu "blockieren", sagte Stoltenberg zum Abschluss informeller Beratungen der NATO-Außenminister in Berlin. Er sei "zuversichtlich", dass die NATO im Falle einer Bewerbung Finnlands und Schwedens zu einer gemeinsamen Position finden werde. Stoltenberg betonte, die NATO werde "jede Entscheidung" Finnlands und Schwedens hinsichtlich des NATO-Beitritts respektieren.

Der Vorsitzende der Christdemokraten im Europäischen Parlament, Manfred Weber, warnt die Türkei vor einer Blockade der NATO-Aufnahme Finnlands und Schwedens. "Jeder, der die Geschlossenheit der NATO infrage stellt, wird sich innerhalb der Gemeinschaft isolieren", sagt Weber den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". "Wenn die beiden Länder es selbst wollen, dann gehören Finnland und Schweden dazu, das steht außer Frage." Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, dies zu verzögern oder zu blockieren. "Es muss deshalb alles getan werden, um etwaige Skeptiker zu überzeugen. Die Gespräche untereinander müssen jetzt im Mittelpunkt stehen."

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben eine neuerliche Offensive in der Nähe der Städte Bachmut und Slowjansk im Donbass abgewehrt. Der Gouverneur der Region Charkiw, Oleh Sinegubow, schrieb in den sozialen Medien, russische Soldaten hätten in der Nähe von Isjum erneut einen Durchbruch versucht, seien aber von den ukrainischen Truppen zurückgehalten worden. "Der Feind prüft ständig die Stellungen unserer Streitkräfte und versucht, sie zu durchbrechen, hat aber keinen Erfolg und musste erneut schwere Verluste an Menschen und Ausrüstung hinnehmen", schrieb Sinegubow in einer Erklärung bei Telegram.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

15.05.2022 • 14:48 Uhr

Russland: "165 Flugzeuge zerstört"

Russland hat nach eigenen Angaben ukrainische Stellungen im Osten des Landes beschossen. Dabei seien Kommandozentralen und Waffenlager ins Visier genommen worden, teilt das Verteidigungsministerium mit. Zudem seien zwei Raketenabwehrsysteme vom Typ S-300 und eine Radarstation in der Region Sumy im Nordosten des Landes zerstört worden. Insgesamt habe Russland seit Beginn der Militäroperation 165 Flugzeuge, 125 Hubschrauber, 879 unbemannte Luftfahrzeuge, 306 Raketen-Systeme zur Flugabwehr sowie 3098 Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge zerstört.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will allen ukrainischen Schülerinnen und Schülern, die kurz vor dem Abschluss stehen, diesen in Deutschland ermöglichen. Dies sei "Grundvoraussetzung, um eine Berufsausbildung oder ein Studium aufnehmen zu können. Das sollten wir ihnen unbedingt ermöglichen", sagte Stark-Watzinger im Interview der "taz am Wochenende".

Sie sei dazu im Gespräch mit ihren ukrainischen Amtskollegen und den Ländern, sagte die Ministerin weiter. Es gebe noch zahlreiche Details zu klären: "Wer koordiniert die Abschlussprüfungen? Wer nimmt sie ab? Welche Räume stehen dafür bereit?" Stark-Watzinger sprach sich auch dafür aus, ukrainische Lehrerinnen und Lehrer, die nach Deutschland geflüchtet sind, rasch in den Schuldienst zu integrieren. Ihre Berufsabschlüsse müssten schnell anerkannt werden.

Die Türkei fordert für ein Ja zur Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO Sicherheitsgarantien, wie Außenminister Mevlut Cavusoglu sagte. Zudem müssten Exportbeschränkungen aufgehoben werden. Darüber hinaus sollten beide Länder damit aufhören, Terrorismus zu unterstützen. Grundsätzlich unterstütze die Türkei aber den NATO-Ansatz der "offenen Tür".

Finnland will Mitglied der Nato werden. Das Land werde einen entsprechenden Antrag zur Aufnahme in die Militärallianz stellen, teilten der finnische Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin in Helsinki mit. Das finnische Parlament muss dem Schritt noch zustimmen, eine Mehrheit gilt aber als sicher. Niinistö sprach mehrfach von einem "historischen Tag" für das skandinavische Land. "Ein neues Zeitalter beginnt", so der Präsident.

Blockiert werden könnte ihre Aufnahme in die Militärallianz theoretisch noch durch das Veto eines Mitgliedstaats, die einstimmig über Aufnahmen entscheiden müssen. Kritisch hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert, der Finnland und Schweden vorwarf, der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sicheren Unterschlupf zu bieten.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat sich in Berlin mit seinem US-Kollegen Antony Blinken ausgetauscht. Aus den USA seien "weitere Waffen und andere Hilfe auf dem Weg in die Ukraine", erklärte Kuleba auf Twitter. Zudem sei eine enge Zusammenarbeit bei den Bemühungen verabredet worden, ukrainische Lebensmittelexporte nach Asien und Afrika zu ermöglichen. "Blinken und den USA dankbar für ihre Führungsrolle und ihre standhafte Unterstützung", twitterte der ukrainische Minister.

Es wird erwartet, dass Kuleba beim NATO-Außenministertreffen über die Lage in der Ukraine informiert. Das US-Außenministerium erklärt, Blinken und Kuleba hätten über die Folgen der russischen Invasion einschließlich der weltweiten Nahrungsmittelversorgung gesprochen. Blinken habe über die jüngsten Maßnahmen zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigung informiert, sagt ein Ministeriumssprecher.

Die russische Offensive im Osten der Ukraine stößt weiter auf starke Gegenwehr. In der zweitgrößten Stadt Charkiw konnten ukrainische Truppen die Angreifer offenbar zurückdrängen. Zur Lage in Charkiw berichtete ARD-Korrespondent Robert Kempe auf tagesschau24.

Robert Kempe, WDR, zzt. Charkiw, zur Lage in der Ukraine

tagesschau24 11:00 Uhr

Die italienische Polizei hat nach eigenen Angaben Hackerangriffe auf das Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in Turin verhindert. Die Hacker hätten versucht, in der Eröffnungsnacht am Dienstag und während des Finales von gestern auf heute in die Systeme einzudringen, teilte die Polizei in Turin mit. Spezialisten im Bereich Internetkriminalität, die für den ESC abgestellt worden seien, hätten die Angriffe auf die russische Hackergruppe Killnet zurückgeführt.

Schon zuvor gab es Gerüchte, russische Cyberkriminelle wollten den politisch aufgeladenen Grand Prix mit Angriffen stören. Die Polizei registrierte zudem sogenannte DDoS-Angriffe während der Abstimmung. Damit versuchen Hacker mit einer Flut von Anfragen, ein System lahmzulegen. Russland war wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine von der diesjährigen 66. Ausgabe des ESC ausgeschlossen worden.

Die ukrainische Eisenbahn hat einen Zug nach dem Siegersong des Eurovision Song Contest "Stefania" benannt. "Der Zug 43 von Kiew nach Iwano-Frankiwsk wird in diesem Jahr offiziell zum 'Stefania Express'", teilte Eisenbahnchef Olexander Kamyschin im Nachrichtendienst Telegram mit. Bei der Ankunft des Zuges in der Hauptstadt Kiew, in der westukrainischen Großstadt Iwano-Frankiwsk und in Kalusch solle das Lied "Stefania" gespielt werden.

Die ukrainische Gruppe Kalush Orchestra hatte in der Nacht mit dem Lied den Eurovision Song Contest in Turin gewonnen. Der Sänger von Kalush Orchestra, Oleh Psjuk, stammt aus der Kleinstadt Kalusch. Eisenbahnchef Kamyschin zufolge ist es der erste Zug in der Welt zu Ehren einer Mutter.

Russland hat das Azovstal-Werk in der Hafenstadt Mariupol nach ukrainischen Angaben mit Phosphorbomben beschossen. "Die Hölle ist auf die Erde gekommen. Zu Azovstal", schrieb der Mariupoler Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko im Nachrichtenkanal Telegram. Solche Brandbomben entzünden sich durch Kontakt mit Sauerstoff und richten verheerende Schäden an. Ihr Einsatz ist verboten. Andrjuschtschenko veröffentlichte dazu ein Video mit Luftaufnahmen, auf denen ein Feuerregen zu sehen ist, der auf das Stahlwerk niedergeht. Auf den zunächst nicht überprüfbaren Aufnahmen unklarer Herkunft war zudem Artilleriebeschuss der Industriezone zu sehen.

Andrjuschtschenko veröffentlichte zudem Bilder, die Aufschriften auf Bomben zeigen. Demnach soll das russische Militär damit auf den Sieg der Ukraine beim Eurovision Song Contest (ESC) reagiert haben. Es war zunächst nicht klar, woher diese Fotos stammten. Auf den mutmaßlichen Bomben war demnach auf Russisch zu lesen: "Kalusha, wie gewünscht! Auf Azovstal" und auf Englisch "Help Mariupol - Help Azovstal right now" (auf Deutsch: Helft Mariupol - Helft Azowstal sofort) mit dem Datum 14. Mai. Der Sänger der beim ESC siegreichen Band Kalusha Orchestra hatte auf der Bühne in Turin diese Worte in einem Appell gesagt. In Hasskommentaren war zu lesen, die Phosphorbomben seien der russische Gruß zum ESC-Sieg.

Krieg gegen die Ukraine: Flüchtlingskonvoi erreicht Saporischschja

Mareike Aden, NDR, tagesschau 12:00 Uhr

Vor Beginn informeller Beratungen der NATO-Außenminister in Berlin betonte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock: "Die NATO ist ein Bündnis, das auf Verteidigung setzt, das wird es auch bleiben, aber es ist auch ein Bündnis der offenen Türen." An die Adresse Finnlands und Schwedens gerichtet sagt Baerbock "herzlich willkommen".

Sie stellte Schweden und Finnland eine rasche Aufnahme in die NATO in Aussicht. Deutschland würde einen Beitritt der beiden Länder in das Bündnis "sehr, sehr schnell" ratifizieren, sagte Baerbock am Morgen am Rande informeller Beratungen mit ihren NATO-Kolleginnen und -Kollegen in Berlin. Die Bundesregierung habe dazu bereits Gespräche mit "allen demokratischen Parteien" geführt.  Auch zahlreiche andere NATO-Staaten hätten einen schnellen Ratifizierungsprozess zugesagt, sagte Baerbock. Eine "Hängepartie" nach einem Beitrittsantrag Schwedens und Finnlands dürfe es nicht geben, betonte sie. 

Generalinspekteur Eberhard Zorn hat nach eigenen Angaben von der Ukraine nur Anfragen nach Artillerie erhalten, nicht nach Bundeswehr-Panzern. "Die Ukrainer haben uns gegenüber ganz explizit Artillerie gefordert", sagte Zorn der "Bild am Sonntag". "Ich habe von der ukrainischen Regierung derzeit keine anderen Forderungen auf meinem Tisch liegen, die den Bestand der Bundeswehr betreffen."

Kiew habe während des Ukraine-Gipfels auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz den Bedarf an Artilleriegeschützen bekräftigt. Weil die Niederländer fünf Panzerhaubitzen 2000 zugesagt hätten und man für eine taktisch einsetzbare Feuereinheit etwa ein Dutzend Systeme benötige, werde Deutschland das Dutzend komplettieren, betonte Zorn. 

Weitere Lieferungen von schweren Waffen aus Bundeswehrbeständen an die Ukraine wollte Zorn nicht generell ausschließen.

Der Gouverneur der russischen Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, meldet den Beschuss eines Dorfes nahe der Grenze zur Ukraine. Dabei sei eine Person verletzt worden, erklärt Gladkow auf dem Messengerdienst Telegram. Ukrainische Kräfte hätten das Dorf unter Beschuss genommen. Die Regierung in Kiew hat in der Vergangenheit nicht erklärt, dass für solche Angriffe ukrainische Einheiten verantwortlich seien.

Der stellvertretende NATO-Generalsekretär Mircea Geoana hat der Ukraine die anhaltende Unterstützung des Westens in ihrem Kampf gegen die russischen Truppen zugesichert. "Dank des Muts der ukrainischen Armee und unserer Hilfe kann die Ukraine diesen Krieg gewinnen", sagte Geoana am Rande informeller Beratungen der NATO-Außenminister am Morgen in Berlin. Die russische Offensive in der Ukraine verliere bereits "an Schwung". 

Zu den Beitrittsplänen Schwedens und Finnlands zur NATO äußerte sich Geoana positiv. Er sei "zuversichtlich, dass die Alliierten" mögliche Mitgliedschaftsanträge beider "lebhafter Demokratien" "konstruktiv und positiv prüfen würden. "Sorgen" der Türkei hinsichtlich dieses Themas seien "freundschaftlich" diskutiert worden. Die "Politik der offenen Tür" der NATO sei "sakrosankt". 

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat das Interesse der Deutschen an der Bundeswehr massiv zugenommen. "Zum Beginn der russischen Invasion in der Ukraine stieg das Anfrageaufkommen extrem an", sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auf die Internetseite bundeswehr.de griffen demnach im März rund 1,5 Millionen mehr Besucher zu als im Vorjahresmonat. Mit knapp 4,1 Millionen Seitenansichten wurde ein Höchstwert erreicht. Im April gab es den Angaben zufolge noch fast drei Millionen Seitenansichten. Die Ministeriumswebseite bmvg.de wurde im Februar und März viermal so oft aufgerufen wie in den Vorjahresmonaten. Im April blieb die Zahl der Seitenaufrufe demnach immer noch doppelt so hoch wie im April 2021.

Eine ähnliche Entwicklung verzeichnete das Ministerium dem Bericht zufolge auf den Social-Media-Kanälen. Seit Kriegsbeginn seien über Facebook mit rund drei Millionen doppelt so viele Personen erreicht worden wie im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Auf dem YouTube-Kanal stieg seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar bis 1. Mai die Zahl der Video-Aufrufe auf rund 25 Millionen (gleicher Zeitraum 2021: rund 17 Millionen). Die Wiedergabezeit der Videos verdoppelte sich auf 1,2 Millionen Stunden.

Russland hat nach britischen Einschätzungen bei dem Angriff auf die Ukraine etwa ein Drittel der eingesetzten Bodentruppen verloren. Das russische Militär leide unter einem konstant hohen Zermürbungsgrad, teilte das britische Verteidigungsministerium in seiner täglichen Lagebewertung mit. Gleichzeitig habe es in den vergangenen vier Wochen keine nennenswerten Gebietsgewinne erzielen können.

Die Militärgeheimdienste sehen die russische Offensive im Donbass weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan. "Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es unwahrscheinlich, dass Russland seinen Vorstoß in den kommenden 30 Tagen dramatisch beschleunigen kann", erklärt das britische Militär in seinem Lagebericht auf Twitter.

Am Morgen hat es ukrainischen Behörden zufolge einen Raketenangriff in der Region Lwiw gegeben. Wie der dortige Gouverneur, Maxim Kosizki, auf dem Messengerdienst Telegram mitteilt, wurde militärische Infrastruktur getroffen. Ob dabei auch Menschen getötet oder verletzt wurden, sei noch unklar. Auch das Ausmaß der Zerstörungen müsse erst noch ermittelt werden. Lwiw liegt im Westen der Ukraine unweit der polnischen Grenze.

Ukrainische Streitkräfte liefern sich weiter heftige Kämpfe in den Regionen Luhansk und Donezk. Wie das ukrainische Militär in einem Update auf Facebook mitteilt, bleibt die Situation weiter schwierig, ist jedoch unter Kontrolle. Soldatinnen und Soldaten hätten bis in den späten Samstagabend hinein auch in der Donbass-Region 12 Angriffe zurückgeschlagen und dabei acht Panzer, fünf Artilleriesysteme, neun gepanzerte Kampffahrzeuge sowie sechs Drohnen zerstört.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Parteien, die den russischen Angriffskrieg unterstützen, sollen in der Ukraine bald verboten werden können. Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete ein Anfang Mai beschlossenes Gesetz, wie das ukrainische Parlament auf seiner Website mitteilte. Das Gesetz tritt einen Tag nach der offiziellen Veröffentlichung in Kraft. Das Verbot soll zum Beispiel Parteien treffen, die Russlands Krieg gegen die Ukraine rechtfertigen oder leugnen. Bereits im März stoppten ukrainische Behörden die Aktivitäten von fast einem Dutzend Parteien, die Verbindungen zu Russland haben sollen.

Dem russischen Botschafter in den USA zufolge werden russische Diplomaten in den USA mit Gewalt bedroht. "Unsere Botschaft befindet sich in einem feindlichen Umfeld. Die Botschaftsmitarbeiter erhalten Drohungen, einschließlich Drohungen mit physischer Gewalt", zitiert die russische Nachrichtenagentur Tass den Botschafter Anatoli Antonow.

Agenten der US-Sicherheitsdienste würden vor der russischen Botschaft Telefonnummern für Kontaktaufnahmen mit der CIA und des FBI verteilen. CIA und FBI lehnten bisher eine Stellungnahme ab, auch das US-Außenministerium war nicht sofort für einen Kommentar zum Sachverhalt zu erreichen.

Die ESC-Gewinner wollen den Krieg in der Ukraine noch stärker in die Öffentlichkeit bringen. "Wir haben in diesen Tagen große Trauer in der Ukraine, weil unsere Leute von allen Seiten blockiert sind und nicht aus dem Azovstal-Stahlwerk rauskommen", sagte Rapper Oleh Psjuk von der Band Kalush Orchestra vor der Presse. Das Stahlwerk in Mariupol steht unter russischem Beschuss. "Wir brauchen Hilfe, um diese Menschen freizubekommen."

Der Ukrainer empfahl, Informationen über das Geschehen in seinem Land zu verbreiten, darüber zu sprechen und zu versuchen, an die Regierungen und Behörden heranzutreten. "Das ist so wichtig", meinte der junge Mann, der mit seiner Band in den kommenden Tagen wieder in die Ukraine reisen wird.

Was in seinem Land auf Psjuk wartet und ob er im Militär kämpfen muss, wusste der Musiker nach eigenen Worten noch nicht. "Wir sind bereit, so viel zu kämpfen wie wir können, und bis zum Ende zu gehen", erklärte er. Besorgt zu sein, ende nicht an der Grenze. "Alle meine Freunde und Familie und Lieben sind sowieso in der Ukraine, egal, wo ich bin." Manchmal ist es laut Psjuk sogar noch tröstlicher, dort mit ihnen zusammen zu sein.

Oleh Psjuk

ESC-Gewinner Oleh Psjuk wird mit seiner Band in den kommenden Tagen wieder in die Ukraine reisen.

Ein großer Konvoi aus Autos und Lieferwagen ist sicher mit Geflüchteten aus Mariupol in der ukrainisch kontrollierten Stadt Saporischschja angekommen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Flüchtlinge mussten Mariupol zuvor auf eigene Faust verlassen und sich allein bis nach Berdjansk, etwa 80 Kilometer weiter westlich, durchschlagen. Von dort aus konnten sie mit den Rettungsfahrzeugen ins 200 Kilometer entfernte Saporischschja in Sicherheit gebracht werden.

Ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol hatte zuvor gesagt, dass der Konvoi zwischen 500 und 1000 Autos umfasste und damit die größte Evakuierungsmaßnahme in der Stadt seit dem Einmarsch der Russen am 24. Februar war.

Nach dem Sieg der Ukraine beim Eurovision Song Contest 2022 zeigt sich Präsident Wolodymyr Selenskyj überglücklich und will den Wettbewerb im nächsten Jahr in seinem Land austragen. "Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa! Im nächsten Jahr empfängt die Ukraine den Eurovision! Zum dritten Mal in unserer Geschichte", teilte Selenskyj im Nachrichtenkanal Telegram mit. Er glaube daran, dass dies nicht der letzte Sieg sei.

Selenskyj nahm auch Bezug auf den Aufruf der Band Kalush Orchestra beim ESC, die von russischen Truppen belagerte Hafenstadt Mariupol zu retten. "Wir tun alles dafür, damit eines Tages das ukrainische Mariupol die Teilnehmer und Gäste der Eurovision empfängt. Ein freies, friedliches, wieder aufgebautes!", schrieb Selenskyj.

In der Ukraine ist der Sieg der Band Kalusha Orchestra beim Eurovision Song Contest in Turin mit Euphorie aufgenommen worden. "Das ist unser gemeinsamer Sieg für unsere Ukraine. Das ist ein Sieg im Gedenken an alle, die umgekommen sind", sagte der Moderator des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Timur Miroschnytschenko, in der Nacht mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen das Land. "Wir siegen an der musikalischen Front und...", sagte der Moderator, dann brach ihm die Stimme, und er musste weinen.

Unklar ist, ob die Ukraine wirklich den ESC im nächsten Jahr austragen kann. Derzeit könnte in der Ukraine kein ESC stattfinden, weil in dem Land Kriegsrecht herrscht. Damit sind keine Großveranstaltungen erlaubt.

15.05.2022 • 01:02 Uhr

Die Ukraine gewinnt den ESC

Die Ukraine hat den Eurovision Song Contest gewonnen. Die Gruppe Kalush Orchestra setzte sich in der Nacht mit dem Hip-Hip-Song "Stefania" im italienischen Turin gegen 24 Künstler und Bands durch.

Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge wurde eines ihrer Transportschiffe im Schwarzen Meer nicht von ukrainischen Streitkräften beschädigt. Als Beweis dafür veröffentlicht das Ministerium Fotos des Schiffes in einem Online-Posting, die gestern im Schwarzmeerhafen Sewastopol auf der Krim aufgenommen worden sein sollen.

Die ukrainischen Militärbehörden in Odessa hatten am Donnerstag erklärt, ein russisches Transportschiff angegriffen und in Brand gesetzt zu haben. Die Angaben können nicht unabhängig voneinander überprüft werden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die Lage in der ostukrainischen Region Donbass bleibt für die Ukraine nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj "sehr schwierig". Die russischen Truppen versuchten, dort "wenigstens einen gewissen Sieg" vorweisen zu können, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht. Das wirke am 80. Tag nach dem Einmarsch "besonders verrückt".

Die russischen Truppen konzentrieren ihre Angriffe auf die Ostukraine, nachdem sie mit ihrem Vormarsch auf Kiew scheiterten. Selenskyj zeigte sich zuversichtlich: "Schritt um Schritt zwingen wir die Besatzer, unser Land zu verlassen."

Selenskyj zog eine Verbindung zwischen der Unterstützung für die Ukraine und der globalen Nahrungsmittelversorgung. Die Ukraine gehört unter anderem zu den wichtigsten Weizenlieferanten. Mehr und mehr Länder verstünden, dass Russland mit der Blockade ukrainischer Häfen und der Fortsetzung des Krieges für Dutzende Staaten eine Krise auf dem Lebensmittelmarkt oder gar Hungersnot auslösen könne, sagte Selenskyj.

Die ukrainische Band Kalush Orchestra hat bei ihrem Auftritt beim Eurovision Song Contest (ESC) um Hilfe für ihr Heimatland gefleht. "Bitte helfen Sie der Ukraine, Mariupol, helfen Sie Asow-Stahl jetzt", sagte Sänger Oleh Psiuk am Ende des Auftritts der beim ESC favorisierten Band im italienischen Turin.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat sich skeptisch zu einem möglichen Waffenstillstand mit Russland geäußert. "Es gibt nichts Schlechtes an einem Waffenstillstand, wenn er der erste Schritt hin zu einer Lösung wäre, wo das ukrainische Staatsgebiet befreit wird", sagte Kuleba in einem Interview bei "Bild" TV". "Wir werden uns aber nicht damit abfinden, dass es eine Teil-Abtrennung von Territorium gibt. Wir sind bereit für Diplomatie, aber wir werden es nicht zulassen, dass Diplomatie einfach unser Leiden verlängert und die nächste Phase des Krieges einfach nur vertagt", sagt Kuleba.

Der Krieg in der Ukraine könnte nach Einschätzung der Welthungerhilfe weltweit zu Hungersnöten führen. "Länder wie Ägypten, Kenia, der Südsudan, der Libanon und viele andere Staaten waren bislang direkt oder indirekt stark von russischen und ukrainischen Exporten abhängig", sagte der Generalsekretär Mathias Mogge dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

"Diese Länder erhalten jetzt nicht die bestellten Mengen oder müssen dafür sehr viel mehr bezahlen." Zudem seien die Lebensmittelpreise bereits vor dem Krieg durch Klimawandel, Konflikte, Corona-Pandemie und Spekulationen auf den Weltmärkten auf ein Allzeithoch gestiegen. Auch die Lage für die Menschen in der Ukraine selbst sei "hochdramatisch" und vergleichbar mit der im Bürgerkriegsland Syrien, sagte Mogge.

"Die Ukraine konnte sich bis zum Ausbruch des Krieges sehr gut selbst ernähren", konstatierte der Welthungerhilfe-Generalsekretär. Sie sei sogar ein wichtiger Exporteur von Grundnahrungsmitteln wie Getreide und Speiseöl gewesen. "Aber der Krieg ändert jetzt alles."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 15. Mai 2022 um 09:58 Uhr.